Chamberdebatte / Parlament stimmt für Spezialkommission zur Aufklärung des Caritas-Skandals
Zum ersten Mal diskutiert die Chamber öffentlich über den Caritas-Skandal. Während die Forderung nach einer Spezialkommission über alle Parteigrenzen hinweg auf Zustimmung trifft, zeigt sich Premier Frieden persönlich getroffen vom Vorwurf der Kaltherzigkeit.
Drei Mal haben sich die Abgeordneten der Chamber bereits mit der Regierung zusammengesetzt, um über Ausmaß und Folgen des Caritas-Skandals zu diskutieren. Drei Kommissionssitzungen, die nicht für die Öffentlichkeit zugänglich waren. An diesem Donnerstagnachmittag hat das luxemburgische Parlament zum ersten Mal öffentlich über die Causa Caritas debattiert – in einer aktuellen Stunde auf Anfrage von „déi gréng“. Eines der wichtigsten Ergebnisse: In Zukunft wird sich eine zeitlich begrenzt eingesetzte Spezialkommission des Parlaments um alle Themen rund um den Caritas-Skandal kümmern. Das beschließt das Parlament an diesem Nachmittag einstimmig.
Es ist die Grünen-Abgeordnete Djuna Bernard, die die Debatte eröffnen darf. Drei Monate, nachdem bekannt wurde, dass mutmaßliche Betrüger die Caritas um 61 Millionen Euro bestohlen hatten, möchte sie mehr Licht auf die Vorgänge der vergangenen Wochen werfen. Was waren die Schlüsselmomente im Krisenmanagement? Und wo hätte man möglicherweise anders entscheiden können? Bernards Fragen richten sich vor allem an Premierminister Luc Frieden (CSV), der die Bewältigung der Krise früh zur Chefsache ernannt hatte. Die Grünen-Politikerin fragt sich, ob wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, um die Caritas zu retten, und ob die Gründung von HUT wirklich notwendig gewesen sei: Hätte die Aktivitäten von „Caritas Solidarité et Accueil“ auch an die Entität „Jeunes et Familles“ übertragen werden können – oder an andere bestehende Akteure des Sozialsektors? Auch in der Sache, wie es mit der internationalen Abteilung und dem „Plaidoyer politique“ weitergehe, gebe es noch viele Ungewissheiten – bei ersterem vor allem widersprüchliche Aussagen von HUT-Verwaltungsratspräsident Billon und Kooperationsminister Bettel (DP). Alles in allem, so schließt Bernard, könne man keine positive Bilanz ziehen. Die Caritas stehe vor einem Sozialplan. Und der neue Akteur HUT akzeptiere bestehendes Arbeitsrecht nicht.
Die Verantwortung des Bistums
Andere Vertreter der Opposition schlagen während der Diskussion in dieselbe Kerbe. LSAP-Fraktionschefin Taina Bofferding attestiert der Kommunikation von Premier Frieden in der Causa Caritas von Anfang an einen „kalten Ton“. Die erste Aussage, die der Premierminister getätigt habe, sei gewesen: „Die Caritas bekommt keinen Euro mehr vom Staat.“ In der Folge sei die NGO abgewickelt worden wie ein Unternehmen. Man habe, so Bofferding, in diesen Tagen einen CEO im Krisenmodus, keinen Premier mit Empathie erlebt. Die LSAP-Politikerin verweist auch auf die Abwesenheit der Kirche in dieser Debatte, dabei bestimme das Bistum fünf Mitglieder des Verwaltungsrates der Caritas.
In diesem Punkt erhält Bofferding Rückendeckung von CSV-Fraktionschef Marc Spautz, der für einen christsozialen Politiker dieser Tage einmal mehr ungewohnt harte Worte angesichts der Verantwortungslosigkeit des Bistums findet – wenn auch um die Regierung gegen die Vorwürfe von Djuna Bernard zu verteidigen. Wenn die Regierung nicht eingegriffen hätte, so Spautz, hätten die 324 Mitarbeiter der Caritas ihren Job und 20.000 Menschen ihre Betreuung verloren. Die Transition von Caritas zu HUT sieht Spautz arbeitsrechtlich weiterhin kritisch. Diese Frage würden jedoch, ebenso wie den Diebstahl selbst, die Gerichte klären – und nicht das Parlament. Die Justiz mache ihre Arbeit, das sei schön und gut, sagt ADR-Fraktionspräsident Fred Keup, er kritisiert aber die mangelnde Kommunikation der Staatsanwaltschaft. Diese könnte die Öffentlichkeit mehr und öfter über die Ermittlungen informieren, beispielsweise in Pressekonferenzen, wie es im Ausland üblich sei, so Keup.
„Die Caritas ist Opfer, nicht Täter“, sagt Marc Baum von „déi Lénk“. Der Staat habe die Pflicht, die Zivilgesellschaft zu schützen und zu unterstützen. Eine von Baum eingereichte Resolution, mit der die Chamber sich geschlossen hinter den sozialen Sektor stellt und den vielen Akteuren ihre Anerkennung ausspricht, wird vom Parlament einstimmig angenommen. Für die Rolle der Regierung findet der Linken-Abgeordnete an diesem Nachmittag die härtesten Worte. „Kein Geld für die Caritas“ sei eine fatale Entscheidung gleich zu Beginn gewesen, ein „Todesurteil für das Opfer“. „CEO Frieden“ habe aus „einer Krise eine Katastrophe“ gemacht.
Angefasst vom „kalten Herz“
In seiner Rede zeigt sich Premier Frieden sichtlich angefasst vom Vorwurf der Kaltherzigkeit. Es sei „extrem persönlich verletzend“, wenn ihm unterstellt werde, er habe kein Interesse an Sozialpolitik und dem Schicksal der Caritas. „Es war uns nicht egal und ist es uns bis heute nicht egal“, so Frieden. Als Premierminister habe er die Führung übernehmen müssen, alle Entscheidungen seien aber in Teamarbeit mit den zuständigen Ministern gefallen. Frieden erklärt vor dem Parlament auch, warum er der Caritas so früh und entschieden den Geldhahn zudrehen musste. Es wäre unverantwortlich gewesen, der NGO weiter Steuergeld zu geben, zu einem Zeitpunkt, als die Hintergründe und Mechanismen des Diebstahls noch völlig unklar waren. Außerdem hätten die Banken, bei denen die Caritas mit der Sicherheit der staatlichen Verträge Geld geliehen hatte, sich bei der Regierung gemeldet und deutlich gemacht, dass jeder Euro, den der Staat an die Caritas überweisen würde, direkt bei der Bank landen würde. Die Regierung habe in der Causa Caritas ihre Ziele erreicht, so der Premier: Es sei kein Geld „in einem Loch“ verschwunden, die meisten Mitarbeiter seien weiter beschäftigt und die Aktivitäten der Caritas in Luxemburg würden von HUT weitergeführt. „Die Fragen, die bleiben, sind keine Fragen, die die Regierung beantworten kann“, sagt der Premier. Das seien Fragen an die Justiz oder die Banken.
Im Laufe der Sitzung wurden einige Motionen und Resolutionen sowie ein Gesetzesvorschlag eingereicht, die zum großen Teil jedoch nicht gestimmt wurden, sondern für weitere Debatten an die Justizkommission bzw. die neu eingesetzte Spezialkommission zum Caritas-Skandal weitergereicht wurden. Der LSAP-Abgeordnete Franz Fayot machte deutlich, wie wichtig es sei, das Vertrauen der Bevölkerung in den sozialen Sektor nach dem Caritas-Skandal wieder zu stärken. Er reichte deshalb einen Gesetzesvorschlag und eine Motion ein, in der es um die Verbesserung der allgemeinen Richtlinien und einen „Code of Conduct“ für Vereinigungen und Stiftungen geht. Djuna Bernard legte eine Motion vor, die Lösungen für diejenigen Caritas-Mitarbeiter fordert, die nicht von HUT übernommen wurden. Mit dieser Motion wird sich in naher Zukunft die neu gegründete Spezialkommission beschäftigen.
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