Deutschland / Grünen-Parteitag: Wie groß ist die Unterstützung für Robert Habeck?
Die Grünen starten am Freitag in ihren Parteitag in Wiesbaden. Durch das Ampel-Aus steht die Partei geschlossener beieinander als man es nach dem Rückzug von Ricarda Lang und Omid Nouripour vermutet hätte. Kann Kanzlerkandidat Robert Habeck das nutzen?
Drei Tage Wiesbaden: Für die Grünen kommt der Parteitag zum idealen Zeitpunkt. Die Ampel-Koalition ist gerade geplatzt, der Neuwahltermin steht nach den erbitterten Streitereien der vergangenen Tage nun auch fest, Vizekanzler Robert Habeck hat seine Bereitschaft zur Kanzlerkandidatur öffentlich erklärt und das Personaltableau für den neuen Bundesvorstand ist auch festgezurrt. Nun hat man in der hessischen Landeshauptstadt drei Tage lang Zeit, sich auf diesen kurzen, aber sicherlich sehr harten Wahlkampf einzuschwören. Nach außen wollen die Grünen diesen Parteitag nutzen, um öffentlichkeitswirksam ihr politisches Angebot an die Wähler zu kommunizieren.
Gut drei Monate bleiben der mit Klima- und Umweltschutz verbundenen Partei bis zur vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar, um von Umfragewerten zwischen zehn und zwölf Prozent zu einem Wahlergebnis zu kommen, das sie zumindest rechnerisch als Koalitionspartner der Union ins Spiel bringt.
Dabei haben der Schock des Ampel-Bruchs und die verkürzte Frist bis zu den Neuwahlen parteiintern dazu geführt, dass sich die Reihen schließen. Die leidigen Flügel-Debatten darüber, ob der Realo Habeck mit seinem Mitte-Kurs die Parteilinke hinter sich versammeln kann, scheinen plötzlich wie weggefegt. Habeck kommt dabei zugute, dass er gemessen an seinen größten politischen Konkurrenten, Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU), als linkster und progressivster Kanzlerkandidat ins Rennen geht. Im Wahlkampf könnte er womöglich besonders bei Frauen punkten.
Verlorene junge Wähler zurückgewinnen
Zugleich erhofft man sich bei den Grünen, zuletzt verlorene junge Wähler zurückzugewinnen und auch frühere Unterstützer von Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die sich von Merz nicht angesprochen fühlen, von sich zu überzeugen. Einen Bekannteren als Habeck haben die Grünen derzeit nicht im Angebot – das wissen auch die Parteilinken ganz genau. Es ist also davon auszugehen, dass die Delegierten Habeck mit großer Mehrheit offiziell zu ihrem Kandidaten küren werden.
Mit einem guten Ergebnis dürften auch die beiden Bewerber für die Parteispitze, Franziska Brantner und Felix Banaszak, rechnen. Sie haben einen Vorschlag für den neuen sechsköpfigen Bundesvorstand vorgelegt, der so aussieht: Politische Geschäftsführerin soll die bisherige Parteivize Pegah Edalatian werden, die damit Emily Büning ablösen würde. Als stellvertretender Parteivorsitzender geht erneut Heiko Knopf ins Rennen, ebenso wie der bisherige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Sven Giegold. Letzterer war bisher nicht Teil des Bundesvorstands. Neu hineingewählt werden soll auch die Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann, die den Posten der Bundesschatzmeisterin übernehmen soll.
Feststeht bereits, dass Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch den Wahlkampf leiten wird, ohne Teil des Vorstands zu werden. Ihm als Stellvertreter an die Seite gestellt werden soll Frederic Carpenter, der dann als Schatzmeister ausscheidet. Es sei derzeit nicht damit zu rechnen, dass die Delegierten beim Parteitag noch an diesem Personaltableau rütteln werden, heißt es aus der Grünen-Zentrale. Aussichtsreiche Gegenkandidaten sind ohnehin nicht in Sicht.
Kontoversen werden nicht ausbleiben
Wird dieser Parteitag also ohne Kontroversen über die Bühne gehen? Damit ist nicht zu rechnen. Dafür sind die Grünen eine zu diskussionsfreudige Partei. Insbesondere Verteilungsfragen, Steuergerechtigkeit und ein sozial ausgestaltetes Klimageld, aber auch die Migrationspolitik und die nationale Umsetzung der bei den Grünen umstrittenen EU-Asylreform könnten für Debatten sorgen. Die Grünen tun gut daran, sich in diesen Fragen auf einen klaren Kurs zu verständigen. Denn die schwächelnde Wirtschaft, Wohlstandssicherung und soziale Gerechtigkeit, aber eben auch die Migration könnten wahlentscheidende Themen werden. Nicht ausgeschlossen, dass die Zahlen der ukrainischen Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, erneut steigen, sollte sich die Lage in der Ukraine im Winter weiter zuspitzen und Russland seine Angriffe weiter so massiv verschärfen wie derzeit.
Die Parteispitze jedenfalls hat im Vorfeld des Parteitags versucht, zu große Streitereien auf offener Bühne zu vermeiden und Änderungsanträge beispielsweise der Grünen Jugend übernommen. Das Kalkül dahinter liegt auf der Hand: Keine internen Zerwürfnisse aufkommen lassen, sondern Geschlossenheit demonstrieren und alle Kraft auf den Wahlkampf zu lenken. Er wird hart werden. Und die Grünen sind gerade noch mittendrin, sich aus einer tiefen Krise wieder heraus zu kämpfen.
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