Alain spannt den Bogen / Stille und explosive Ausbrüche bei umjubelten Konzerten in der Philharmonie
Wenn zwei starke Künstlerpersönlichkeiten wie in unserem Falle die Pianisten Yuja Wang und Vikingur Olafsson bzw. Iveta Apkalna und Gustavo Gimeno aufeinandertreffen, dann ist meistens hochkarätiges Musikzieren angesagt. Und so war es dann auch in den beiden Konzerten, die wir diese Woche besuchten.
Yuja Wang und Vikingur Olafsson, beide Starkünstler der Deutschen Grammophon, empfahlen sich nicht nur mit einem herausragenden Spiel, sondern zudem mit einem äußerst ungewöhnlichen wie attraktiven Programm. Es war ein Konzert, bei dem nichts dem Zufall überlassen war und das in erster Linie von dem erstklassigen Zusammenspiel beider Künstler lebte, oder besser gesagt, von den spannenden Dialogen und den doch sehr unterschiedlichen Charakteren.
Wang und Olfsson, das ideale Klavierduo
Beides sind Ausnahmepianisten auf technischer Ebene; aber während Yuja Wang die, sagen wir mal, offensivere und virtuosere Pianistin ist, so fasziniert Vikingur Olafsson immer wieder durch sein fein equilibriertes, wunderbar ausgeglichenes und nuancenreiches Klavierspiel. Wang braucht die starken, expressiven Momente, während Olafsson eher reflektiert, aus der Distanz und von der Architektur aus an die Musik herangeht.
Beim Konzert in Luxemburg griffen beiden Interpretationsstile nahtlos ineinander, sodass wir eine sehr spannende und immer sehr dynamische Darbietung erleben konnten. Drei größere Werke wie Schuberts sensible f-moll-Fantasie D 940, John Adams’ explosives Halleluja Juction und Rachmaninows vielschichtige Symphonische Tänze wurden eingerahmt von kurzen und eher meditativen Stücken „der Stille“ von Luciano Berio (Six Encores: Nr. 3 Wasserklavier), John Cage (Experiences) und Arvo Päert (Hymn to a Great City).
Dazwischen spielten Wang und Olafsson Thomas Adès‘ Bearbeitung von Colon Nancarrows virtuoser Nr. 6 der Studies for Player Piano. Die Zusammenstellung dieses Programms erwies sich als optimal und Yuja Wang und Vikungur Olsson konnten sich in jedem Werk als ideales Klavierduo präsentierten und dabei zeigen, dass sie die Kunst der Stille ebenso beherrschen wie die einer wild-explosiven Virtuosität. Für das restlos begeisterte Publikum gab es noch fünf Zugaben: zwei Walzer und einen Ungarischen Tanz von Johannes Brahms, einen Slawischen Tanz von Antonin Dvorak und Snowflake aus der Jazz-Suite Nr. 1 des russischen Jazzpianisten Alexander Tsfasman.
Wilde Klangmischungen
So souverän, klangschön und spieltechnisch brillant wie seit einem Jahr hat man das Luxembourg Philharmonic lange nicht gehört. Mittelmäßigkeit scheint wie weggeblasen, die Konzerte bewegen sich allesamt auf einem extrem hohen Niveau. Da machte auch das Konzert vom vergangenen Freitag keine Ausnahme, zumal gleich vier Werke auf dem Programm standen, die absolute Klangkultur fordern. Das Konzert begann mit der Uraufführung von Claude Lenners‘ Out of the Blue, einem Auftragswerk des Kulturministeriums.
Lenners erweitert hier sein Werk Silent Blue für Kammerorchester aus dem Jahre 2019 zu einem Dyptichon, bricht aber nach dem ruhigen Silent Blue hier aus dieser blauen Farbe aus und schafft ein sehr dynamisches, teils aggressives und fast durchgehend schnelles Werk, bei dem jeder Musiker des Orchesters gefordert wird und für jede Instrumentengruppe tolle Einlagen geschaffen wurden.
Interessant ist, wie Lenners hier quasi puzzleartig Stimmungen und Farben, Emotionen und Klänge ohne hörbaren Bruch aneinanderfügt und hierbei die Musik selbst eigentlich unmerklich verändert und weiterführt. Das, was die Impressionisten, sowohl in Malerei als auch in der Musik wollten, nämlich die Vermischung von Farben ohne sichtbare Abgrenzungen, das gelingt Lenners hervorragend. Dazwischengestreut immer ruhige, nachdenkliche Momente. Und so klingt das Werk dann auch aus. Gustavo Gimeno setzte auf maximale Durchhörbarkeit und auf ein sehr energisches und dynamisches Orchesterspiel. Für den Hörer war es ein reines Vergnügen, dieses sehr sehr gut komponierte und dreidimensional angelegte Werk mit all seinem abwechslungsreichen musikalischen Geschehen zu beobachten und so in die Musik selbst hineintauchen zu können.
Ein Luxembourg Philharmonic auf dem Zenit
Eine Entdeckung war das selten gespielte Konzert für Orgel, Streicher und Pauke von Francis Poulenc mit Iveta Apkalna als Solistin. Gustavo Gimeno hatte einen schönen, aber sehr festen orchestralen Teppich mit einem hervorragenden Benjamin Schäfer auf der Pauke einstudiert, sodass die Solistin ihrem ebenso markanten wie subtilen Spiel freien Lauf lassen konnte. Das Zusammenspiel zwischen Apkalna, Gimeno, Schäfer und den Streichern des Luxembourg Philharmonic erwies sich als optimal, sodass man auch bei dieser Aufführung von einer Sternstunde ausgehen konnte. Als Zugabe spielte die lettische Organistin die Toccata aus der Orgelsymphonie Nr. 5 von Widor. Auch die beiden folgenden „Raritäten“ wussten das Publikum von Hocker zu reißen. Eigentlich ist es unverständlich, warum solch tolle Werke wie Ottorino Respighis Feste romane und Pini di Roma nicht öfter im Konzertsaal zu erleben sind. In beiden Werken zeigt sich Respighi als wunderbarer Klangmaler, der es nicht scheut, die Leistungsfähigkeit eines Symphonieorchesters zu hundert Prozent auszunutzen.
Obwohl seine effektvolle Musik oft an Filmmusik erinnert, trübt dies das Hörvergnügen auf keinen Fall. Das Luxembourg Philharmonic spielte die beiden Werke dann auch mit viel Freude und Einsatz und zeigte damit, wie flexibel und selbstsicher die Musiker geworden sind. Um technische Details brauchte man sich eigentlich während der Aufführung nicht mehr zu sorgen, die Musik floss und atmete, erklang in den schönsten Farben und schenkte dem Publikum unwahrscheinliche Crescendi.
Ein sichtlich entspannter und zufriedener Gustavo Gimeno merkte natürlich, dass das Orchester ihm an diesem Abend überall folgen wird. Und so forderte er alles … und bekam alles. Jubelnder Applaus am Schluss eines Konzertes, das vier Werke vorstellte, die allesamt das orchestrale Können des Orchesters auf schönste Weise unter Beweis stellten.
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