Forum / Herzlos, gefährlich, am Ziel vorbei!
Die Luxemburger Regierung reiht sich nun in die Riege jener Länder ein, die auf Härte und unerbittlichen Druck bei Abschiebungen setzen. Wir sind überzeugt: Es geht auch anders!
Während in Europa die Debatte über niedrige Rückführungsquoten immer schriller wird, teilt die EU-Grenzschutzbehörde gleichzeitig mit, dass rezent deutlich weniger Menschen irregulär in die EU eingewandert sind. Doch statt diese Entwicklung für eine humane Neuausrichtung zu nutzen, wird weiterhin blind auf Abschottung und Abschreckung gesetzt – eine kurzsichtige Politik der Panikmache, welcher sich nun auch die Luxemburger Regierung angeschlossen hat.
Seit Jahren ist bekannt, dass die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber in ihre Herkunftsländer oder sichere Drittstaaten ein eklatanter Schwachpunkt der EU-Asylpolitik ist. Kriminelle Schleuserbanden nutzen gezielt die Lücken eines Systems aus, das von den EU-Mitgliedstaaten selbst durch bewusste Rechtsverstöße und Missachtung des Solidaritätsprinzips untergraben wird: Um ihre nationalen Interessen durchzusetzen, wird das Solidaritätsprinzip, welches eine gerechte Lastenverteilung zwischen den Staaten verlangt, ungeahndet missachtet.
Die Hauptleidtragenden dieses zynischen Spiels sind die Schutzsuchenden. Die erschütternden Bilder aus dem Lager Moria und die tausenden gestrandeten Frauen und Kinder am Rande unserer Gesellschaft sind lebendige Anklagen gegen diese Politik der Abschottung und Gleichgültigkeit. Organisationen wie unter anderem Ärzte ohne Grenzen, die an Europas Außengrenzen rund um das Mittelmeer Übermenschliches leisten, um die grundlegendsten Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen, erheben seit Jahren schwere Vorwürfe gegen diesen politischen Kurs und berichten, wie Schutzsuchende zunehmend in eine Spirale aus Gewalt und Verzweiflung getrieben werden. Sie betrachten aufgrund ihrer Erfahrungen vor Ort die Verabschiedung der Asylrechtsreform im Europäischen Parlament Anfang dieses Jahres als einen beschämenden, vorläufigen Tiefpunkt der europäischen Asylpolitik.
Dass ausgerechnet ein Land wie Luxemburg – eines der reichsten Europas, dessen Wohlstand seit jeher auf Zuwanderung und Inklusion beruht und das sich kürzlich das ambitionierte Ziel eines Triple-S auf die Fahnen geschrieben hat – nun den Schulterschluss mit notorischen Migrations-Hardlinern sucht, ist ein Kurswechsel, der unsere Werte der Solidarität und der Menschlichkeit missachtet
Migration ist für Europa kein Problem, sondern eine Notwendigkeit.
Der demografische Wandel und ein ausgeprägter Arbeitskräftemangel in wesentlichen Bereichen haben dazu geführt, dass um die 30 Prozent der Arbeitskräfte in Europa Eingewanderte sind. Auf Initiative Österreichs und der Niederlande will nun auch Luxemburg, mit einigen anderen „Schengen“-Ländern, die Rückführungsrichtlinie von 2008 verschärfen. Der eingeschlagene Kurs: eine Politik der Abschottung um jeden Preis. Die vorgeschlagenen Maßnahmen setzen primär auf drakonische Strafen gegen die Menschen, die trotz Rückführungsanordnung die EU nicht verlassen. Dabei wird zynisch ignoriert, dass es sich hierbei meistens um Opfer krimineller Schleuserbanden handelt und eine erschreckend hohe Zahl an Kindern und Jugendlichen betroffen ist. Skrupellos wird das „Bett-Seife-Brot-Minimum“ als Waffe zur Migrationsabwehr medienwirksam instrumentalisiert.
Dies ist ein gefährlicher Schritt in Richtung Entmenschlichung jener, die unseren Schutz am dringendsten benötigen. Inhaftierungen und die Reduzierung von Finanzhilfen auf ein absolutes Existenzminimum haben nichts mit der von europäischer Seite angeführten Modernität oder Innovationskraft in der Migrationspolitik zu tun! Es ist vielmehr ein Rückfall in die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte.
Was durch diese politische Wahrnehmung bewusst verdrängt wird: Diese Menschen, diese als „illegal“ stigmatisierten Flüchtlinge, sind in der Regel keine Täter, die es zu bestrafen gilt! Es sind in erster Linie Opfer – Opfer von Schleusern, von Krieg, von Armut und vor allem Opfer unserer gescheiterten europäischen Asylpolitik.
Um vermeintlichen Druck auf Drittstaaten auszuüben, setzt die Politik auf eine knallharte Rückführungspolitik – die Leidtragenden sind jedoch die betroffenen Flüchtlinge. Diese Maßnahmen waren bisher wirkungslos, da diese Erpressung die Regierungen der Drittstaaten weder beeindruckt noch zu mehr Rückführungen führen wird.
Menschliches Leid als diplomatisches und politisches Druckmittel einzusetzen, ist ethisch verwerflich – es ist eine moralische Bankrotterklärung unserer Gesellschaft!
Die Europäische Union erwägt derzeit, Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern – auch in Länder mit zweifelhafter Menschenrechtsbilanz. Diese sogenannte Delokalisierung soll den Zustrom von Geflüchteten an den EU-Außengrenzen reduzieren, indem Asylverfahren unter haftähnlichen Bedingungen außerhalb Europas stattfinden.
Dieses Vorgehen stärkt nicht nur autoritäre Regime in den Aufnahmeländern, sondern höhlt auch das Grundrecht auf Asyl aus. Schutzsuchende werden willkürlich den Behörden dieser Drittstaaten ausgeliefert und ihr Schicksal nach einer Ablehnung ihres Antrags scheint Europa nicht zu interessieren. Das ist ein eklatanter Angriff auf die Menschenwürde und die fundamentalen Rechte jedes Einzelnen. Nach dem Vorbild des Leitantrags der deutschen CSU zieht nun auch in Luxemburg die Regierung den irrigen Schluss: „Irreguläre Migration beenden = Innere Sicherheit stärken.“ Eine simplifizierende Formel, die komplexe Herausforderungen unverantwortlich verkürzt.
Die medienwirksam verbreitete Behauptung, Migration führe zwangsläufig zu Unsicherheit und Kriminalität, ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich. Diese verzerrte Darstellung dient politischen Interessen, die von Angst und Vorurteilen profitieren: Der extreme Rechtsdrang in der Politik lässt sich vorbildlich an der Migrationspolitik veranschaulichen. Dies ist eine undifferenzierte und menschenfeindliche Wende in der Migrationspolitik und dieses skrupellose Spiel mit der Angst ist brandgefährlich. Eine ganze Gruppe von Menschen pauschal unter General- oder Terrorverdacht zu stellen, spaltet und vergiftet unsere Gesellschaft.
Das Friedensprojekt Europa braucht soziale Innovation und neue Ansätze für die Herausforderungen von morgen.
Angesichts des akuten Mangels an Arbeitskräften und Talenten in Europa brauchen wir deshalb dringend neue, mutige Ansätze für legale Migration. Ein Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik muss vordergründig auf die positiven Auswirkungen von Arbeitsmigranten jenseits der Union setzen und eine effiziente Integrationspolitik für ein respektvolles Miteinander anstreben. Die wahre Härte und Konsequenz sollte sich hingegen bei der entschlossenen Bekämpfung des Menschenhandels zeigen – denn das skrupellose Geschäft mit dem Leid anderer ist zu einem lukrativen Milliardengeschäft geworden.
Wir dürfen nicht länger die Augen vor der katastrophalen humanitären Situation an den EU-Außengrenzen verschließen. Millionen vertriebener Menschen werden nicht einfach verschwinden, und eine weitere Verschärfung des Kurses wird das Problem nicht lösen – im Gegenteil, sie wird das menschliche Leid nur vergrößern. Eine echte Wende in der Migrationspolitik sollte in einem Europa der Freiheit die Unantastbarkeit der Menschenwürde ins Zentrum stellen.
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