Editorial / Wie soziale Errungenschaften dem Profit geopfert werden
Was tut man, wenn man von allen Seiten Kritik für seine Vorhaben erntet? In sich gehen und reflektieren? Überdenken und im Dialog nach neuen Lösungen suchen? Pustekuchen! Mit dem Kopf durch die Wand.
Das wird sich Arbeitsminister Georges Mischo gedacht haben. Am Freitagabend nach dem Regierungsrat erhielten Luxemburgs Arbeitnehmer den Bescheid, dass sie sonntags zur Arbeit erscheinen müssen.
Am Donnerstag beschwerte sich Luxemburgs Premier noch darüber, dass man ihm und seiner Regierung ein kaltes Herz unterstelle. Die Lacher hatte er damit auf seiner Seite. Am Freitag zeigte sich wieder einmal, warum. Da hatte es sich schon wieder ausgelacht. Auf dem Rücken der Arbeitnehmerschaft wird der Luxemburger Sozialdialog ausgehöhlt, der Konsens gebrochen, jahrzehntelange Errungenschaften einfach über den Haufen geworfen. Zumindest einem wird dabei ganz warm ums Herz: dem Patronat.
Die Antwort der Sozialpartner dürfte nicht lange auf sich warten lassen. Wobei von Partnern schon länger keine Rede mehr sein kann. Mit der Ankündigung des Gesetzes zur Sonntagsarbeit endete für die Gewerkschaften eine schlimme Woche mit ernüchternden Ministerterminen zu Kollektivverträgen und Renten. Mischo wollte die Gewerkschaften zu reinen Zuhörern degradieren, diese verließen die Sitzung. Ein ehemaliger Lehrer, der fernab seiner Kernkompetenzen weiter belehren will. Nur hat er es nicht mehr mit Schülern zu tun. Das Dekretieren von oben herab – ob das ewig gut gehen wird?
Unternehmer werden mit den sonntäglichen Öffnungszeiten wohl auf mehr Umsatz hoffen. Wirtschaftliches Wachstum, falls nötig mit der Brechstange. Es ist absehbar konsequent, mit welchen Absichten die Politik versucht, im Rahmen schwieriger wirtschaftlicher Prognosen und schwindender Kaufkraft ein Mehr zu generieren. Und sich der sich immer stärker aufdrängenden systemischen Wachstumsfrage verschließt. Ob die Rechnung aufgehen wird, wird sich zeigen: Längere Öffnungszeiten bedeuten nicht unbedingt mehr Konsum. Vor allem, weil den Verbrauchern mit mehr Öffnungszeiten nicht automatisch mehr Budget zur Verfügung steht.
Und auf dem Altar der Wirtschaftlichkeit wird dann nun auch der Rest an Quality Time geopfert, die man als Resultat jahrzehntelanger Arbeitskämpfe vielleicht noch hatte. Das Wochenende mit der Familie, Kindern, Freundinnen und Freunden verbringen? Das kann man doch getrost auf schulfreie Nachmittage begrenzen. Die Firma Luxemburg hat jetzt auch sonntags geöffnet.
Die Wahlen sind ein gutes Jahr her. Den anfänglich geäußerten Vorwurf der Inaktivität braucht sich die Regierung nicht mehr gefallen zu lassen. Die soziale Dampfwalze hat unter Federführung der CSV Fahrt aufgenommen. Die DP lacht sich ins Fäustchen. Ihre Klientel wird bedient, ohne dass sich Xavier Bettel und Co. die Hände schmutzig machen müssen. Sie lassen andere sonntags arbeiten. In die Kirche geht eh keiner mehr.
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