Rentenforum / Mythen des Luxemburger Rentensystems
In der aktuellen Diskussion um die Rentenreform werden häufig Halbwahrheiten und Unwahrheiten verbreitet, um eine Schwächung des Rentensystems zu rechtfertigen. In einer dreiteiligen Serie will die Arbeitnehmerkammer mit einigen Mythen aufräumen.
Finanzielle Tragbarkeit
Einige Kritiker versuchen, das Rentensystem als extrem unnachhaltig darzustellen, indem sie behaupten, dass es bald ins Defizit rutschen wird und seine finanzielle Langlebigkeit gefährdet sei.
Diese Kommentare ignorieren jedoch die derzeit exzellente finanzielle Gesundheit des Systems. Jährlich erwirtschaftet das Rentensystem mehr Einnahmen als Ausgaben und hat dadurch eine Reserve von über 27 Milliarden Euro aufgebaut. Selbst ohne jegliche weitere Beitragszahlungen könnten mit diesen Reserven die Ausgaben der nächsten 4,3 Jahre gedeckt werden.
Auch sollte daran erinnert werden, dass das System bereits mit einer zehnjährigen Referenzperiode arbeitet. Der Beitragssatz wird so festgelegt, dass nach diesen zehn Jahren immer noch Reserven in Höhe von mindestens dem 1,5-Fachen der jährlichen Ausgaben vorhanden sind. Das System ist somit gesetzlich abgesichert: zunächst für eine Periode von zehn Jahren und zusätzlich durch eine erhebliche Rentenreserve. Das Rentensystem steht also keineswegs auf wackeligen Füßen.
Eine Referenzperiode, die über die aktuellen zehn Jahre hinausgeht, wäre aufgrund der großen Unsicherheiten bei Langzeitprognosen äußerst unangemessen. Extrem unzuverlässige Zahlen könnten dazu verwendet werden, ein finanziell gesundes System unnötig zu schwächen.
Insgesamt zeigt sich, dass das Rentensystem derzeit auf soliden finanziellen Grundlagen steht und langfristig abgesichert ist. Panikmache und übertriebene Defizitwarnungen werden instrumentalisiert, um Rentenkürzungen herbeizuführen.
Rentenforum
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Unausweichliche Kürzungen
In der Diskussion um die zukünftige Entwicklung des Rentensystems wird eine Kürzung der Rentenausgaben von einigen als unvermeidlich und als einzige Lösung zur Absicherung des Systems dargestellt. Diese Sichtweise ist jedoch alles andere als alternativlos.
Statt die Rentenleistungen zu reduzieren, könnte die Finanzierung des Systems so angepasst werden, dass die Qualität des Rentensystems erhalten bleibt. Jedes hochwertige System erfordert eine angemessene Finanzierung, um gesellschaftliche Herausforderungen zu meistern, und dies gilt besonders für die Rentenversicherung angesichts einer alternden Bevölkerung.
Es sei darauf hingewiesen, dass die Rentenbeiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber seit 1976 nicht erhöht wurden und dass die Lohnnebenkosten in Luxemburg zu den geringsten der EU gehören. Eine Erhöhung der Beiträge wäre somit sowohl ökonomisch als auch wettbewerbstechnisch durchaus tragbar und würde keine übermäßige Belastung darstellen.
Sollten die Einnahmen der Rentenversicherung die Ausgaben nicht mehr decken, ist eine Verschlechterung des Systems also keineswegs notwendig. Stattdessen könnte, nach einer Übergangsphase, in der auf die Rentenreserve zurückgegriffen wird, eine Erhöhung der Einnahmen beschlossen werden.
Eine Anpassung der Finanzierungsstruktur kann somit dazu beitragen, das Rentensystem langfristig zu stabilisieren, ohne die Rentenleistungen zu kürzen.
Gelungene Reform 2012?
Einige Stimmen preisen die Rentenreform von 2012 als Musterbeispiel einer sozialgerechten Reform und empfehlen sie als Modell für zukünftige Änderungen. Es wird behauptet, dass diese Reform die niedrigen und mittleren Renten unangetastet ließ und nur die sehr hohen Renten kürzte.
Dieses positive Bild der Rentenreform von 2012 ist jedoch stark verzerrt. In Wirklichkeit führte die Reform zu Kürzungen bei allen neuen Renten, einschließlich der sehr niedrigen Renten. Selbst ein Arbeitnehmer, der 40 Jahre lang den Mindestlohn verdient hat, erhält durch die Reform neun Prozent weniger Rente. Daher kann die Reform keineswegs als gerecht angesehen werden, auch wenn die Kürzungen für Versicherte mit höherem Einkommen stärker ausfielen.
Insgesamt bedeutet die Rentenreform von 2012, dass ein Versicherter, der 40 Jahre lang Beiträge auf Basis des Durchschnittsgehalts gezahlt hat, über eine 25-jährige Rentenlaufzeit zwischen 380.000 und 470.000 Euro weniger Rente beziehen wird.
Eine Reform, die selbst den prekärsten Arbeitnehmern einen Rentenverlust zumutet und ausschließlich auf eine Reduzierung der Rentenausgaben abzielt, ohne die Einnahmen des Rentensystems zu erhöhen, sollte keinesfalls als Vorbild für künftige Reformen dienen.
Erhöhung des Renteneintrittsalters
Aufgrund eines zukünftigen Anstiegs der Lebenserwartung argumentieren einige, dass eine Erhöhung des Renteneintrittsalters unabdingbar wäre. Sonst, so die Kritiker, käme das Rentensystem in ein Ungleichgewicht.
Dieses Argument ist jedoch weder ökonomisch noch empirisch vertretbar. Während der letzten 70 Jahre ist die Lebenserwartung zum Beispiel um 15 Jahre gestiegen – zweimal mehr als für die nächsten 50 Jahre vorausgesagt – und dieser Anstieg konnte problemlos ohne eine Erhöhung des Renteneintrittsalters bewältigt werden.
Des Weiteren gilt es zu beachten, dass eine Erhöhung des Renteneintrittsalters, die Rentenausgaben mittel- bis langfristig nicht unbedingt bremst. Wie eine französische Studie zeigt, wird die Renteneinsparung wegen eines späteren Renteneintritts mittelfristig durch eine resultierende erhöhte monatliche Rente überkompensiert – somit stiegen die Rentenausgaben bei Erhöhung des Rentenalters.
Auch in Zukunft wird eine erhöhte Lebenserwartung durch die Produktivitätssteigerungen und/oder durch eine breitere Finanzierung des Rentensystems ohne Erhöhung des Rentenalters möglich sein.
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