Luxemburg-Stadt / „Hunn eng Gueule, déi een erëmerkennt“: Zehn Jahre „de Gudde Wëllen“
Gemeinsam einen eigenen Club besitzen – das hatten Luka Heindrichs, Ben Thommes und Jaakes Hoffmann so eigentlich nicht geplant. Am 3. Dezember feiert „de Gudde Wëllen“ in der Hauptstadt nun seinen zehnten Geburtstag. Gründer Luka Heindrichs erzählt von Freundschaft, den Highlights der vergangenen Jahre und von dem, was noch kommt.
Tageblatt: Hätte jemand euch 2014 gesagt, dass ihr zu dritt euren eigenen Club eröffnen werdet, hättet ihr das wahrscheinlich nicht geglaubt. Wie kam es dazu?
Luka Heindrichs: Wir bauten Ende Juli 2014 gerade das „Food for your senses“-Festival in Bissen ab, das wir mit organisiert hatten. Da kam Lucien Elsen von der „Mesa Verde“ über das Feld gerannt und fragte, ob wir Interesse daran hätten, die Räumlichkeiten des früheren „d:qliq“ zu übernehmen. Wir sind damals oft an diesem Kultort ausgegangen und fragten uns, ob das ein guter Plan sei. Das „Food for your senses“ hatte damals eine solche Wucht und wir hatten uns ein riesiges Netzwerk aufgebaut. „Why not?“, dachten wir. Ben war damals Kellner und wollte ein eigenes Café eröffnen, Jaakes war Bühnentechniker und ich wollte ein Festival aufbauen, von dem ich leben konnte. In der Welt von Events, Konzerten und Kultur wollten wir sein.
Nicht einmal ein halbes Jahr später öffnete am 3. Dezember 2014 „de Gudde Wëllen“ in der rue du Saint-Esprit Nr. 17 seine Türen. Was sind die Highlights aus all den Jahren?
Für mich war das die Renovierung noch vor der Eröffnung. Wir bekamen die Schlüssel damals im September und hatten für den 3. Dezember das erste Konzert mit Cosmo Sheldrake aus Großbritannien geplant. Das wenige Geld, das wir hatten, floss in die Beleuchtung und die Musikanlagen, alles andere haben wir selbst gemacht: Die Wände gestrichen und Regale geschreinert. Aus der Zeit stammt auch unser Name: Ein paar Wochen vor der Eröffnung stellten wir nämlich fest, dass es noch viel zu tun gebe. Und meinten dann, dass das mit etwas „gudde Wëllen“ schon gehen würde. Wir konnten in dieser Zeit auf unsere Freunde zählen und das war ein starker Moment von Kollegialität. Ben und ich haben hier eine Zeit lang gelebt; ich habe auf einer Couch geschlafen. Wir waren immer hier, Ende 20 war das einfach unser Leben. Es war „rau“.
Die Pandemie war für die Gastronomie schwer, der Club allerdings hat diese überstanden.
Covid war eine besondere Zeit, in der – trotz Ungewissheit – auch viel entstanden ist: Wir starteten einen Spendenaufruf für den Club und gaben die Hälfte davon der Vereinigung „Catch a smile“, die sich für Flüchtlinge einsetzt. Der Aufruf schlug ein wie eine Bombe, fast 50.000 Euro kamen zusammen. Es war schön zu sehen, dass wir so auf unsere Community bauen können. Die Namen der Personen, die gespendet haben, stehen heute noch auf der Tür. Durch Covid konnten wir auch endlich eine Terrasse eröffnen. Die Sommermonate liefen bis dahin immer schlecht, denn wir liegen an einem dunkleren Standort und während der warmen Monate kommen die Leute erst spätabends. Die Genehmigung für die Terrasse war für uns auch ein Zeichen, dass die Gemeinde unsere Arbeit wertschätzt.
Wie sieht denn insgesamt die Zusammenarbeit mit der Gemeinde, aber auch mit der Unterstützung vom Staat für solche alternativen Kulturorte aus?
Bis jetzt wurden uns keine Steine in den Weg gelegt. Wir bekommen zwar keine direkte finanzielle Unterstützung – wie zum Beispiel Kulturvereine in Frankreich –, aber uns wurde in einer schweren Zeit die Terrasse genehmigt. Ich bin überzeugt, dass das nicht passiert wäre, wenn wir nicht ein kultureller Akteur wären. Zuschüsse bekommen wir nicht, aber wir können die Räumlichkeiten der „Administration des bâtiments publics“ hier für eine moderate Miete nutzen. Das gibt uns Spielraum für das Kulturangebot. Denn mit Gagen, Essen sowie Hotelübernachtungen für die Künstler und den Löhnen für das Team sind Konzerte in solchen kleinen Räumen immer defizitär. Sie sorgen jedes Jahr für ein riesiges Loch in der Kasse. Aber die Gin Tonics von freitags finanzieren die Konzerte am Mittwoch. Man muss das hier als großes Ganzes sehen.
Stichwort Konzerte: Rund 500 gab es in zehn Jahren, nach Mainstream suchte man dabei vergeblich. Man könnte schon fast sagen, dass ihr eine Nische bedient.
Ich würde sagen, dass wir abseits des Mainstreams viele Stile anbieten. Bei uns gibt es nicht nur Hip-Hop und nicht nur Elektro. Wir buchen gerne Künstler aus Luxemburg und unbekannte Akteure. Das ist die Nische. Generell gehen die Leute sich immer mehr größere Sachen ansehen. Meine persönliche Überzeugung war aber immer schon, dass ein kleiner Saal interessanter ist als ein großer. Wenn man im „Rocas“ oder den „Rotondes“ auf einem Konzert ist, passiert nur drei Meter von dir entfernt etwas und der Künstler schaut den Leuten dabei in die Augen. Ich habe wenig Bezug dazu, wenn etwas so weit weg ist und finde das unpersönlich. Man sollte neugierig bleiben und sich auch Sachen ansehen, die man nicht kennt.
Das war also von Anfang an eine bewusste Entscheidung?
Zu Beginn mussten wir auch einfach mit dem arbeiten, was wir hatten. Einigen ist ein Raum mit 80 Leuten zu klein, die suchen nach etwas Größerem. Dafür haben wir im Sommer ja die größeren Bühnen, wie zum Beispiel bei der „Fête de la musique“ in Luxemburg-Stadt. Oder beim Usina-Festival, wo dann Tausende vor den Bühnen stehen. Für uns als kleinerer Akteur ist es toll, dabei mit dem „Atelier“ etwas Größeres zu machen. Es gehört zu unserer DNA, dass wir in Netzwerken denken und ich bin davon überzeugt, dass alle gewinnen, wenn wir unsere Energien zusammenlegen. Das Usina wird 2025 übrigens auf demselben Gelände in Düdelingen mit denselben Partnern stattfinden. Kulturell gesehen ist das Festival ein Erfolg. Wir gehen davon aus, dass es auch danach weitergeht. Aber da denken wir von Jahr zu Jahr.
„Von Jahr zu Jahr denken“ – wie steht es denn um den Club?
Dem Unternehmen „de Gudde Wëllen“ geht es gut und wir haben keine großen, finanziellen Schwierigkeiten. Ben und ich sind mittlerweile aber die Ältesten unseres Teams und haben zwei Kinder. Wir schlafen inzwischen nicht mehr hier. Wir sind älter geworden und damit müssen wir jetzt arbeiten. Uns erneuern, andere hierfür begeistern, ohne allerdings unsere Identität zu verlieren. Denn wir sind nicht x-beliebig und haben viel Charakter: „Mir hunn eng Gueule, déi een erëmerkennt.“ Bis jetzt hatten wir allerdings noch nie Probleme damit, Mitglieder für unser Team zu finden – auch wenn die Arbeit bei der lauten Musik schwer ist und man freitags und samstags bis 4 Uhr arbeitet.
Der Club und dessen Jubiläum
Vor zehn Jahren eröffnete der heute 37-jährige Luka Heindrichs aus der Umgegend von Diekirch mit zwei Jugendfreunden „de Gudde Wëllen“ in Luxemburg-Stadt. Das runde Jubiläum des Kulturclubs in der rue du Saint-Esprit wird mit einer Reihe an besonderen Veranstaltungen gefeiert. Los geht es damit an diesem Wochenende: mit einer Stunde Freibier von 21 bis 22 Uhr sowie einer elektronischen Clubnacht auf drei Etagen am Freitag und einem kleinen Festival am Samstag. Dabei treten Künstlerinnen und Künstler auf, die dem Team besonders am Herzen liegen. Informationen zum Programm und zu den Tickets gibt es unter deguddewellen.lu.
Und wie geht es weiter?
Der nächste große Schritt ist, dass wir im Sommer eine zweite Terrasse eröffnen. Im Stadtpark werden wir das im Sommer für die „Luxembourg Urban Garden“ (LUGA) tun. Die Terrasse wird während der LUGA von Mai bis Oktober offen sein und es wird eine kleine Bühne mit Programm geben. Das wird eine zweiter Sommerspot an einem schönen Ort. Vor einigen Tagen haben wir das Einverständnis dafür bekommen und bis Mai wird das jetzt etwas sportlich, aber wir nehmen diese Herausforderung an. Ich würde auch immer noch gerne ein Festival organisieren, bei dem man vor Ort schlafen kann. Bis jetzt haben wir aber noch keinen geeigneten Ort gefunden. Das wäre auch noch nichts für das kommende Jahr. Mal schauen.
Erzähl zum Abschluss doch etwas über den „Gudde Wëllen“, das bisher nur die wenigsten wissen?
Im Sommer werden Fontaines D.C. in der Abtei Neumünster ein großes Konzert geben. Die haben 2019 bei uns vor vollem Haus gespielt. Sie haben danach auch hier geschlafen und wir haben morgens zusammen gefrühstückt – wie im Ferienlager. Unterschriften von Künstlern haben wir allerdings keine. An unserem ersten Abend schenkte eine Freundin uns ein goldenes Buch, in das alle Bands unterschreiben könnten. Es ging noch am selben Abend verloren und wurde nie ersetzt. Was das archivieren angeht, sind wir Chaoten. Wir hätten nur weniges, um ein Museum des „Gudde Wëllen“ zu füllen. Wir existieren eben im Moment und für den Moment.
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