Zwist mit Luxemburg / Deutschland beharrt bei Zurückweisungen auf eigene Rechtsauslegung – und eigene Zahlen
Die deutsche Bundespolizei weist bei ihren Grenzkontrollen noch immer Menschen nach Luxemburg zurück. Wie viele das sind, darüber gibt es je nach Seite von Sauer und Mosel unterschiedliche Ansichten. Werden die Luxemburger Behörden überhaupt informiert?
„Grenzkontrollen: Deutschland weist 32 Menschen zurück – aber nur zwei kommen in Luxemburg an“ – so titelte das Tageblatt am 13. Oktober. Auslöser für den Artikel waren enorme Differenzen in der Bilanz der Bundespolizei, die seit 16. September die Grenzen nach Luxemburg kontrolliert, und den Aussagen der Luxemburger Behörden. Die Bundespolizei sagte, dass in den ersten beiden Wochen der Kontrollen 32 Personen an der Grenze zu Luxemburg zurückgewiesen wurden. Die Luxemburger Regierung sagte aber, es seien nur zwei an die Luxemburger Polizei übergeben worden.
Auch am Prozess der Zurückweisung an sich meldete die Luxemburger Regierung Zweifel an. „Trifft die deutsche Polizei bei der Einreise eine Person aus einem Drittstaat an, die illegal einzureisen versucht, so sind die Behörden des Landes, über welches die versuchte Einreise stattfand – in diesem Fall Luxemburg – nicht zuständig“, hieß es von der Luxemburger Polizei. Und Innenminister Léon Gloden (CSV) erklärte, dass für Personen, die keinen Asylantrag an der Grenze stellten, ein „bilaterales Abkommen“ zwischen Deutschland und Luxemburg abgeschlossen werden müsse – und es bestehe keines.
Die Bundespolizei kommentiert Aussagen anderer Behörden grundsätzlich nicht und führt auch keine Rechtsberatungen durchKoblenz
Das Tageblatt konfrontierte die Koblenzer Bundespolizeidirektion mit den rechtlichen Bedenken der Luxemburger Regierung. Die Fragen blieben erst einmal unbeantwortet. Erst nach mehr als einem Monat – und einer Beschwerde beim Bundesinnenministerium – schrieb eine Sprecherin der Koblenzer Behörde: „Die Bundespolizei kommentiert Aussagen anderer Behörden grundsätzlich nicht und führt auch keine Rechtsberatungen durch.“
Die Maßnahmen der Bundespolizei stünden im Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben: Gemäß dem Artikel 14 des Schengener Grenzkodex wird Drittstaatsangehörigen, die nicht die alle Einreisebestimmungen aus Artikel 6 des Kodex erfüllen, die Einreise verweigert. Diese Bestimmungen sind nicht wenige. Sie reichen davon, dass ein Drittstaatler „keine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit darstellt“, über den Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels bis hin zu „ausreichenden Mitteln zur Bestreitung des Lebensunterhalts“.
13 Personen „ohne gültiges Reisedokument“
Die Behörde schlüsselt für das Tageblatt auch die Gründe auf, an denen die Einreise der betroffenen Personen an den Grenzen zu Luxemburg tatsächlich gescheitert ist (siehe Grafik). Insgesamt seien im Zeitraum vom 16. bis zum 30. September nicht 32, sondern 40 Menschen an der deutsch-luxemburgischen Grenze zurückgewiesen worden, die Zahl 32 stamme noch aus Daten eines „vorläufigen, nicht qualitätsgesicherten Sondermeldedienstes“. Von den 40 Betroffenen hatten 37 gegen Aufenthaltsbestimmungen oder Passbestimmungen verstoßen. Von ihnen versuchten 13 Personen, „ohne gültiges Reisedokument“ einzureisen.
Das – und das bestätigt die Luxemburger Polizei – kann theoretisch auch einem Luxemburger passieren, der nach Trier zum Shoppen fahren will und seinen Ausweis zu Hause liegen gelassen hat. Oder einer Krankenschwester aus Deutschland, die von der Arbeit aus Luxemburg kommt und ihren Personalausweis vergessen hat. Wohlgemerkt: Kontrolliert wird laut Bundespolizei nicht nur an den permanenten Checkpoints, alle anderen Grenzübergänge werden „mobil bestreift“.
Nicht genug Geld für den Lebensunterhalt
Zwei der Zurückgewiesenen wurden tatsächlich nicht nach Deutschland gelassen, obwohl sie offenbar ein gültiges Einreisedokument hatten – aber nicht über die „ausreichenden Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts“ verfügten. Zwei weitere hatten Einträge im Schengen-Informationssystem (SIS). Diese Einträge können von fälligen Rückführungen über ausstehende Haftbefehle bis reichen – oder Kinder, denen droht, von ihren Verwandten zu entführt werden. Oder auch Menschen davor schützen, „unrechtmäßig ins Ausland gebracht“ zu werden oder ohne Genehmigung dort einzureisen. Nur eine der 40 Personen stellte laut der Bundespolizei eine Gefahr dar.
Und wie kommt es nun zu der Differenz zu den Zahlen von Luxemburg? Das erklären die Bundespolizisten so: „Zurückweisungen setzen nicht zwangsläufig eine (angekündigte) Übergabe der jeweiligen Person(-en) an die Behörden des Nachbarstaates voraus, auch, da die Einreise der entsprechenden Personen in das Bundesgebiet sinnlogisch noch nicht erfolgt ist.“ Werden die Luxemburger Behörden also erst gar nicht informiert?
„Gute polizeiliche Zusammenarbeit“
Das Tageblatt hat abermals bei der Bundespolizei nachgefragt. Das Resultat: Obwohl eigentlich obige Abstimmungen gelten, will man sich zwischen den Behörden über das Thema anders geeinigt haben. Die Leitungen der Luxemburger Polizei und der Bundespolizei hätten vereinbart, dass die Deutschen „im Rahmen der guten polizeilichen Zusammenarbeit“ die Kollegen in Luxemburg vor jeder Zurückweisung informierten – „um so eine Entscheidung über die behördliche Übernahme von der luxemburgischen Polizei zu ermöglichen.“
Grenz-Statistik
Die Nachrichtenagentur dpa hat am vergangenen Freitag neue Zahlen der Bundespolizeidirektion Koblenz veröffentlicht, die für die Grenzen von Rheinland-Pfalz und dem Saarland zuständig ist. Demnach wurden dort vom 16. September bis 30. November 1.159 illegale Einreisen gezählt, davon 726 aus Frankreich, 370 aus Luxemburg und 63 aus Belgien. 535 Menschen seien nach Frankreich zurückgewiesen worden, 203 nach Luxemburg und 38 nach Belgien. Es gab auch „Zurückschiebungen“ und Abschiebungen. Da habe es in dem Zeitraum zwölf Fälle gegeben: sechs nach Luxemburg und sechs nach Frankreich. Bei den Kontrollen seien 17 Schleuser ins Netz gegangen.
Laut neuesten Zahlen der Bundespolizei ist die Zahl der Zurückweisungen inzwischen um einiges gewachsen. Bis Ende November hat es mindestens 203 Zurückweisungen im „Grenzabschnitt zu Luxemburg“ gegeben. Und über all diese Menschen wurden die Nachbarn informiert? Ein Sprecher der Luxemburger Polizei bezweifelt das im Gespräch mit dem Tageblatt am Freitag.
Er weist darauf hin, dass die Aussage, dass die Bundespolizei die Luxemburger informiere, auch nicht neu sei. Und das stimmt: Ein Sprecher der Trierer Bundespolizei sagte das schon am 16. September, als es mit den Grenzkontrollen losging. „Wir sprechen mit den Luxemburger Kollegen, und sagen, wen wir haben, und dass wir ihn zurückweisen“, sagte er. „Wir haben ein gutes Verhältnis zur Luxemburger Polizei.“
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