Kündigungen bei CASA / Missstände häufen sich – ADEM steht in der Kritik
Die Kündigung kam ohne Vorwarnung. Als im November 17 Beschäftigte der CASA Asbl mitgeteilt bekamen, dass sie ihren Job verlieren würden, war dies nur die Spitze des Eisbergs in einer sich häufenden Zahl von Missständen und Ungereimtheiten rund um die Hilfsorganisation, die einst ins Leben gerufen worden war, um Immigranten bei der Integration zu helfen. Eine zweifelhafte Rolle spielt dabei die Arbeitsagentur (ADEM).
Manuela Boggian ist noch heute wütend. „Ich war in der Woche vom 12. bis 17. November 2024 krank. Eine Kollegin warnte mich, dass bei der CASA schlimme Dinge vor sich gingen. So ging ich ins Büro und dort sagte mir die Verantwortliche, dass es ein Problem gebe und man sich mit der ADEM in Verbindung setzen müsse“, erinnert sie sich. Betroffen waren die Personen mit einer „Occupation temporaire indemnisée“ (OTI).
Ihnen war gesagt worden, dass ihr Vertrag auslaufen und nicht verlängert werden würde. Bei einem Treffen habe es geheißen, dass sie weder weiteren Anspruch auf Arbeitslosengeld noch auf eine andere Unterstützung von der ADEM hätten. „Man ließ uns einfach im Stich“, sagt Manuela Boggian. Die Französin ist eine von 17 Beschäftigten des „Centre d’appui social et associatif“, kurz CASA, die plötzlich auf der Straße standen.
Die in der hauptstädtischen Montée de Clausen ansässige Vereinigung war 1980 als Anlaufstelle für Immigranten von dem Portugiesen José Trindade gegründet worden. Nach eigenen Angaben kommen jedes Jahr mehr als 10.000 Menschen dorthin, um etwa an Sprachkursen in Luxemburgisch, Französisch und Deutsch teilzunehmen oder sich rechtliche, soziale und psychologische Beratung zu holen. Auch Kurse im Malen und Nähen und Musikunterricht soll es geben. Darüber hinaus verkauft die Organisation Produkte vorwiegend aus Portugal. „Das haben alles wir gemacht“, so die frühere Beschäftigte. Sie weist darauf hin, dass das Haltbarkeitsdatum vieler Produkte abgelaufen war.
Kontrollen von ADEM und ITM
Manuela Boggian war im Jahr 2022 zur CASA gekommen. Die heute 63-Jährige sollte im Sekretariat verschiedene Büroarbeiten von Korrespondenzen bis hin zu Marketingaufgaben erledigen. Ihr Mann hatte im Zuge der Covid-Pandemie seinen Handwerksbetrieb schließen müssen. Wie ihre nun ebenso von der Entlassung betroffenen Kollegen hatte sie eine OTI, einen temporären Arbeitsvertrag. Wenige Monate vor ihrer Rente hat sie nun ihren Arbeitsplatz verloren. Ungemach war bereits aufgekommen, als Beamte der ADEM und der Gewerbeaufsicht (ITM) zur CASA kamen, um Kontrollen durchzuführen. Außerdem war das Familienministerium der Zeitung Contacto zufolge auf Distanz zu der ASBL gegangen und hatte die Zusammenarbeit mit der Vereinigung eingestellt.
Die Unregelmäßigkeiten, um die es ging, „betrafen die Verwaltung von Arbeitsstunden und Urlaubstagen“, wie Manuela Boggian erklärte. Doch dies sollte nur ein Teil des Problems gewesen sein. Bereits ein halbes Jahr zuvor war eine ehemalige Beschäftigte der Vereinigung, die namentlich nicht genannt werden möchte, ans Tageblatt mit dem Vorwurf herangetreten, CASA würde die von ihr erwartete Integrationsarbeit nicht erfüllen: „Die Organisation leistet nicht die gemeinnützige Arbeit in dem Maße, wie sie vorgibt.“
Dazu gehören etwa Computer- und Sprachkurse, die jedoch nur zum Schein veranstaltet würden. Ein anderer früherer Mitarbeiter kann das bestätigen und berichtet von „fiktiven Kursen“, die José Trindades Vereinigung „nur dazu dienten, Geld vom Staat zu kassieren“. Zudem seien die Anwesenheitslisten von Kursteilnehmern unterschrieben worden, die gar nicht im Unterricht erschienen seien. Diese Vorwürfe werden von Trindade zurückgewiesen.
Dabei erhielt CASA laut Medienberichten sowohl vom hiesigen Bildungsministerium 80 Euro als auch vom portugiesischen „Instituto de Emprego e Formação Profissional“ (IEFP) 50 Euro pro Stunde – während die Kursleiter mit einem Mindestlohn abgespeist wurden. Darüber hinaus wurden auf Märkten oder Basaren portugiesische Produkte verkauft, von den Beschäftigten der CASA, nicht selten an Wochenenden. Etwa die Hälfte von ihnen waren am Hauptsitz der Organisation beschäftigt, der andere im Depot der CASA in Eich, wo unter anderem die zum Verkauf angebotenen Lebensmittel lagern. Dort wurden von der ITM und der Veterinär- und Tierschutzbehörde auch Unregelmäßigkeiten bei der Einhaltung der Hygiene- und Sicherheitsstandards festgehalten.
Hilfreiche Kontakte
Unregelmäßigkeiten wurden eben auch in Zusammenhang mit den OTI-Arbeitsverhältnissen festgestellt. Diese wurden von der ADEM bezahlt. Allerdings kann eine OTI-Maßnahme für Arbeitslosengeldempfänger von sechs Monaten um zwölf Monate verlängert werden, wenn die Betroffenen älter als 50 Jahre sind. Es gilt demnach eine Oberfrist von 18 Monaten. Wie Manuela Boggian sind einige der Beschäftigten schon länger bei CASA beschäftigt, manche schon drei oder vier Jahre – für die Organisation billige Arbeitskräfte.
Nicht zuletzt gibt es auch Ungereimtheiten bezüglich des Namens des Vereins. Denn gemeinnützige Vereine dürften keine OTI-Verträge abschließen, nur – laut Webseite der ADEM – „Staat, Kommunen, Gemeindeverbände, öffentliche Einrichtungen, Stiftungen sowie Unternehmen des Privatsektors, die von einem ‚Plan de maintien dans l’emploi‘ betroffen sind“. In der Regel sehen OTI-Verträge vor, dass die zwei monatlichen Urlaubstage jeden Monat genommen werden müssen. Doch José Trindade genehmigte die Kumulierung von Urlaub, damit „Leute zum Beispiel in den Urlaub nach Portugal fahren konnten“, berichtet Manuela Boggian. Andere, so die frühere CASA-Mitarbeiterin, seien einfach nicht zur Arbeit erschienen. Generell sei die CASA überbesetzt: „Es gibt zu viele Leute und zu wenig Arbeit.“
Doch was geschieht nun mit den früheren CASA-Beschäftigten, die ihren Job verloren haben? Die ADEM hat ihnen mitgeteilt, dass sie ihnen keine Garantie für die Zukunft geben könne. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld werde fallweise geprüft. Auf Anweisung der ADEM sollte CASA die OTI-Verträge in unbefristete Verträge für Langzeitarbeitslose umwandeln, in „Aide à la création d’un emploi insertion“ (EMI). Dabei sollte Trindade die ersten drei Monatsgehälter bezahlen, die zurückerstattet werden sollten.
Der CASA-Chef gab jedoch zu erkennen, dass er nicht alle bezahlen könne, weil er nicht über die nötigen Mittel verfüge. Deshalb könne er nur die Hälfte der Betroffenen einstellen. Eine Arbeitsplatzgarantie konnten weder ADEM noch CASA geben. Auch nicht für Manuela Boggian. „Meines Erachtens trägt die Arbeitsagentur eine Mitschuld“, sagt sie. Trindade habe auf eine gewisse Komplizenschaft durch seine Kontakte in die Politik, etwa zur hauptstädtischen Bürgermeisterin, zählen können. „Von außen war alles bestens“, so die frühere CASA-Mitarbeiterin. Die Organisation wurde für ihre Verdienste ausgezeichnet, Trindade erhielt 1996 vom damaligen Präsidenten Jorge Sampaio einen Verdienstorden und 2010 von der früheren Familienministerin Marie-Josée Jacobs ebenso einen. „Doch was dahinter war, davor hat man die Augen verschlossen.“
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