Affäre CASA / „Hätten wir alles so weiterlaufen lassen sollen?“: ADEM-Direktorin Isabelle Schlesser nimmt Stellung
Die Unregelmäßigkeiten im Fall um die Vereinigung CASA („Centre d’appui social et associatif“) mit ihrem Präsidenten José Trindade sind vielfältig. Die Arbeitsagentur musste deshalb eine Beschäftigungsmaßnahme stoppen. Etwa die Hälfte der Belegschaft verlor ihren Job. ADEM-Direktorin Isabelle Schlesser erklärt die Vorgehensweise ihrer Behörde, die zusammen mit der ITM Kontrollen bei CASA durchgeführt hatte.
Tageblatt: Frau Schlesser, wie beurteilen Sie die Situation im Fall CASA?
Isabelle Schlesser: Ich verstehe die Enttäuschung, Frustration und Wut der Betroffenen. Sie haben nichts falsch gemacht. Sie sind in einer ganz schwierigen Situation. Das ist aber nicht das Einzige. Als ich von den Ungereimtheiten erfahren habe, ordnete ich die Kontrollen an. Bei diesen stellten wir die Missstände fest. Was hätten wir tun sollen? Hätten wir alles so weiterlaufen lassen sollen, damit die Leute ihren Arbeitsplatz nicht verlieren? Wir mussten es stoppen und schlugen eine Lösung vor, die CASA nichts gekostet hätte. Sie hätten ihre Aktivitäten fortführen und alle Leute übernehmen können. Diese hätten einen festen Arbeitsvertrag bekommen, was bisher nicht der Fall war.
Dies wäre die Verwandlung von sogenannter „Occupation temporaire indemnisée“ (OTI) in „Emplois d’insertion“ (EMI) für Langzeitarbeitslosenverhältnisse gewesen.
Dies hat aber nur bei 18 der insgesamt 34 stattgefunden, bei denen es möglich gewesen ist und bei denen wir die Gehälter integral zurückerstatten. Das war eine Entscheidung, die nicht die ADEM getroffen hat. Auch nicht das „Ministère du Travail“, sondern die CASA selbst hat so entschieden. Eine OTI ist eine „mesure pour l’emploi“. Dabei handelt es sich nicht um einen Arbeitsvertrag, sondern um eine Maßnahme für Personen, die keine Arbeit finden, um sie für gemeinnützige Zwecke zu beschäftigen – in der Erwartung, dass sie eine Arbeit finden. In dieser Zeit sind sie weiter bei uns eingeschrieben und auf Arbeitssuche, aber vorübergehend für Vereinigungen, Stiftungen oder Gemeinden, und zwar für gemeinnützige Aktivitäten, nicht für kommerzielle.
Gilt dies auch für die EMI?
Die EMI sind zwar auch für gemeinnützige Tätigkeit, stellen aber ein anderes System dar. In diesem Fall entscheiden jedoch die Arbeitgeber, die Personen mit einem richtigen Arbeitsvertrag einzustellen, und bekommen dann die Gehälter zurückerstattet. Wenn es sich um Personen über 50 Jahre handelt, kann die Rückerstattung bis zur Pension gehen. Das findet alle drei Monate statt. Es kostet die Asbl rein gar nichts. Der große Unterschied ist, dass die Beschäftigten in diesem System einen richtigen Arbeitsvertrag haben. Und wenn sie entlassen würden, hätten sie auch Recht auf Arbeitslosengeld.
Was bei den OTI nicht der Fall ist?
Bei einer OTI erarbeitet man sich kein neues Recht auf Arbeitslosengeld. Weil es sich um keine Arbeitsverträge handelt. In diesem Fall haben es die betroffenen Personen nicht so verstanden. Aus ihrer Sicht haben sie bei der CASA gearbeitet und sind von einem Tag auf den anderen hinausgeworfen worden.
Wurden sie vielleicht nicht genügend informiert?
Das mag sein. Mir war es aber ganz wichtig, die Leute zusammenzurufen und ihnen zu erklären, dass ihre OTI enden. Die Alternative wäre normalerweise eine Benachrichtigung per Brief. Aber mir war das nicht ausreichend. Schließlich hatten sie gesehen, dass Kontrollen durchgeführt worden und Missstände aufgedeckt worden waren. Deshalb konnten wir das nicht einfach so weiterlaufen lassen.
Uns ist aufgefallen, dass ganz wenig fest angestellte Arbeitnehmer bei CASA sindADEM-Direktorin
Es gibt auch andere Bereiche, wo Unregelmäßigkeiten vorzuliegen scheinen. Dass etwa die Vereinigung nicht diese Dienste leistete, die sie als gemeinnützige Organisation zu leisten vorgab. Etwa zur Integration der Migranten, z.B. mit Sprachkursen. Auch schwebt der Vorwurf der Veruntreuung von Geldern über der Affäre.
Das ist aber nun etwas, dem die Staatsanwaltschaft nachgehen muss. In unserer Kompetenz liegen die Bereiche wie die Arbeitszeiten, Überstunden und Urlaube. Der andere Bereich, dass eventuell Gelder veruntreut wurden, das ist eine andere Sache. Bei uns geht es eher um die arbeitsrechtlichen Bedingungen. Und dass zum Beispiel zu viele Leute beschäftigt waren, obwohl wenig Arbeit da war. Was wir zusammen mit der Gewerbeaufsicht (ITM) in den Sommermonaten kontrolliert haben, hat sich bestätigt.
Was ist jetzt aber mit den 16 früheren Beschäftigten der CASA, deren OTI abgelaufen ist und die nicht übernommen wurden?
Wir sind dabei, für sie etwas zu suchen, was wir anbieten könnten. Einige haben schon etwas gefunden. Möglich sind verschiedene „Initiatives sociales“ und Beschäftigungsmaßnahmen wie zum Beispiel CIGL.
Finden Sie es nicht seltsam, dass das Personal einer Organisation fast ausschließlich aus Personen besteht, die in einer Maßnahme sind?
Es ist schon komisch. Uns ist aufgefallen, dass ganz wenig fest angestellte Arbeitnehmer bei CASA sind. Ein oder zwei. Hinzu kommen auch noch Mitarbeiter, die im Rahmen von Maßnahmen anderer Ministerien dort arbeiten. Dabei ist es nicht so, dass CASA keine Gewinne macht. Diese sollen jedoch für soziale Zwecke genutzt werden.
Dringlichkeitssitzung beantragt
„Déi gréng“ wollen, dass zur Affäre CASA so schnell wie möglich eine gemeinsame Sitzung der parlamentarischen Kommission für Arbeit und der Kommission für Familie, Solidarität, des Zusammenlebens, der Aufnahme, der Gleichstellung der Geschlechter und der Vielfalt einberufen wird. Dabei sollen die betreffenden Minister sowie Vertreter der ADEM anwesend sein. Thema: die Unregelmäßigkeiten innerhalb der Vereinigung.
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