Deutschland / Die Union reitet weiter auf der Rasierklinge

Der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (M.) – hier neben dem CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann (l.) und dem NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (r.) – wurde auf dem Parteitag gefeiert
Auf ihrem Parteitag präsentiert sich eine trotzige CDU – jeder erzählt jedem, was er in diesen aufgewühlten Tagen erlebt. Vor allem schließt die Union die Reihen hinter ihrem Kanzlerkandidaten. Und Friedrich Merz gibt erneut ein Versprechen ab.
Bei diesem Parteitag ist der Blick auf die Uhr besonders spannend. Als Friedrich Merz also mit seiner Rede endet, springen die Delegierten auf und jubeln wieder kräftig. Die Zeit läuft. Vier Minuten, fünf schließlich sind es über sechs Minuten stürmischer Applaus. Die Union klatscht sich und ihrem Kandidaten Mut und Zuversicht zu. Nach aufwühlenden Tagen.
Direkt gegenüber vom Berliner „CityCube“, wo der Parteitag der CDU stattfindet, stehen die Avus-Tribünen der alten Berliner Rennstrecke. Die SPD hat es geschickt eingefädelt, den 1.001 Delegierten ihre Botschaften per digitalen Bannern an den Tribünen mit auf den Weg in die Halle zu geben: „Mitte statt Merz“, liest man. Oder: „Bei Schwarz-Blau sehen wir Rot“. Darum geht’s, seit Merz im Bundestag für Asylverschärfungen die Hilfe der AfD in Kauf genommen hat.
Unter den Delegierten ist dies das Thema. Und, ob der „Move“ – ein Wort, das man häufig hört – im Bundestag richtig gewesen ist oder nicht. Einer berichtet aus seinem Wahlkreis: „Die Stimmung ist aufgeheizt.“ Ein anderer erklärt: „Es gibt viel Zuspruch.“ Es geht hin und her. Vielleicht sei der „Move“ die letzte Chance, „Wähler davon abzubringen, die AfD zu wählen und stattdessen uns. Die merken jetzt, wir meinen es wirklich ernst.“ Andere ballen freilich die Faust in der Tasche – nicht zuletzt, weil sich der Protest gegen Merz und seinen Kurs vor Ort teils gewalttätig entlädt.
Unterstützung erhält Merz ausdrücklich von der Riege der Ministerpräsidenten, vom Hessen Boris Rhein, vom Sachsen Michael Kretschmer, auch NRW-Mann Hendrik Wüst meldet sich zu Wort. Er ruft: „Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass wir die illegale Migration beenden.“ Man werde dies nach der Wahl mit einer „Allianz der Mitte“ machen. Wen er genau meint, bleibt offen. Wüst bringt damit aber ein Problem auf den Punkt: Die Suche nach einem Koalitionspartner ist nun mehr als schwierig. Mit wem man das auf dem Parteitag einstimmig beschlossene 15-Punkte-Sofortprogramm für mehr Wohlstand und Sicherheit sowie die Asylverschärfungen umsetzen will, bleibt offen. Kritik an Merz gibt es in den Redebeiträgen nicht. Das hatte mancher anders erwartet.
Vom „Schlafwagen“ zur „Achterbahnfahrt“
Für Merz und seine CDU ist das Vorgehen des Kanzlerkandidaten weiterhin ein Ritt auf der Rasierklinge. Geht seine Strategie auf, wird die AfD kleiner und die Union stärker, „dann werden wir ihn als großen Strategen feiern“, so ein Vorstandsmitglied. Trotz des politischen Kollateralschadens, der entstanden ist. Wenn aber nicht, hat Merz einen sicher geglaubten Sieg bei der Bundestagswahl womöglich versemmelt; selbst sein politisches Überleben nach der Wahl könnte infrage gestellt werden. Merz, so heißt es, wisse das. Hopp oder Top. In den Umfragen tut sich derzeit jedenfalls noch nichts für die Union.
Wir werden mit der Alternative für Deutschland nicht zusammenarbeiten, vorher nicht, nachher nicht, niemalsCDU-Kanzlerkandidat
Vor der mit Spannung erwarteten Merz-Rede tritt noch ein anderer ans Pult – CSU-Chef Markus Söder ist extra nach Berlin gereist. Seit Wochen sind er und Merz darum bemüht, ihre große Einigkeit unter Beweis zu stellen. Doch es gab Risse, die Christsozialen meckerten schon, dass der Wahlkampf von Merz zu viel „Schlafwagen“ sei; nun ist von „Achterbahnfahrt“ die Rede. Der bayerische Ministerpräsident kommt zügig zur AfD. „Sie wollen uns zerstören, wir sind ihnen im Weg.“ Am Ende sei es nur die Union, die die Rechten aufhalten könne. „Nein, nein, nein zu jeder Form der Zusammenarbeit mit der AfD“, ruft Söder – und er wird bejubelt.
Dann geht er konkret auf das Vorgehen von Merz im Bundestag ein. Das sei ein „steiler Move“ gewesen, witzelt Söder. Der CDU-Chef habe aber eine „Leitentscheidung“ getroffen, wie es ein künftiger Kanzler tun müsse. Merz habe dabei Unterstützung verdient. Danach wird auch Söder gefeiert.
Die AfD soll eine Randerscheinung werden
In seiner Rede versucht Merz dann, etwas die Luft aus den Ereignissen zu lassen. „Alle großen Richtungsentscheidungen unseres Landes verbinden sich mit unserem Namen“, hebt er hervor. Sehr viele davon seien hart umkämpft und oftmals „erst im Konflikt mit unseren politischen Wettbewerbern errungen worden“. Merz listet historische Bewährungsproben auf, die die Unions-Kanzler bestehen mussten. Es wirkt, als ob er sich und sein Vorgehen da schon einreiht. Merz erklärt: „Wir stehen heute wieder vor weitreichenden Entscheidungen“, die erkämpft werden müssten. In der Migrationspolitik glaubt er, die „große Mehrheit der Bevölkerung“ hinter sich zu haben. Deshalb müsse man Kurs halten.
Der Kandidat appelliert an die Geschlossenheit der Partei: „Wir haben immer dann die politischen Auseinandersetzungen gewonnen, wenn wir zusammengestanden und zusammengehalten haben. So wie jetzt auch wieder in diesen Tagen.“ Er dankt für „Standhaftigkeit“. Und Merz gibt erneut ein Versprechen ab: „Wir werden mit der Alternative für Deutschland nicht zusammenarbeiten, vorher nicht, nachher nicht, niemals.“ Die Delegierten springen auf und jubeln. „Es gibt keine Zusammenarbeit, es gibt keine Duldung, es gibt keine Minderheitsregierung, gar nichts“, legt Merz nach. Man wolle die Partei klein und zu einer Randerscheinung machen – wieder gibt es Standing Ovations. Merz will Zweifel unbedingt ausräumen. Es ist wohl auch bitter nötig.
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