Logement / Politik nach Bauchgefühl: Über die Wirksamkeit der steuerlichen Regierungsmaßnahmen
Der Wohnungsmarkt verspürt in den vergangenen Wochen wieder Aufwind – dank der Maßnahmen der Regierung. Das behaupten zumindest Premierminister Luc Frieden und Wohnungsbauminister Claude Meisch. Ein Blick auf die Daten legt nahe: Ganz so einfach ist es nicht.
Die Aussagen, die Wohnungsbauminister Claude Meisch (DP) am 4. Dezember in der Chamber und Premierminister Luc Frieden (CSV) am 6. Dezember im Pressebriefing nach dem Regierungsrat getätigt haben, sind sich verdächtig ähnlich. Zu ähnlich. Auf Nachfrage des Grünen-Abgeordneten Meris Sehovic, wie es denn um den VEFA-Bereich („Ventes en état futur de l’achèvement“) stehe, sagt Meisch: „Die Zahlen, die wir haben, was jedoch eher Aussagen informeller Natur sind, weil das so zeitnah ist, dass man das kaum mit Zahlen belegen kann, zeigen, dass eine Beschleunigung eingeleitet wurde.“
Auch Premierminister Luc Frieden gesteht im Pressebriefing nach dem Regierungsrat am 6. Dezember ein, dass er keine Zahlen habe. Er habe diese nicht angefordert. „Ich habe die Leute gefragt, wie es im Sektor läuft, ob sie wieder etwas verkaufen“, meinte Frieden auf Nachfrage einer Journalistin. Überhaupt könnten die „guten Journalisten“ ja selbst anrufen. „Bei denen, die sich mit Immobilien beschäftigen, sei es im Bau oder im Verkauf. Da können Sie sich das bestätigen lassen.“
Gesagt, getan: Ein paar Anrufe (und Mails) später konnte das Tageblatt sogar einige konkrete Zahlen auftreiben. Und die sprechen eine andere Sprache als die Aussagen der Minister. Denn im für den Bausektor so wichtigen VEFA-Bereich haben die steuerlichen Anreize wenig genützt. Zahlen der Einregistrierungs-, Domänen- und Mehrwertsteuerverwaltung („Enregistrement“) zeigen, dass Verkäufe im VEFA-Bereich über die vergangenen Monate langsam wieder angestiegen sind und dabei mit den sinkenden Zinssätzen korrelieren. Die Verkaufszahlen haben bei den für den Bausektor so wichtigen VEFA-Projekten – trotz steuerlicher Maßnahmen für 2024 – den Höchstwert aus dem Jahr 2023 nicht übertroffen. Zudem ist nicht sicher, ob der Gesamtwert an VEFA-Verkäufen für 2023 (814) in diesem Jahr überhaupt übertroffen wird. Er liegt derzeit bei 758.
Auch die Aussage, dass vor allem in den vergangenen Wochen die VEFA-Verkäufe wieder zugenommen haben, muss auf Basis der vorliegenden Datenlage zumindest angezweifelt werden. Denn: Ist die Zahl der VEFA-Verträge zwar im Oktober auf ein Jahreshoch angestiegen, sind die Verkäufe im November wieder um die Hälfte eingebrochen (siehe Grafik). „Ich habe mich bei den Banken, Handwerkern und Notaren umgehört und die haben mir gesagt, dass es im ,bâtiment existent‘ angezogen hat“, meint Frieden. Eine kurze Nachfrage bei den konsultierten Notaren hätte zumindest andeuten können, dass der Markt im VEFA-Bereich noch nicht wieder angekurbelt wurde. Denn: Notare haben zehn Tage Zeit, einen Verkauf zu registrieren – bis zum Regierungsrat am 6. Dezember hätte die Flaute im November – wenn auch nicht vollumfänglich – bekannt sein dürfen.
Bestand zieht an
Richtig ist: Im „Bâtiment existant“ scheint sich der Markt tatsächlich wieder langsam zu erholen. Das „Observatoire de l’habitat“ hat in seiner Publikation „Logement en chiffres N°16“ aus dem September 2024 für einen kontinuierlichen Anstieg der Wohnungsverkäufe fürs erste als auch fürs zweite Quartal festgestellt. Im VEFA-Bereich aber blieben die Verkäufe auf dem historisch niedrigen Niveau von 2023.
Inwiefern die Regierungsmaßnahmen von CSV und DP dafür verantwortlich sind, lässt sich nur schwer verorten. Wohnungsbauminister Claude Meisch verteidigte die steuerlichen Maßnahmen der Regierung in der Chamber als „richtig, weil es nicht sein kann, dass die öffentliche Hand das alleine stemmen muss“. Die Krux, so der DP-Minister, aber liege in der hohen Zinslage. Es gebe eine Unzulänglichkeit („inadéquation“) zwischen den hohen Preisen und den hohen Zinsen.
Das erkläre laut Meisch dann auch den Anstieg beim Verkauf von bestehenden Wohneinheiten im Vergleich zum VEFA-Bereich. „Die Besitzer haben ihre Preise stärker gesenkt als die Bauträger bei den VEFAs“, sagt Meisch. Etwas, das er bereits mehrfach kritisiert habe. Die Bauträger haben ihren Beitrag noch nicht „maximiert“, um ein Gleichgewicht zwischen der hohen Zinslage und den Preisen herzustellen. „Wenn wir das Gleichgewicht nicht erreichen und bei hohen Zinsen die hohen Preise weiter hoch bleiben – auch bei den VEFAs –, kann der Staat das auf Dauer nicht über Steuermaßnahmen machen.“
Ein Blick auf die Zahlen des „Observatoire de l’habitat“ gibt Meisch diesbezüglich recht. Die Preise im Bestand sind seit 2023 um 20 Prozent bei Häusern beziehungsweise 15 Prozent bei Wohnungen eingebrochen. Bei den VEFAs hat die Beobachtungsstelle für Wohnraum einen Preisrückgang von maximal 7,5 Prozent festgestellt. Der Tiefpunkt war im dritten Quartal 2023 erreicht, seitdem steigen die Preise wieder – im Bestand schneller als bei den VEFAs.
Welche Politik für die Zukunft?
Aus politischer Sicht scheint die Verlängerung der steuerlichen Maßnahmen auch innerhalb der Regierungsmannschaft nicht vollkommen unumstritten zu sein. So meinte Finanzminister Gilles Roth (CSV) in einer Kommissionssitzung im Oktober in der Chamber noch, dass „die Maßnahmen, die in Kraft sind, um den Immobilienmarkt wieder in Schwung zu bringen, mit einer Frist versehen sind“. Einige Maßnahmen könnten laut Minister nur dann ihre volle Anreizwirkung entfalten, wenn sie zeitlich befristet gelten. „Was die Entwicklung des Immobilienmarktes angeht, müssen auch die Entscheidungen auf Ebene der Europäischen Zentralbank genau beobachtet werden, da sich einige Mitglieder der Bank stark für eine Senkung der Leitzinsen aussprechen“, wird der Finanzminister im Protokoll der gemeinsamen Ausschusssitzung der Finanz- und der Haushaltsvollzugkommission zitiert. Ob die Regierung ihren Kurs nach der Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank am 12. Dezember noch einmal überdenkt?
Bereits im März warnte der mittlerweile verrentete Direktor der Steuerverwaltung Romain Heinen in einer Sitzung der Finanzkommission, dass die steuerlichen Maßnahmen vor allem zum Ziel hätten, die Nachfrage anzukurbeln. Wenn jedoch das Angebot nicht maßgeblich gesteigert werden würde, riskierten die Preise unter dem Einfluss der Besteuerung ab 2027 wieder anzusteigen. Es gelte demnach, genügend Baukapazitäten bereitzustellen, um der kommenden Nachfrage gerecht zu werden.
„Nicht irrational“
Michel-Edouard Ruben, Ökonom und Logement-Experte beim Thinktank IDEA, ist der Ansicht, dass es weder überraschend noch irrational ist, dass die Regierung vor allem die Nachfrage stützen will und sogar so weit gegangen ist, neue Beihilfen einzuführen. „Wohnungen müssen Käufer finden, und die Erhöhung der Kaufkraft der Haushalte – durch Wohnbeihilfen – trägt letztlich dazu bei, dass diese Nachfrage auf ein Angebot trifft“, erklärt Ruben auf Nachfrage des Tageblatt. „Die Grenze zwischen Angebots- und Nachfragepolitik ist in Wirklichkeit relativ verschwommen, und zwar umso mehr, wenn der Markt eher schlecht läuft.“ Die Nachfrage in Krisenzeiten zu stützen, habe also eine gewisse Logik.
Diese Politik aber gehe mit bestimmten Opportunitätskosten, Mitnahmeeffekten und verteilungsfeindlichen Effekten einher. Beispielsweise der Tatsache, dass diese Hilfen unverhältnismäßig stark an wohlhabende Haushalte gehen. „Die Frage nach diesen Opportunitätskosten muss ehrlich gestellt und angegangen werden, sobald die Marktbedingungen dies rechtfertigen und der Staat den Markt mit weniger Unterstützung seinen Lauf nehmen lassen kann“, sagt Ruben. Die Verantwortung, diesen Zeitpunkt zu finden, liege beim Finanzminister und beim Minister für Wohnungsbau.
Angesichts der anstehenden Budgetdiskussionen dürfte die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Maßnahmen die Abgeordneten in der Chamber durchaus beschäftigen. Die Regierung hält bisweilen an ihrem Kurs fest. Für eine Politik nach Bauchgefühl und des Hörensagens aber ist die Logement-Krise zu ernst. Den kommenden Generationen droht ob der Logement-Situation sonst vor allem eins: Bauchschmerzen und Magenkrämpfe.
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