Synthese / So stehen die Luxemburger Oppositionsparteien zur Rentendebatte
In der Luxemburger Rentendebatte haben sich mittlerweile zahlreiche Akteure aus der Zivilgesellschaft zu Wort gemeldet. Auch die Berufskammern haben ihren Senf zur Debatte dazugegeben. Nur: Die Politik schweigt bisher.
Die Luxemburger Rentendebatte hat mit den Konsultationsgesprächen bei Sozialministerin Martine Deprez längst angefangen. Schon Monate zuvor hatten die Diskussionen in der politischen Sphäre Luxemburgs zu gären begonnen. Öffentlich aber hält sich die Politik bisher auffällig mit klaren Äußerungen zurück. Die Parteien sollen – so der Fahrplan von Ministerin Deprez – erst ab kommendem Jahr offiziell an der Diskussion teilnehmen. Mit der Internetplattform schwätzmat.lu darf sich bis dahin die Zivilgesellschaft zur aktuellen Rentendiskussion äußern – vorausgesetzt, die eigenen Gedanken lassen sich auf 500 Zeichen zusammenfassen. Die offizielle Orientierungsdebatte in der Chamber dürfte erst im Februar stattfinden. Das Tageblatt hat nachgefragt, wo die fünf Oppositionsparteien zum jetzigen Zeitpunkt stehen.
Das Schweigen der Politik kommt nicht von ungefähr. Lange Zeit war nämlich unklar, worüber eigentlich diskutiert werden sollte. Sind nur die Renten im Privatsektor betroffen oder gehört auch der öffentliche Dienst reformiert? Eine Frage, die bis zu Luc Friedens Aussagen im Tageblatt-Interview nicht geklärt war. „Wir reden eigentlich über das Ganze“, antwortete der CSV-Premier auf die Frage, ob die Staatsbeamten nun auch von der Rentenreform betroffen sind oder nicht. Und widersprach seinem Parteikollegen und Fraktionspräsidenten Marc Spautz, der kurz vorher öffentlich bekräftigte, dass das Rentensystem der Staatsbeamten nicht Teil der von Martine Deprez angestoßenen Rentendiskussion sei.
Dass sich diese Frage überhaupt erst stellte, war dem Umstand geschuldet, dass die Staatsbeamtengewerkschaft CGFP ebenfalls zu Konsultationsgesprächen bei der Sozialministerin eingeladen war. Der eigentlich für den öffentlichen Dienst zuständige Minister Serge Wilmes (CSV) überlässt die nun aufgeschlagene Bresche seiner Regierungskollegin und hält sich in der Rentendebatte bisher bedeckt. Auch die Visite bei der Veranstaltung der CGFP überstand der Minister weitestgehend unbeschadet – nicht zuletzt, weil er das Augenmerk der anwesenden Gewerkschafter schnell auf die anstehende Neuverhandlung des Gehälterabkommens lenkte.
Konfusion von Anfang an, was auch die LSAP-Fraktionschefin Taina Bofferding gegenüber dem Tageblatt kritisierte. „Es ist eine Taktik dieser Regierung, Chaos zu stiften“, meint Bofferding. Aus diesem Durcheinander heraus würde die Regierung dann eine Maßnahme oder Idee präsentieren, die diese „schon länger im Kopf hatte“. Dann würde Klarheit mit einem Programm geschaffen werden, das wohl nicht so einfach zu verdauen sei. „Aber in dem Fall kriegt keiner so richtig mit, was passiert.“ Die LSAP-Politikerin sieht dabei auch einige Parallelen zum Vorgehen des Arbeitsministers Georges Mischo beim Dossier der Kollektivverträge oder auch beim Krisenmanagement in der Caritas-Affäre. „Wir wollen jedoch, dass klar gesagt wird, was die Regierung nun letztendlich will. Was steht zur Debatte, was nicht?“
Daran ändert laut Taina Bofferding auch die Tatsache nichts, dass Frieden vor kurzem ankündigte, dass auch über die Renten im öffentlichen Dienst diskutiert werden müsse. Die Diskussion habe keinen Rahmen gehabt, es werde ins Leere, ins Unbekannte diskutiert. Die Rentendiskussion als große Unbekannte – wohl auch ein Grund, weswegen die LSAP den fast schon „historischen Schulterschluss“ mit dem OGBL und auch dem LCGB wagte, der traditionell eher der CSV nahesteht.
Marc Baum von „déi Lénk“ begrüßt hingegen die Ankündigung von Luc Frieden. „Es ist richtig, dass es ein einziges kohärentes Rentensystem geben soll“, sagt Baum. Er würde sich jedoch auch noch konsequentere Aussagen vonseiten der Christsozialen wünschen, die mal in die eine, dann wieder in die andere Richtung argumentieren, so der Linken-Politiker.
Rentenmauer?
Der Grund, warum letztendlich über das Rentensystem diskutiert wird, ist die heraneilende Rentenmauer. Oder? Die Rentenmauer, wie sie derzeit von einigen wirtschaftlichen Projektionen vorhergesagt wird, sieht die sozialistische Fraktionschefin Taina Bofferding weitaus weniger dringlich als andere Probleme. „Wir sehen weniger eine Rentenmauer als eine Welle der Altersarmut auf Luxemburg zukommen“, sagt Bofferding. Die LSAP würde demnach bei einer Rentenreform allen voran die Mindestrente erhöhen. „Die ganz hohen Renten machen etwa nur 0,1 Prozent aus“, sagt Bofferding. Es könne demnach niemand behaupten, dass die Renten allgemein zu hoch seien. Im Gegenteil. „Es wird immer mehr Reichtum geschaffen, während die Schere zwischen Arm und Reich auseinandergeht“, sagt Bofferding.
Problematisch findet die LSAP auch die Angstmacherei um eventuelle Kürzungen und das Anheben des Renteneintrittalters. „Auch die junge Generation stellt sich jetzt so einige Fragen“, meint Bofferding. „Das ist alles Gift für die Gesellschaft.“ Eine rote Linie sei das Wahren des Generationenvertrages und die Privatisierung des Rentensystems. Etwas, was die Regierung und auch Ministerin Deprez schon mehrfach abgestritten haben, durchsetzen zu wollen. Aber: „Es steht schwarz auf weiß im Koalitionsvertrag, dass die zweite und dritte Säule des Rentensystems gestärkt werden sollen.“
Die Rentendebatte müsse weit darüber hinaus diskutiert werden. „Ich bin ganz bei den Gewerkschaften, wenn diese sagen, dass genug Geld im Wirtschaftssystem vorhanden ist“, sagt Bofferding. „Es ist halt eine Frage der Umverteilung.“ Weswegen man bei der LSAP auch der Ansicht sei, dass man andere Maßnahmen als Kürzungen befürworte – wenn die Prognosen so eintreten, wie sie derzeit gemacht werden. Wenn es denn darum geht, neue Einnahmen zu generieren, nennt die LSAP eine Robotersteuer. „Bei all dem Potenzial, das die künstliche Intelligenz bietet, werden wir um eine solche Diskussion nicht herumkommen“, meint Bofferding. Sollte die konservativ-liberale Regierung diesen Weg gehen, wäre auf jeden Fall mit der Unterstützung der LSAP zu rechnen, so Bofferding.
Was ist mit der Reserve?
„déi Lénk“ ist hingegen der Meinung, dass angesichts der finanziellen Reserven eine Rentenreform nicht wirklich notwendig ist. „Durch die Reform von 2012 vom damaligen Sozialminister Mars Di Bartolomeo wurden Verschlechterungsmechanismen eingebaut“, erklärt Marc Baum gegenüber dem Tageblatt. Diese Mechanismen würden dann greifen, wenn 2028 die Ausgaben die Einnahmen überschreiten. „Die Dringlichkeit, jetzt zu handeln, wurde eigentlich erst durch diese Reform eingeführt – obwohl die Reserven fast 4,5-mal die Jahresausgaben umfassen.“ Konsequenterweise will „déi Lénk“ die Hebel der 2012er-Reform auch wieder rückgängig machen.
„Man darf nie an einen Punkt gelangen, an dem man die Reserve wirklich brauch“, sagt etwa der Piratenabgeordnete Marc Goergen zur Rentenreserve. Diese sei nicht zuletzt auch psychologisch sehr wichtig. „Unserer Ansicht nach sollte das System jedes Jahr ein leichtes Plus aufweisen, das dann in Sozialprojekte oder den Wohnungsbau investiert werden sollte.“
Insgesamt sieht „déi Lénk“ die bisherigen Vorschläge der Arbeitgeberseite sehr kritisch. „Es gibt ein wissenschaftliches Gutachten vonseiten der CSL und ein Gutachten, in dem offensichtlich und in trügerischer Absicht mit falschen Zahlen gespielt wird“, sagt Baum. Das mache er unter anderem daran fest, dass die Arbeitgeberseite behaupte, die Renten seien in Luxemburg höher als die Löhne. „Das ist objektiv falsch.“ In der Rechnung seien nämlich die Renten der Staatsbeamten und Einnahmen aus dem Besitz der Rentner mit erfasst worden. „Wenn man Einnahmen aus Aktien und Mieten mit einbezieht, kommt man tatsächlich auf andere Zahlen“, sagt Baum. Fakt sei aber, dass es 36.000 Mindestrentenbezieher gibt, davon 80 Prozent Frauen.
Die Arbeitgebervertreter diagnostizierten vor allem ein Ausgabenproblem im luxemburgischen Rentensystem. Die Erschließung weiterer Einnahmen, zum Beispiel durch eine Erhöhung der Sozialabgaben, wird derzeit kategorisch ausgeschlossen. „déi Lénk“ schließt sich dieser Analyse wenig überraschend nicht an. Im Gegenteil: „Die Beitragszahlungen sind seit 50 Jahren nicht erhöht worden“, sagt Baum. „Da ist noch viel Luft nach oben.“
Einen ganz anderen Ansatz verfolgen hingegen die Piraten. Marc Goergen, Piraten-Abgeordneter, meint, dass das Problem der Renten auf europäischer Ebene analysiert werden müsse. Eine europäische Grundrente, die zur nationalen Rente zusätzlich ausgezahlt werden würde. „Die Piraten haben keine Ahnung“, meint dahingegen Marc Baum, der sich eine Harmonisierung der europäischen Rentensysteme nur schwer vorstellen kann. Rentensysteme, die aus Steuern gespeist werden, würden sich nur sehr schwer mit einem auf Sozialabgaben basierendem System vereinbaren lassen.
Auch könnten sich die Piraten ein weitaus flexibleres Rentensystem vorstellen. „Turborente“, nennt Marc Goergen diese Idee. „Warum nicht jeden Monat mehr Beitragszahlungen als das bisherige Maximum und dann vielleicht fünf Jahre früher in Rente gehen?“ Das jetzige System könne man als Beitragszahler nicht wirklich beeinflussen, sagt Goergen. Und der Staat würde bei so einem System nichts verlieren.
Grüne Vorsicht
Grünen-Präsident François Benoy hat im Gespräch mit dem Tageblatt noch sehr vorsichtig, fast schon zögerlich auf die Fragen zur Rentendebatte geantwortet. Wohl auch, weil sich bei den Grünen derzeit eine Arbeitsgruppe mit dem Thema beschäftigt, und eine einheitliche Position der Partei noch nicht feststeht. „Wenn wir über die Renten diskutieren, thematisieren wir natürlich die großen Fragen unserer Zeit“, sagt Benoy. Luxemburg sei derzeit mit einem demografischen Wandel konfrontiert und einem sich wandelnden Arbeitsmarkt. „Derzeit befinden wir uns jedoch in einer Situation, in der noch vieles im Unklaren ist.“
Die Art und Weise, wie dieser Nebel um eine mögliche Reform gelüftet werden soll, finden die Grünen nicht optimal. Die Grünen-Abgeordneten forderten in einer letztlich abgelehnten Chamber-Resolution einen Renten-Bürgerrat, der parallel zu den Regierungsinitiativen laufen sollte. „Seine Ideen in 500 Zeichen einreichen, ist nicht unbedingt das, was ich unter einer breiten Bürgerbeteiligung verstehe“, sagt Benoy.
Glasklar ist hingegen, dass die Grünen an der Dreiparteien-Finanzierung (Staat, Arbeitnehmer und Arbeitgeber) festhalten wollen. „Der Staat muss letzten Endes der Garant der Rente sein“, meint Benoy. Mit dieser solle man dann auch „angemessen und gut leben“ können. Eine Reform dürfe demnach nicht zu mehr Altersarmut führen. „Dafür braucht es eine gute wirtschaftliche Basis, was bedingt, dass man die Ausgaben und Einnahmen sowie die Reserven im Auge behalten muss.“
Es sei dementsprechend schwierig nachzuvollziehen, inwiefern eine Notwendigkeit bestehe. Besonders das zweideutige Gutachten des „Conseil économique et social“ (CES) verdeutlicht diese Situation. „Ich verstehe, wenn die einen einen riesigen Handlungsbedarf sehen, während die anderen darauf hinweisen, dass die ominöse Rentenmauer immer wieder vorhergesagt wurde, jedoch nie eingetreten ist“, sagt Benoy.
Große Abwesende der Chamber
Auf Anfrage des Tageblatt wollte sich die ADR nicht zur Rentendebatte äußern. „Im Moment wollen wir abwarten, welche Vorschläge die Regierung zur Reform des Rentensystems macht“, heißt es von einem Sprecher der Partei. „Davon abgesehen, können Sie unsere Position zum Thema in unserem Wahlprogramm des vergangenen Jahres lesen.“ Tatsächlich war die ADR die einzige Partei, die dem Luxemburger Rentensystem ein ganzes Kapitel im Wahlprogramm zu den Chamber-Wahlen widmete.
Nur: Zwar macht die ADR in ihrem Wahlprogramm auf das „nicht nachhaltige Schneeballsystem“ und die „Wachstumsfalle“ aufmerksam – Lösungsvorschläge werden jedoch keine genannt. Sätze wie „Iwwert de Wee vun enger dréngend néideger Pensiounsreform kënne mir manner wuesstemsofhängeg ginn, kënnen doduerch eis Zukunft nees besser plangen an an e méi kontrolléierte Wuesstem iwwergoen a schliisslech nees méi Liewensqualitéit erreechen“ überlassen es dem Leser des Wahlprogrammes, wie eine solche Reform denn aussehen soll.
Die Probleme, mit denen das jetzige System konfrontiert ist, werden hingegen klar genannt: „D’ADR wiert sech awer vehement dergéint, datt ëmmer méi Mënschen an d’Land geschleist ginn, fir dësen Desequiliber ëmmer nees auszegläichen. Dat ass eng Rechnung, déi net opgeet.“
Konkret wird die ADR letztlich nur bei ein paar Punkten. Demnach sollen – wie im Koalitionsprogramm der CSV und DP festgehalten – die zweite und dritte Säule des Rentensystems „modernisiert“ und so ausgelegt werden, dass auch kleinere Einkommen davon profitieren können. Auch fordert die ADR, dass unternehmensinterne Zeitsparkonten auf eine betriebliche Rentenversicherung angewandt werden können. Die ADR schließt zudem eine schrittweise Erhöhung der Sozialbeiträge von acht auf neun Prozent nicht aus.
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