Filmwissen / Zum Filmstart von „Megalopolis“: Die Karriere von Francis Ford Coppola – Teil 1
Mit „Megalopolis“ hat Francis Ford Coppola einen sehr persönlichen Film gedreht. Der 85-jährige Regisseur gilt als eine Legende des amerikanischen Films, ein Veteran der New-Hollywood-Bewegung, dessen Hybris sich auf auffällige Weise in seinem Werk spiegelt. Ein zweiteiliger Karriererückblick.
Die überaus große künstlerische Kreativität wurde ihm womöglich in die Wiege gelegt: Der 1939 in Detroit geborene Francis Ford Coppola ist Sohn eines Musikers und einer Schauspielerin. Das Kind einer italoamerikanischen Familie versucht sich nach einigen experimentellen Filmarbeiten als Dramaturg am Theater in New York, wechselt dann aber an die Filmhochschule in Los Angeles. Damit zählt Coppola zu jener Generation an Filmregisseuren, die das amerikanische Kino für eine kurze Zeit grundlegend verändern sollten: Neben Kollegen wie George Lucas, Brian De Palma, Steven Spielberg oder noch Martin Scorsese gehört er den sogenannten „movie brats“ an, studierte Filmkünstler, die den amerikanischen Film nach dem Zusammenbruch des Studiosystems modernisieren und Autorschaft ihrer Filme behaupten – die Zeit des New Hollywood bricht an, wenngleich nur kurzlebig.
Autorenkult
Der Autorenkult, genährt aus den Schriften der französischen Fachzeitschrift der Cahiers du cinéma, beflügelt diese Generation an Filmemachern, die dem amerikanischen Kino zu einer doppelten Identität verhelfen: Sehr individuelle Filme, die die vision du monde eines Künstlers spiegeln, können gleichzeitig überaus persönlich und kommerziell sehr erfolgreich sein. Den jungen Regisseur umtreibt damals schon der unbedingte künstlerische Eigenwille, eine Aversion gegen die Auflagen und Zwänge der Studioproduzenten hegt er bereits früh. Aus dieser Abneigung erwuchs schnell auch eine ebenso produktive wie manchmal naive Hybris, die in vielen seiner Filmfiguren gespiegelt ist.
Damit zählt Coppola zu jener Generation an Filmregisseuren, die das amerikanische Kino für eine kurze Zeit grundlegend verändern sollten
1980 erwirbt Coppola für rund sieben Millionen Dollar die Hollywood General Studios und baut dort die Zoetrope Studios, sein eigenes Produktionsgelände; American Zoetrope heißt bis heute noch seine eigene Produktionsfirma, die ihm die absolute Macht und uneingeschränkte Kreativität in seinem Filmschaffen garantieren soll. 1982 realisiert er so unabhängig von äußeren Einflüssen seinen nächsten Film – und scheitert: „One from the Heart“, eine Liebesgeschichte in Las Vegas, wird nach Michael Ciminos „Heaven’s Gate“ zum größten kommerziellen Desaster des New Hollywood. Diese überaus fruchtbare Phase des amerikanischen Films ist somit beendet. Coppolas Werdegang spiegelt damit auf auffällige Weise die Umbrüche in der damaligen Filmindustrie. In seiner äußersten Stilisierung, der künstlich anmutenden Licht- und Farbgestaltung, für das Coppola das Stadtbild von Las Vegas in seinem Studio nachbauen lässt, zeigt bereits dieser Film eine Tendenz, die heute, 42 Jahre später, in „Megalopolis“ wieder augenfällig in Erscheinung tritt: Coppolas bedingungsloser Wille zum stilistischen Exzess, der weit über die Ansprüche nuancierter Charakterzeichnung und dramaturgischer Tiefe hinausgeht.
Der Welterfolg
Zunächst aber, 1972, gelingt Coppola nach unbekannteren Filmen, wie das Musical „Finian’s Rainbow“ (1968) oder dem Emanzipationsdrama „The Rain People“ (1969), der Welterfolg: Basierend auf dem gleichnamigen Bestseller-Roman von Mario Puzo bietet „The Godfather“ eine zynisch-pervertierte Lektüre des amerikanischen Traums. Erfolg und Aufstieg verweisen hier unter dem Gewand unterhaltsamer Schauwerte des Gangsterfilms auf zeitgenössische Probleme der USA, zwischen Vietnamkrieg und Hochfinanz. Der Aufstieg und Fall der Familie Corleone legt Coppola als Spiegel der Geschichte des 20. Jahrhunderts an – und breitet diese epische Erzählung auf drei Filme aus.
Der nahezu mythische Gestus dieser Gangstergeschichte macht „The Godfather“ augenblicklich zu einem großen Erfolg, dessen Zeitlosigkeit besonders in den wirkungsmächtigen Übernahmen zu finden ist, die das kulturelle Gedächtnis bis heute prägen. Dialogzeilen des Films werden zu ikonischen Sprüchen, Parodien entstehen, die vor dem Hintergrund dieses Films nicht begreifbar sind, seine Ästhetik prägt sogar heute noch die Aufmachung mehrerer Computerspiele. Don Vito Corleone (Marlon Brando) ist das Oberhaupt einer angesehenen sizilianischen Mafiafamilie, die nach Amerika ausgewandert ist. Der Patriarch tut alles, um die eigenen Geschäftsinteressen und den Schutz der Familie zu wahren. Doch er wird selbst Opfer blutiger Interessenskonflikte, denn die Versuche, das „traditionshafte“ Wirken der Mafia aufrechtzuerhalten gegen das Aufkommen des Rauschgifthandels, führen letztlich zum Tode des Dons. Sein Sohn Michael Corleone (Al Pacino) soll die Geschäfte seines Vaters übernehmen. Michael entwickelt sich im Zuge der Handlung zu einem strategisch-kalt operierenden Unternehmer, dem der Erhalt des Wohlstands und der Machtposition zur Lebensaufgabe werden.
Goldene Palme
„The Conversation“ von 1974 ist Coppolas Folgeprojekt, mit dem er in Cannes unversehens die Goldene Palme als bester Film gewann. Weniger episch und mythisch erzählt, steht hier der moralisch strauchelnde Überwachungsspezialist Harry Caul (Gene Hackman) im Zentrum einer Abhöraktion, die zum grundlegenden Zweifel an der auditiven Wahrnehmung wird. Der Abhörspezialist muss sich da plötzlich fragen, ob er ungewollt Zeuge eines bevorstehenden Mordversuchs wurde. Mittels minimalistischem Bild- und Sounddesigns, das indes maximale Wirkung zu erzeugen weiß, erzählt dieser Film davon, wie die Technik sich seinen Weg in die unmittelbare Privatsphäre von Menschen gräbt und moralische Fixpunkte diffus werden lässt. „The Conversation“ zählt auch heute noch zu den bedeutsamsten Verschwörungsfilmen des New Hollywood, jene Werke der zweiten Hälfte der 1970er Jahre, die eine Bewegung der Verschlossenheit und des Rückzugs beschreiben. Man schirmt sich vor einer Welt ab, die unlesbar und unverständlich geworden ist, und es entstehen mithin paranoide Filme, in denen sich jeder in private Blasen zurückzieht, sich abkapselt von der Außenwelt und kommunikative Wege zunehmend gekappt werden. „The Conversation“ spricht letztlich von der tiefen Verunsicherung der US-amerikanischen Gesellschaft, die sich in einem Klima der allumfassenden Anspannung der Sechziger- und Siebzigerjahre befindet – eine Zeit, die sich vornehmlich aus einem Bezugsgeflecht aus Vietnamkrieg, dem Watergate-Skandal und dem Attentat auf den Präsidenten J.F. Kennedy konstituiert.
Der Erfolg von „The Conversation“ bringt Coppola eine noch stärkere Verhandlungsposition gegenüber der Paramount ein, mit der er die Möglichkeiten und Bedingungen einer Fortsetzung seines Mafiafilms „The Godfather“ diskutiert. Wieder schreibt er mit Mario Puzo das Drehbuch. Nicht nur kann er Regie und Produktion abermals auf sich vereinen, auch bringt er zum ersten Mal die damals emblematischsten Schauspieler ihrer Generation, Robert De Niro und Al Pacino, zusammen auf die Leinwand, obwohl beide keine gemeinsame Szene teilen. Dies liegt an der ausgeklügelten Parallelmontage, die Coppola in „The Godfather – Part 2“ zum Einsatz bringt und so zwei Zeitebenen ineinander verschachtelt: Zum einen wird die Geschichte von Michael Corleone (Al Pacino) fortgeführt, der versucht, das Familienunternehmen in den 1950er Jahren auszubauen und gleichzeitig seine Macht zu festigen, während er mit Verrat und Feinden innerhalb und außerhalb der Familie konfrontiert wird.
Die Vorgeschichte wird von Vito Corleone (Robert De Niro), Michaels Vater, erzählt, der als junger Einwanderer aus Sizilien in New York aufsteigt und sich ein kriminelles Imperium aufbaut. Das große thematische Feld aus Macht, Loyalität, Verrat und die Auswirkungen von Entscheidungen auf die Familie wird auch hier weitergeführt. Mit „The Godfather III“ bringt Coppola diese Gangstergeschichte 1990 zum Abschluss. Das Ende von Michael Corleone wird hier mit derart viel Pathos und Melancholie erzählt, dass der Film selbst wie eine Rückbesinnung auf und Beendigung von Coppolas großer Erzählweise wirkt.
Serie
Der zweite Teil von „Die Karriere von Francis Ford Coppola“ erscheint am Montag. „Megalopolis“ läuft am 11. Dezember im Kinepolis Luxemburg an.
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