Fußballnationalmannschaft / Analyse zur Nations League: Direkter Abstieg vermieden, aber die Fragen bleiben
Nach der Euphorie 2023 folgte in den vergangenen neun Monaten die Ernüchterung. Die Fußballnationalmannschaft konnte die Erwartungen nicht erfüllen. Immerhin konnte durch den Sieg von Schweden am Dienstagabend gegen Aserbaidschan der direkte Abstieg in die Division D der Nations League vermieden werden. Da dieses Geschäft sehr schnelllebig ist, steht nun aber trotzdem Nationaltrainer Luc Holtz auf der Kippe.
Holtz oder nicht?
Eine Frage schwebte am Montag wie ein Gespenst durch das Stade de Luxembourg. Wird oder muss Luc Holtz nach dem Spiel gegen Nordirland seinen Posten räumen? Blickt man auf die beiden Spiele gegen Bulgarien (0:1) und Nordirland (2:2), kann man feststellen, dass auf dem Platz eine Mannschaft stand, die nicht gegen ihren Trainer spielte. Im Gegenteil, die „Roten Löwen“ gingen in beiden Duellen mit sehr viel Herzblut zur Sache. Eigentlich ein Signal für ein intaktes Gebilde. Darum geht es jedoch vorrangig nicht bei der Entscheidung, ob Holtz weitermacht oder weitermachen darf. Der 55-Jährige steht bekanntlich seit über 14 Jahren an der Spitze der FLF-Auswahl. Eine Zeit, in der er den luxemburgischen Fußball ohne jeden Zweifel nach vorne gebracht hat. In den vergangenen Jahren gab es jedoch einige Stolperer.
Da wären zunächst die Nebenschauplätze. Die Affäre Chanot und andere Personalentscheidungen ließen den Nationaltrainer zuletzt nicht im besten Licht erscheinen.
In den sechs Nations-League-Spielen konnte Luxemburg nur drei Tore erzielen und wirkte in der Offensive oft ideenlos. Das hängt damit zusammen, dass Holtz nicht genügend Stürmer zur Verfügung standen (aus den unterschiedlichsten Ursachen) und Rekordtorschütze Gerson Rodrigues erst gegen Nordirland zu seiner Form zurückfand. Diese Ursachen sind jedoch nur ein Teil des Übels. In den entscheidenden Momenten waren die Gruppengegner – trotzt vergleichbarer oder weniger fußballerischer Qualitäten – der FLF-Auswahl überlegen. Das Maximum aus einer Mannschaft herauszuholen, ist die Aufgabe eines Trainers. Passiert dies nicht, dann wird seine Person infrage gestellt. Luxemburg hat in der Nations League keinen einzigen Sieg geholt, gegen Gegner, die nicht übermächtig waren. Dass eine Trainerdiskussion aufkommt, ist ein normaler Prozess im Fußballgeschäft.
Es besteht kein Zweifel: Das Image von Luc Holtz hat gelitten. Noch nie wurde er von den eigenen Fans ausgepfiffen. Dies passierte gegen Nordirland gleich zweimal. Es ist kein Geheimnis mehr, dass die FLF-Führung überlegt, eine Veränderung herbeizuführen. Das weiß auch der Betroffene selbst. Holtz besitzt derzeit noch einen Vertrag bis 2025. Das bedeutet jedoch nicht, dass er auch bei der nächsten WM-Qualifikation dabei sein wird. Eine Entscheidung wird wohl noch bis Ende des Jahres fallen.
„Wake me up when september ends“
Wäre der September nicht gewesen, hätte Luxemburg wohl in der Nations League besser abgeschnitten. Diesen Monat haben die „Roten Löwen“ nämlich verschlafen, oder besser gesagt sie haben eine Lektion gelernt. Bei den Niederlagen gegen Nordirland (0:2) und Weißrussland (0:1) wurde der FLF-Mannschaft der Schneid vor allem in puncto Physis und Einsatz abgekauft. Das Team war es bis dahin gewohnt, gegen Gegner dieses Formats den Kopf mit spielerischen Lösungen aus der Schlinge zu ziehen. Die beiden September-Spiele waren wie ein schlechter Traum, aus dem man nicht erwachen kann.
Als die Nationalspieler im Oktober wieder zusammenfanden, kamen die meisten zur Selbsterkenntnis, dass im vorangegangenen Monat zu wenig geleistet worden war, um erfolgreich sein zu können. Selbsterkenntnis ist ja gemeinhin der erste Schritt zur Besserung. Und deshalb wurden in Bulgarien und Weißrussland im Oktober zwei ordentliche Leistungen abgeliefert. Das Spiel nach vorne war zwar weiterhin sehr ausbaufähig, aber immerhin stimmte der Einsatz. Zu mehr als zwei Punkten reichte es aber nicht und seinen (Offensiv-)Rhythmus hatte Luxemburg auch noch nicht gefunden. Deshalb standen Holtz und seine Mannschaft im November unter Druck. Sie mussten gegen Bulgarien und Nordirland punkten. Zwei Teams, die sich um den Gruppensieg stritten und sich im Gegensatz zur FLF-Auswahl in einer positiven Spirale befanden.
Wie wichtig ein guter Start bei so einem kurzen Format wie der Nations League ist, wurde den Luxemburgern auf brutale Weise aufgezeigt.
Korac, der Gewinner
Hätte Luxemburg elfmal einen Seid Korac zur Verfügung, würden die Gegner sehr ungemütliche Zeiten erleben. Der 23-Jährige bringt den Willen, die Kampfkraft, aber auch die Kühnheit mit, die man braucht, um Spiele zu gewinnen. In Rekordtempo hat er sich zum neuen Abwehrchef der Mannschaft gemausert. Zusammen mit Dirk Carlson bildete er im Oktober und November ein Duo, das Potenzial besitzt. Ob in der Dreier- oder Fünferkette, der Profi von Vojvodina Novi Sad bewies Führungsqualitäten. Diese Eigenschaften wurden dringend gesucht, nachdem Maxime Chanot nicht mehr für die FLF-Auswahl zur Verfügung steht. Koracs Aufbauspiel ist noch verbesserungsfähig. Zu viele lange Bälle landeten in den Füßen der gegnerischen Abwehr. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass der zuvor wenig eingesetzte Innenverteidiger eine Bereicherung für die Mannschaft darstellt. Diese These wurde noch einmal mit seinem Tor gegen Nordirland untermauert. Korac drückte den Ball zwar mit dem Fuß, aber vor allem mit unglaublicher Entschlossenheit über die Linie.
Was passiert mit dem „Boss“?
Es ist eine Tatsache: Ohne Gerson Rodrigues in Form ist die Luxemburger Offensive nur noch die Hälfte wert. Seine Unberechenbarkeit und sein Torinstinkt haben in den vergangenen Jahren oft dazu geführt, dass Luxemburg Spiele gewinnen konnte. Dieselbe Unberechenbarkeit hat ihn aber bereits eine ganze Reihe an Jobs gekostet und führte immer wieder dazu, dass der 29-Jährige im Kreuzfeuer der Kritik stand.
Der Stürmer schleppte sich jedoch durch diese Nations League. Zunächst war er außer Form, danach wurde er aus disziplinarischen Ursachen wieder einmal suspendiert und später war er wieder außer Form. Gegen Nordirland zeigte der selbsternannte „Boss“ wieder sein besseres Gesicht. Er schoss den Ausgleich, motivierte seine Mitspieler, ging weite Wege, um den Ball zurückzuerobern und lieferte am Ende 90 Minuten ab, die keine Vorwürfe zulassen.
Seine Zukunft im Fußball ist trotzdem mehr als ungewiss. Rodrigues’ Name hat in den vergangenen Jahren Schaden genommen. Bei seinem letzten Verein, dem chinesischen Zweitligisten Guangxi Pingguo Haliao, konnte er keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Einen neuen Verein zu finden, der zu seinem Talent passt, wird keine leichte Aufgabe werden. Zeigt Rodrigues dauerhaft die Einstellung und Disziplin, die er gegen Nordirland zeigte, ist er eine Verstärkung für viele Mannschaften. Dass der Angreifer diese Konstanz haben kann, bezweifeln jedoch mittlerweile die meisten Profivereine.
So geht es weiter
Die Auslosung für die WM-Qualifikation findet am 13. Dezember statt. In Zürich werden die Luxemburger erfahren, ob sie in einer Vierer- oder Fünfergruppe vertreten sein werden. Eine Vierergruppe würde bedeuten, dass das erste offizielle Spiel dieser Quali erst im September 2025 stattfinden wird. Luxemburg wird aber sicherlich die Länderspieltermine im März und Juni nutzen, um Testspiele zu bestreiten.
Durch den deutlichen Sieg der Schweden gegen Aserbaidschan sicherte sich Luxemburg am Dienstagabend nachträglich den Platz des „zweitbesten Letzten“ und verhinderte damit den direkten Abstieg in die Nations-League-Division D. Die FLF-Auswahl muss jedoch im März 2026 nachsitzen. Gegner wird dann in einem Hin- und Rückspiel Malta oder Gibraltar sein.
Zahlen und Namen
Nations League 2024/25:
Meiste Minuten:
1. Dirk Carlson 532
2. Laurent Jans 479
3. Christopher Martins 450
3. Danel Sinani 450
5. Leandro Barreiro 416
Tore:
1. Gerson Rodrigues 2
2. Seid Korac 1
Eingesetzte Spieler:
27
Debütanten:
Tomas Moreira und Christophe Andrade
Zuschauer:
Im Schnitt besuchten 7.332 Zuschauer die Heimspiele
Bilanz:
kein Sieg, drei Unentschieden, drei Niederlagen
Schon wird gefeiert
Für Ralph Schon waren die vergangenen Tage sehr emotional. Der Torwart will in Zukunft mehr Zeit für sein Privatleben haben und entschied sich deshalb, aus der Nationalmannschaft zurückzutreten. Gerson Rodrigues widmet sein Tor zum 2:2 gegen Nordirland dem 34-jährigen Torhüter. Schon war in der 75. Minute für Tiago Pereira eingewechselt worden. Nationaltrainer Luc Holtz wollte seinem Schützling auf diese Art und Weise für seine Dienste danken. „Ralph war während all den Jahren der größte Fan der Nationalmannschaft. Er hat seine Mitspieler unterstützt, wo es nur möglich war, deshalb hat er sich diesen Abschied verdient“.
Kritik hat diese Entscheidung Holtz trotzdem eingebracht. Durch die Einwechslung kurz vor Schluss erweckte er den Eindruck, als hätte er die Partie aufgegeben. Nicht weil Schon schlechter als Pereira ist, sondern weil solche Einwechslungen meist nur in Testspielen gemacht werden. Schon wurde am Ende trotzdem und verdientermaßen von seinen Mitspielern und dem Publikum gebührend gefeiert.
Die Nationalmannschaftskarriere des Torwarts des FC Wiltz 71 hatte 2015 begonnen. Bei der 1:3-Niederlage am 13. November 2016 gegen die Niederlande feierte er sein Debüt. Danach folgten weitere 17 Einsätze für die „Roten Löwen“. Neben Schon wurden am Tag vor dem Spiel gegen Nordirland Betreuer Léon Huss und Teamarzt Dr. Patrick Dang verabschiedet. „Es war ein emotionaler Abend. Kaum ein Spieler hat nicht geweint“, sagte Holtz. (del)
- Analyse zur Nations League: Direkter Abstieg vermieden, aber die Fragen bleiben - 20. November 2024.
- Die Underdogs wollen zeigen, was sie draufhaben - 9. November 2024.
- Fola-Trainer Ronny Souto: „Die Devise muss es sein, an jedem Tag unser Maximum zu geben“ - 26. Oktober 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos