Forum / Oh Gott, der Kardinal will flüchten! Warum es den pensionierten Gottesmann mit Macht nach Portugal zieht
Herr Hollerich will offenbar eine neue Migrantengattung ins Leben rufen: den Glaubensflüchtling. Die Parallelen zum Klimaflüchtling springen ins Auge. Wenn das Reich Gottes austrocknet und die Glaubenswüste sich ausbreitet, wie hier in der zunehmend gottlosen Luxemburger Diözese, muss der Gottesverkünder sich eben anderswo nach blühenden Landschaften umsehen. Er ist zwar kein verfolgter Christ, sondern nur ein enttäuschter Religionshändler, aber wer will schon als Rufer in der Wüste das Wort des Allmächtigen verkünden? In einem Zeitungsinterview hat Herr Hollerich seine Pläne fürs Rentenalter enthüllt: „Ich habe mir eine Wohnung in der Algarve zugelegt. Weil ich mir keine Wohnung in Luxemburg leisten kann … Meine Wohnung ist fast abbezahlt. Regelmäßig verbringe ich meine Urlaube dort, die Menschen kennen mich und ich assistiere manchmal bei der lokalen Messe“ (Revue 21.9.24).
Gewiss, die Algarve ist ein schöner Landstrich. Vielleicht zu lieblich und nicht ganz authentisch, da alles auf Tourismus getrimmt ist, also auf gezielte Augenwischerei. Doch Herr Hollerich will nicht wegen der landschaftlichen Reize auswandern. Er begibt sich auf Seelensuche. Im Revue-Interview klingt das so: „Waren Sie schon mal in einer portugiesischen Messe in Luxemburg-Stadt? In Bonneweg, im Garer Viertel oder auf Cents sind die Kirchen voll!“ Logischer Schluss: Wenn schon hierzulande ein paar Gotteshäuser vor frommen Portugiesen förmlich überquellen, wie muss es dann erst vor Ort in Portugal ausschauen? Sollte man die Zentrale nicht der Filiale vorziehen? Wie es scheint, herrschen in der Algarve paradiesische Zustände. Überall willige Gotteskinder in proppenvollen Kirchen, ganz im Gegensatz zu Luxemburg, wo der kollektive Abfall vom Glauben nicht mehr einzudämmen ist.
Als geübter Jesuit weiß Herr Hollerich genau, dass es kein Paradies gibt, außer man schafft es sich selber auf Erden. Die Algarve ist schon mal ein vorzüglicher Standort für einen pensionierten Kardinal. Mit seiner üppigen Staatsrente darf er sich dort wie im Schlaraffenland fühlen. Nicht zu vergessen: die Kirchen sind voll! Offenbar verfängt der Gotteszauber nach wie vor in dieser südlichen Enklave. Natürlich wird Herr Hollerich nicht mehr in einem provokant pompösen, von uns Steuerzahlern finanzierten Protzpalast residieren. Sein mietkostenfreier Amtssitz wird ihm abhandenkommen, sein luxuriöses Episkopat wird abrupt ein Ende nehmen. Doch das wird er nicht bedauern, denn in der Algarve wird er fürstlich entschädigt: Er ist umringt von standhaften Katholiken und darf fortan täglich bei der lokalen Messe assistieren. Anders gesagt: Hier trägt die jesuitische Hirnwäsche noch Früchte. Auf einen fröhlichen Lebensabend inmitten der gottesfürchtigen Schäfchen!
Was aber sollen wir von den Portugiesen denken, die der Kardinal so penetrant idealisiert, indem er sie in unmittelbarer Gottesnähe verortet? Immerhin hat das portugiesische Volk, im Unterschied zu uns Luxemburgern, vor nicht allzu langer Zeit eine Revolution geschafft. Der gestürzte Diktator Salazar war zeitlebens ein begeisterter Katholik. Umgekehrt hat sich die portugiesische Amtskirche mit vollem Einsatz der Diktatur angedient. Wir kennen ja das göttliche Kooperationsprinzip: überall auf der Welt, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden, mischen die jeweiligen Religionsführer auf militante Weise mit. Eigentlich passt Herr Hollerich nicht in die idyllische Algarve, sondern eher in den rauen Norden, genauer gesagt ins Distrikt Braga (im Minho). Sein Amtsbruder, der Erzbischof von Braga, war ein herausragender Saboteur der Revolution. Er bekämpfte das freiheitliche Menschenbild der Revolutionäre mit Zähnen und Klauen. Das müsste Herrn Hollerich im Grunde beeindrucken.
Abtreibungsfrage
Denn auch er hält nichts von Menschenrechten. Wie anders wäre zu erklären, dass er in einem rezenten Interview (Wort, 25.9.24) schlicht Ungeheuerliches von sich gab? Auf die Frage „Der Papst hat zu den US-Wahlen gemeint, Menschen sollten das kleinere Übel wählen. Was ist böse an Kamala Harris?“ antwortete er unumwunden: „Für mich ist es die Abtreibungsfrage.“ Und er betont: „Die Entscheidung ist immer für das Leben, und ich finde es barbarisch, wie wir mit dem ungeborenen Leben umgehen.“ Der Irreführer, Pardon, der irre Führer Trump ist Herrn Hollerich also lieber als die vernunftbegabte, empathische Kamala Harris. Eine Frau, die offen für Selbstbestimmung plädiert, ist in seinen Augen weit schlimmer als ein Mann, der selber patriarchalisch unbarmherzig bestimmen möchte, wie Frauen sich zu benehmen haben. Ein verurteilter Vergewaltiger und zertifizierter Rassist gefällt dem Kardinal besser als eine entschiedene Anwältin für Humanität und Ehrgefühl.
Hier wächst zusammen, was zusammen gehört: der glaubensbeseelte Kardinal und der frömmelnde Drecksack. Trump tingelt beifallheischend von einer religiösen Sekte zur anderen, er vermarktet sogar Bibeln, die er angeblich selber gestaltet hat. All diesen sturen Gottesvereinen ist es vollends egal, was Trump alles auf dem Kerbholz hat. Er ist eben der Gesandte Gottes. Mit dem gottgefälligen Lügner, Betrüger, Frauenverächter, Behindertenverhöhner, Volksverhetzer, Putschisten, Unrechtsfanatiker und Demokratiezertrümmerer ist der ersehnte Gottesstaat gut bedient. Herr Hollerich schließt sich dem finsteren Chor der Trump-Bewunderer an. Sein Wunschkandidat ist gegen Abtreibung. Das genügt. Gottes Segen ist ihm sicher.
Dazu passt, dass der Papst neulich vor Journalisten auffällig in den Trump-Jargon verfiel. Ärzte, die Abtreibung praktizieren, also völlig legal ihre Sorgfaltspflicht wahrnehmen, nannte er „Auftragsmörder“. Jeder Mensch, der kein „heiliger Vater“ ist, würde sich mit einer solchen Abkanzelung eine Klage wegen gravierender Ehrabschneidung einhandeln. Doch der Papst, genau wie sein Vertrauter Hollerich, berufen sich auf einen ewig straffreien Einflüsterer: den Herrn Gott persönlich. Wir wünschen dem Kardinal einen angenehmen Aufenthalt in Portugal. Möge er vor Waldbränden verschont bleiben. Er soll nicht vorzeitig im Höllenfeuer schmoren.
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