Forum / Falsche Prioritätensetzung
Der Wahlsieg von Trump in den USA sowie die Wahlerfolge von rechtsextremen respektive faschistischen Parteien in vielen Ländern Europas wurden in den Medien und vonseiten der politischen Parteien kommentiert. Dies geschah auch bei uns in der Abgeordnetenkammer anlässlich der außenpolitischen Erklärung von Außenminister Xavier Bettel.
Sowohl die Erklärung von unserem Chefdiplomaten als auch die entsprechenden Stellungnahmen der Parteienvertreter haben erkennen lassen, dass unsere führenden Politiker die Botschaft, die von den Wählern diesseits und jenseits des Atlantiks ausging, nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollen. Sowohl die Wahl von Trump als auch das Erstarken der Rechtspopulisten in unseren Breitengraden ist das Ergebnis von falschen politischen Entscheidungen. Viele Menschen fühlen sich abgehängt und haben Schwierigkeiten, über die Runden zu kommen. Dies, weil sich die soziale Situation für viele Menschen in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert hat. Dies ist auch bei uns der Fall. Die Armutsgefährdung, auch bei den Werktätigen, hat laut offiziellen Statistiken stark zugenommen.
Diese Entwicklung ist nicht von heute auf morgen eingetreten und ist nicht vom Himmel gefallen. In den Nachkriegsjahrzehnten herrschte noch vielfach Übereinstimmung zwischen den wirtschaftlichen, politischen und sozialen Akteuren, dass der soziale Fortschritt auch den wirtschaftlichen Fortschritt beflügeln würde, dass beide sich ergänzen würden. In der Folge wurde der Sozialstaat ausgebaut. Die öffentlichen und sozialen Dienstleistungen wurden verbessert und ergänzt.
Diese positive Entwicklung endete in den 1990er-Jahren. In der EU nahm die neoliberale Liberalisierungs- und Privatisierungspolitik Überhand. Diese arbeitnehmerfeindliche Politik wurde mit dem europäischen Verfassungsvertrag, 2005, welcher nach einigen kosmetischen Änderungen als Lissabon-Vertrag verabschiedet wurde, besiegelt. Wir warnten damals davor, dass nach der Liberalisierung und Privatisierung im öffentlichen Dienstleistungsbereich, die Sozialversicherungen auf der Privatisierungsagenda stehen würden. Die angekündigte Pensionsreform ist ein Beispiel in dieser Hinsicht. Nach Vorstellungen unserer Regierung sollen die privaten Zusatzpensionen noch stärker steuerlich gefördert werden, was auf eine schrittweise Privatisierung unseres Sozialversicherungswesens hindeutet. Die privaten Zusatzpensionen wurden bei uns erstmals unter einer „Junker-Regierung“ steuerlich gefördert. Dies geschah nicht im Interesse der Arbeitnehmer, sondern um den Banken und Versicherungen neue Verdienstmöglichkeiten zu eröffnen. Diese Politik soll nun verstärkt weitergeführt werden.
Militarisierung der Gesellschaft statt fortschrittlicher Sozialpolitik
Als Reaktion auf die Wahl von Trump in den USA und das Erstarken der rechtsextremen Parteien bei uns hätte man von den politischen Akteuren erwarten können, dass man Abstand nimmt von der Liberalisierungs- und Privatisierungspolitik, dass man die Armut effektiv bekämpft und in den Sozialstaat investiert. Das Gegenteil ist der Fall. Die neoliberale und monetaristische Politik soll weiterverfolgt werden. Einzige Ausnahme in dieser Hinsicht ist die militärische Aufrüstung, die auch von den meisten Oppositionspolitikern als alternativlos dargestellt wird. In Sachen militärischer Aufrüstung mangelt es unseren Politikern nicht an Visionen. So redet unser Premierminister einer europäischen Armee das Wort. Andere wollen bei uns wieder einen obligatorischen Militärdienst einführen. Auch wird bei uns beabsichtigt, eine Militärindustrie aufzubauen, um von den Haushaltsmitteln zu profitieren, die der Staat in dieser Hinsicht investiert. Dies wird dazu führen, dass wir in Zukunft die entsprechenden Investitionen weiter hochschrauben müssen, um die entsprechenden Arbeitsplätze nicht zu gefährden. Um die Bevölkerung bei uns von dieser Politik zu überzeugen, werden von den Politikern und den Leitmedien immer neue Feindbilder erkoren.
Um des Leidens unserer Bevölkerung während des Zweiten Weltkrieges zu gedenken, wurden jetzt, 80 Jahre nach dessen Beendigung, verstärkt Gedenkveranstaltungen organisiert. Auch wurden Besichtigungen von Konzentrationslagern durchgeführt, um auf die Gräueltaten des Naziregimes hinzuweisen. Dies ist alles begrüßenswert. Was allerdings fehlt, ist eine seriöse Kriegs- und Friedensforschung, die zu erklären versucht, weshalb und wodurch ein solches Regime in unserm Nachbarland Fuß fassen und sich ausbreiten konnte. Dabei würde man sicher feststellen, dass Arbeitslosigkeit und Armut zur Wahl der Rechtsextremisten geführt haben. Auch würde man sicher nicht daran vorbeikommen, dass Wirtschaft und Industrie aus Profitgründen dieses Regime gefördert haben. Eine solche Analyse scheint nicht gewünscht zu sein, da man vielleicht erkennen würde, dass Faschismus, Kapitalismus und militärische Aufrüstung eng miteinander verknüpft sind. Zu hoffen bleibt, dass sich bei uns und in anderen Ländern eine Friedensbewegung formiert und die Politiker dazu bringt, eine ambitionierte Sozialpolitik zu betreiben, anstatt militärisch aufzurüsten. Der Ausspruch, den man, angesichts der Erfolge der Rechtsextremisten, manchmal hört, „die dümmsten Kälber würden ihre eignen Metzler wählen“, mag wohl stimmen, bringt uns aber nicht weiter.
- Falsche Prioritätensetzung - 3. Dezember 2024.
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