Belarus / Perfekt inszenierte Wahlfarce: Lukaschenko lässt sich als „Staatspräsident“ bestätigen
Der belarussische Langzeitherrscher Alexander Lukaschenko steht vor einer neuen Amtszeit. Anders als 2020 muss der Putin-Vasall keine großen Proteste befürchten.
„Ich habe keine Zeit für die Wahlkampagne“, sagt Alexander Lukaschenko und zeigt sich seinem Volk wieder einmal als Sportler. In Minsk spielt der Dauerherrscher von Belarus, beäugt von seinen Leibwächtern, wieder einmal Eishockey, seinen Lieblingssport.
Am Sonntag will sich der 70-jährige ehemalige Geschichtslehrer zum bereits sechsten Mal seit 1994 im Amt bestätigen lassen. „Ich verfolge die aktuelle Kampagne nicht; heute zählen Taten, nicht Worte“, erklärte Lukaschenko Mitte der Woche einer Handvoll regimetreuer Journalisten. Eigene Experten trauen ihm diesmal einen Wahlsieg jenseits der 90%-Hürde zu. Im Sommer letzten Jahres hatte der Diktator von Belarus seine minutiös geplante Wiederwahl überraschend vom Sommer auf Ende Januar 2025 verlegt.
Im Winter demonstriert es sich schlechter
Das Regime in Minsk fürchtet trotz aller öffentlich zur Schau gestellten Siegesgewissheit nämlich eine Wiederholung der großen Volksproteste von 2020. Und im Winter demonstriert es sich schlechter. Dies ist die Lehre, die Lukaschenko aus seinem Schreckensjahr vor fünf Jahren gezogen hat, als im warmen August und September Hunderttausende gegen ihn auf die Straße gingen. Damals hatte der Diktator die Wahlen auf den Sommer verschoben, in der Hoffnung, die Bürger blieben wegen der Ferienzeit von den Urnen weg. Doch die Verhaftung gleich mehrerer Oppositionskandidaten kurz vor dem Wahltag hatte bei seinen Untertanen zusammen mit einem fatalen Corona-Management das Fass zum Überlaufen gebracht.
Als mutmaßliche Wahlsiegerin gilt seither die damals weitgehend unbekannte Hausfrau Switlana Tichanowskaja, die anstelle ihres verhafteten Mannes Siarhej Tichanowski als Kandidatin der letzten Minute registriert wurde. Tichanowskaja lebt heute in der litauischen Hauptstadt Vilnius und ist die Oppositionsführerin der inzwischen zu Hunderttausenden ins EU-Exil geflüchteten Belarussen. Von ihrem inhaftierten Ehemann hat sie seit Monaten nichts mehr gehört, so wie viele Angehörige der mindestens 1.300 politischen Gefangenen Lukaschenkos.
Denn der Diktator ließ 2020 die wochenlangen Demonstrationen mit russischer Hilfe brutal niederschlagen. Tausende Protestierende wurden verhaftet; noch heute werden von Lukaschenkos Polizeiapparat Videoaufnahmen der Demonstrationen von 2020 ausgewertet und neue Strafverfahren aufgegleist. Das Strafmaß wird dabei immer höher, unter fünf Jahren Arbeitslager kommt kaum jemand weg.
Auch im Wahlkampf, für den Lukaschenko keine Zeit hat, wurden seit Neujahr 20 Wissenschaftler und Journalisten wegen angeblicher Verbindungen zu Swetlana Tichanowskaja verhaftet und sofort abgeurteilt. In der gleichen Zeit fanden über 100 Hausdurchsuchungen statt.
Auf der anderen Seite hat das Regime die Wahlfarce wie jedes Mal in den letzten 25 Jahren perfekt inszeniert. Die einzige Neuerung ist, dass diesmal erstmals in den belorussischen Konsulaten im Ausland keine Urnen mehr aufgestellt werden. Damit können bis zu einer Million Exil-Belarussen an den so genannten „Präsidentenwahlen“ nicht teilnehmen. Dazu hat sich Lukaschenkos Zentrale Wahlkommission besonders viel Mühe gemacht, überhaupt keine unabhängigen Kandidaten mehr zuzulassen. Lukaschenko hat zwar vier Gegenkandidaten, doch sind sie allesamt handverlesen. Darunter befindet sich ein Polizist, zwei regimetreue Kommunisten und die Tochter eines angeblich oppositionell eingestellten Oligarchen.
Oppositionsführerin will keine Verhaftungswelle
Tichanowskaja hat die „Wahlen“ wiederholt eine „völlige Farce“ genannt und ihre noch in Belarus verbliebenen Anhänger dazu aufgerufen, für die Option „gegen alle“ zu stimmen. Zudem sprach sich die Oppositionsführerin aus dem Exil gegen Nachwahlproteste in Belarus selbst auf. Damit soll eine neue Verhaftungswelle vermieden werden.
Laut einer Umfrage der Lukaschenko-treuen Soziologieprofessorin Irina Laschut wollten Mitte Januar 82,5 Prozent der Wahlberechtigten für Lukaschenko stimmen. 7,9 Prozent gaben an, die Option „gegen alle“ ankreuzen zu wollen. Mit nur 2,9 Prozent können demnach die vier Gegenkandidaten des lokalen Gewaltherrschers von Putins Gnaden rechnen. Nur jeder Fünfzehnte will der Urne fernbleiben.
Brüssel und Washington haben bereits angekündigt, auch diese „Wiederwahl“ Lukaschenkos nicht anzuerkennen. Mit ein Grund dafür ist die Tatsache, dass sich Lukaschenko völlig vom Kreml abhängig gemacht und sein Land 2022 für den russischen Truppenaufmarsch gegen Kiew zur Verfügung gestellt hat. „Belarus ist de facto kein unabhängiges Land mehr, sondern ein russischer Vasallenstaat“, heißt es dazu bei der Regierung in Warschau, die sich seit 1992 intensiv um die Demokratie in Belarus eingesetzt hat.
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