Demonstrationsrecht / Amnesty International zeigt sich besorgt über Vorhaben der Luxemburger Regierung
Amnesty International Luxembourg (AIL) befürchtet, dass die CSV-DP-Regierung in einem künftigen Gesetzentwurf zu öffentlichen Versammlungen die Ausübung des Demonstrationsrechts weiter einschränkt. Dies würde ernsthafte Fragen bezüglich der Achtung der Grundfreiheiten hierzulande aufwerfen.
Das Tageblatt hatte am vergangenen Montag über ein „avant-projet de loi“ berichtet, aus dem hervorgeht, dass dies sehr starke Einschnitte zu den bisherigen Bestimmungen mit sich bringen. In einer Reaktion darauf teilte das Innenministerium mit, dass das besagte „avant-projet de loi“ bereits von der Vorgängerregierung vor anderthalb Jahren ausgearbeitet worden sei. Allerdings würde ein neues ausgehandelt werden, das auf einer Chamber-Motion des 7. Dezember 2021 basiere.
Die Befürchtung, dass das Demonstrationsrecht eingeschränkt wird, bleibt. „Das Recht, friedlich zu demonstrieren, ist ein wesentlicher Pfeiler jeder demokratischen Gesellschaft. Es unter dem Vorwand von Sicherheitsmaßnahmen einzuschränken, ist nicht nur ungerechtfertigt, sondern auch gefährlich für die Lebendigkeit unserer Demokratie“, sagt David Pereira, Generaldirektor von Amnesty International Luxembourg (AIL). Er wies darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der Demonstrationen in Luxemburg friedlich verlaufe. Das Demonstrationsrecht mit Gewalttaten oder öffentlicher Unruhe in Verbindung zu bringen, wäre eine missbräuchliche Verallgemeinerung, die nicht die Realität widerspiegele.
Amnesty International Luxemburg setzt sich im Rahmen der weltweiten Kampagne „Protect the Protest“ dafür ein, dass das Demonstrationsrecht in Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsstandards geschützt wird. Ein Gesetzentwurf, der Anforderungen wie die Verpflichtung, eine vorherige Genehmigung für jede öffentliche Versammlung einzuholen einführe, könnte die Bürger davon abzuhalten, dieses Grundrecht auszuüben. „Wir befürchten, dass diese potenziellen neuen Bestimmungen, falls sie verabschiedet werden“, so David Pereira, „ein Klima der Angst und Unterdrückung schaffen könnten, in dem die Bürger aus Angst vor unverhältnismäßigen Strafen zögern würden, ihre Stimme zu erheben.“
Das Demonstrationsrecht sei kein vom Staat gewährtes Privileg. Es sei ein Grundrecht, das in internationalen Verträgen, die Luxemburg ratifiziert habe, anerkannt werde. Jeder Versuch, es unter dem Vorwand der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen Gründen zu beschneiden, würde das Risiko bergen, die demokratischen Gegenkräfte zu schwächen, die für eine gerechte und faire Gesellschaft unerlässlich sind. Amnesty fordert die Regierung daher auf, einen gesetzlichen Rahmen zu gewährleisten, der es den Bürgern ermöglicht, ohne Angst vor Repressionen oder unnötigen administrativen Hürden zu demonstrieren. „Anstatt das Demonstrationsrecht einzuschränken, sollte sich die Regierung verpflichten, es zu schützen und zu einem Instrument des Dialogs zwischen den Bürgern und ihren Vertretern zu machen“, erklärte Pereira weiter.
„Under-protected and over-restricted“
AIL hatte bereits Vorbehalte gegenüber dem von der Vorgängerregierung vorgeschlagenen Gesetzentwurf. Die Menschenrechtsorganisation fordert, dass die Zivilgesellschaft aktiv an der Ausarbeitung eines Gesetzes beteiligten werden müsse. Bereits am 9. Juli hatte sie darauf hingewiesen, dass in vielen europäischen Ländern die Versammlungsfreiheit unterdrückt würde – ob durch Überwachung, Gewalt, Verbot oder Einschüchterungen. Die Behörden schaffen demnach ein protestfeindliches Umfeld.
Amnesty International hat dazu 21 europäische Länder untersucht, auch Luxemburg. In dem Abschlussbericht mit dem Titel „Under-protected and over-restricted: The state oft the right to protest in 21 countries“ kamen die Menschenrechtler zu dem Schluss, dass die Regierungen zu immer repressiveren Mitteln griffen, um abweichende Meinungen zu unterdrücken. Friedliche Demonstranten würden stigmatisiert, kriminalisiert und angegriffen. Der Bericht zeigt ein Muster repressiver Gesetze und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung, willkürlicher Festnahmen und strafrechtlicher Verfolgung sowie ungerechtfertigter und diskriminierender Einschränkungen, das sich über den ganzen Kontinent erstrecke. Ebenso erkennbar sei der zunehmende Einsatz invasiver Überwachungstechnologie, etwa zur Gesichtserkennung, was zur Abschreckung und zur Einschüchterung führe, ebenso das Sammeln, die Analyse und die Speicherung von Daten. Amnesty International fordert ein vollständiges Verbot solcher Technologien.
„Weit verbreitete Anwendung übermäßiger Gewalt“
Außerdem stelle der Bericht eine weit verbreitete Anwendung übermäßiger Gewalt durch die Polizei gegen friedliche Demonstranten fest, einschließlich des Einsatzes von weniger tödlichen Waffen. In einigen Ländern sei die Anwendung von Gewalt der Folter gleichgekommen. Zudem geht aus dem Bericht ein Trend zur Diffamierung von Demonstranten hervor, die oftmals unter anderem als „Terroristen“ oder „Kriminelle“ bezeichnet werden. Dies wird wiederum als Rechtfertigung für die Einführung immer restriktiverer Gesetze herangezogen. Die Kriminalisierung des politischen Protests habe damit eine neue Eskalationsstufe erreicht, so die Menschenrechtler.
Wie das Tageblatt bereits berichtete, hat Luxemburg keine Gesetzgebung, die große Versammlungen oder Demonstrationen rechtlich regelt. „Bei den zahlreichen Demonstrationen, die im Zusammenhang mit der Covid-19-bedingten Pandemie stattfanden“, sei dies deutlich geworden, heißt es in der Koalitionsvereinbarung zwischen CSV und DP, aus der auch die aktuelle Motivation hervorgehe: „So wird die Regierung einen rechtlichen Rahmen einführen, der für den reibungslosen Ablauf von Versammlungen notwendig ist, indem sie das verfassungsmäßige Recht auf friedliche Versammlungen und Versammlungen unter freiem Himmel garantiert.“
Erinnerung an Friedens „Lex Greenpeace“
Was das Demonstrationsrecht angeht, ist den älteren Semestern vielleicht noch der Gesetzentwurf 5076 ein Begriff, den am 20. Dezember 2002 der damalige Justizminister Luc Frieden im Parlament einbrachte. Der Entwurf trug den etwas irreführenden Titel „Gesetzentwurf zur Gewährleistung der friedlichen Nutzung des Eigentumsrechts und der Bewegungsfreiheit und zur Einführung eines neuen Artikels 442-1 in das Strafgesetzbuch“. Diesem war die Blockade der 28 ESSO-Tankstellen des Großherzogtums durch Greenpeace-Aktivisten vorausgegangen.
Ihr Protest richtete sich gegen den US-amerikanischen Ölkonzern ExxonMobil, denen die Umweltschützer vorwarfen, die Fortschritte bei den UN-Klimaverhandlungen zu sabotieren. Mit dem Gesetzesvorschlag wollte Frieden Kundgebungen unter anderem von Gewerkschaftlern und Umweltschützern in oder vor Firmen und Büros mit bis zu fünf Jahren bestrafen. „Hinter diesem Titel verbarg sich ein sehr repressiver Text, der bestimmte Grundfreiheiten infrage stellte und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstieß“, hielt die Anwaltskammer dazu fest. Frieden erntete mit seinem Ansinnen damals heftige Kritik. Er musste seinen Gesetzentwurf Ende Oktober 2004 zurückziehen. Vor 20 Jahren.
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