Editorial / Ukraine-Krieg: Putin und Kim Jong-un drehen an der Eskalationsschraube
Die russische Führung dreht in ihrem Krieg gegen die Ukraine wieder einmal gehörig an der Eskalationsschraube: Zu Tausenden sollen nordkoreanische Soldaten auf den osteuropäischen Schlachtfeldern Russland dabei helfen, sich wieder Respekt beim „Westen“ zu verschaffen. Denn dieser habe es seinem Land an eben diesem Respekt missen lassen, erklärte der russische Machthaber Wladimir Putin jüngst seine Beweggründe für den Angriffskrieg gegen das Nachbarland. Gemeint waren damit die Beitritte der mittel- und osteuropäischen Staaten zur NATO, für die vorerst die Menschen in der Ukraine den Kopf hinhalten müssen. Dass selbstverständlich viel gewichtigere Bedenken den Kreml-Herrscher zum Einmarsch in das Nachbarland bewogen, hat dieser teilweise selbst dargelegt, worauf aber hier nicht weiter eingegangen werden soll.
Viel bedeutsamer ist die Eskalationsstufe, die Putin mithilfe des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un nun beschreitet. Nicht nur führt damit ein zweiter Staat Krieg gegen die Ukraine. Nordkorea, das in vielerlei Hinsicht am chinesischen Tropf hängt, dürfte sich zudem wohl nur mit Duldung Pekings in dieses militärische Abenteuer gestürzt haben. Eine Entwicklung, deren Gefährlichkeit nicht unterschätzt werden darf. Denn wenn im Westen anfangs noch darauf gesetzt wurde, dass mit Chinas Einfluss in Moskau zumindest mittelfristig ein Ende des Ukraine-Krieges herbeigeführt werden könnte, dürfte sich diese Hoffnung in den letzten Tagen nun zusehends verflüchtigen. Zwar war die kommunistische Führung Chinas in diesem Krieg nie eine neutrale Partei. Doch wenn Peking Kim Jong-un nun gewähren lässt, disqualifiziert sich China, um weiterhin als ehrlicher Friedensvermittler aufzutreten.
Übrigens: Von all jenen, die – zu Recht – nach mehr diplomatischen Bemühungen für einen Frieden in der Ukraine rufen, war in den vergangenen Tagen nach dem Bekanntwerden, dass bald nordkoreanische Truppen in der Ostukraine kämpfen, nichts zu hören. Keine empörten Aufschreie, keine scharfen Verurteilungen, keine Appelle an das totalitär-kommunistische Regime in Pjöngjang, dringlichst davon abzusehen, tausende junge Menschen für die imperialistischen Bestrebungen Moskaus im Fleischwolf der russischen Militärplaner zu opfern, sozusagen als nordkoreanisches Kanonenfutter.
Manche jener, die sich, wie in Deutschland die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht, scheinbar um Frieden in der Ukraine bemühen, folgen dabei auffälligerweise der Linie Pekings, indem sie fordern, dass keine Waffen mehr in die Ukraine geliefert werden – selbstverständlich ausschließlich vom Westen aus. Denn nur diese Waffen verlängern ihrer Ansicht nach den Krieg. Folgerichtig gibt es auch die gleiche Vorstellung darüber, wie Frieden in der Ukraine geschaffen werden könnte: durch eine Kapitulation Kiews.
Denn verhandeln will Putin nicht. Das demonstriert er nun ein weiteres Mal, indem er die Steinzeit-Kommunisten aus Nordkorea in seinen Krieg hineinzieht. Zwar wird das von Beobachtern auch als ein Eingeständnis der Schwäche Moskaus gewertet. Doch wenn dadurch die ukrainischen Verteidiger weiter unter Druck gesetzt werden können, dürfte das dem Kreml egal sein.
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