/ Das Kind der digitalen Revolution
Das Konzept der künstlichen Intelligenz (KI) ist nicht neu. Die Idee, dass Maschinen lernfähig sein können, gab es schon in den 1950ern. Doch erst seit den 2010er Jahren macht diese Technik große Fortschritte.
Unter dem Ausdruck „künstliche Intelligenz“ wird oft nur eine einzelne Technologie verstanden, schreibt Moody’s in einer Analyse. Doch das stimme nicht ganz. „KI ist die Kombination einer ganzen Reihe fortschrittlicher Techniken, die, wenn sie zusammengeführt werden, ‚intelligent‘ handeln. Das heißt sie nehmen ihre Umwelt wahr und können sich selbst anpassen, um ein Ziel zu erreichen“, so die Definition von Moody’s.
Der Begriff „künstliche Intelligenz“ geht auf ein Forschungsprojekt aus dem Jahr 1956 zurück, das von der Annahme ausging, dass „grundsätzlich alle Aspekte des Lernens und anderer Merkmale der Intelligenz so genau beschrieben werden können, dass eine Maschine zur Simulation dieser Vorgänge gebaut werden kann“.
Es solle daran geforscht werden, „wie Maschinen dazu gebracht werden können, Konzepte zu entwickeln, die Probleme von der Art, die zurzeit dem Menschen vorbehalten sind, zu lösen, und sich selbst weiter zu verbessern“, so ein Papier aus dem Jahr 1956.
Exponentielles Wachstum
Doch erst in den vergangenen Jahren erleben KI-Anwendungen ein exponentielles Wachstum. Ermöglicht wurde dies durch die digitale Revolution. Zwischen den Jahren 2005 und 2017 ist der Anteil der weltweiten Internetnutzer von 16 Prozent der Bevölkerung auf fast 50 Prozent gestiegen. Die Kosten, um ein Gigabyte Daten zu speichern, ist in dem gleichen Zeitraum von knapp 20 Dollar auf nur noch 70 Cent gefallen.
„Schnellere Computer, größere Datenbanken und Fortschritte bei der Programmierung von Algorithmen erlauben heute komplexere Rechenleistungen, als es mit älteren Mikroprozessoren der Fall gewesen war“, schreibt Moody’s. Zusätzlich würden durch den weltweiten Siegeszug der Smartphones seit ein paar Jahren immer mehr Rohdaten anfallen, die die KI mit besseren und mehr Daten versorgen. „Die Entwicklung der KI baut auf den Fortschritten auf, die im 20. Jahrhundert gemacht worden sind“, meint Moody’s.
Urbane Legende
In Forscherkreisen gibt es heute eine urbane Legende, die eine andere Erklärung für das verspätete Durchstarten der KI liefert: In den 1950-60er Jahren hätte das Pentagon Forschungsprojekte finanziert, die KI entwerfen, welche getarnte Panzer in Gegenden mit vielen Bäumen erkennen können sollen.
Dazu soll die Maschine sowohl mit 50 Fotos von getarnten Panzern in Umgegenden mit Bäumen als auch mit 50 Fotos, die lediglich Bäume und keine Panzer beinhalteten, gefüttert worden sein. Das Resultat sei zu Beginn sehr vielversprechend gewesen. Die KI soll alle Panzer erkannt haben. Später jedoch soll sich herausgestellt haben, dass die Fotos von den Panzern mit Bäumen an bewölkten Tagen geschossen worden seien und die anderen sonnigen Tagen.
Langer, kalter „KI-Winter“
Die KI soll es daraufhin also nicht geschafft haben, feindliche Panzer, die versteckt waren, zu finden. Ihr soll es lediglich gelungen sein, zwischen sonnigen und bewölkten Tagen zu unterscheiden. In der Folge seien die Investitionen in die künstliche Intelligenz zurückgefahren worden und die Forschung sei während mehrerer Jahrzehnten in einen „KI-Winter“ eingetreten.
Dieser Winter ist nun vorbei, daran besteht kein Zweifel. Schätzungen vom Beratungsunternehmen McKinsey zufolge sollen im Zeitraum 2013-2016 zwischen 26 und 39 Milliarden Dollar in die Erforschung von KI investiert worden sein. Vor allem zehn große amerikanische Technologieunternehmen seien hierfür verantwortlich.
Laut Moody’s soll der Google-Mutterkonzern Alphabet elf Milliarden Dollar Barmittel besitzen, die auch für Forschung ausgegeben werden können. Apple soll im Jahr 2017 rund 39 Milliarden freien Cashflow erwirtschaftet haben. Dieses Geld würde einerseits in Forschung investiert werden, anderseits würden die zehn Unternehmen auch viele kleine KI-Unternehmen aufkaufen.
„Durch solche Übernahmen gelangen die Tech-Firmen nicht nur an das Know-how und an den Kundenstamm dieser Firmen, sondern auch an kompetente Mitarbeiter, die eine wesentliche Ressource darstellen“, so Moody’s.
Mittels KI-Anwendungen können Unternehmen ihre Kosten drücken, die Kapitalzuteilung optimieren und wiederkehrende Aufgaben automatisieren. Zudem können sie dabei helfen, die Forschung und Entwicklung zu optimieren, und können so zu „substanziellen Produktivitäts-Steigerungen“ beitragen. „Sie sparen Zeit und Geld“, meint Moody’s.
Mehr Gewinn dank KI
Das muss jedoch nicht immer der Fall sein. „Es könnten aber auch neue Teilnehmer in den Markt eintreten, die die Kostenvorteile der KI an die Kunden weitergeben und mit den eingesessenen Unternehmen in einen Preiskampf eintreten.“ Auf jeden Fall glaubt Moody’s, dass Unternehmen, die die KI frühzeitig anwenden, „kompetitive Vorteile“ gegenüber der Konkurrenz haben.
Moody’s bringt diese Entwicklung auch mit der Überalterung der Gesellschaften, einem ganz anderen Bereich, in Verbindung. „KI kann die negativen Auswirkungen der Überalterung kompensieren“, so das Unternehmen. Firmen, die Arbeitsschritte in andere Länder ausgelagert haben, könnten diese Aktivitäten durch den Einsatz der KI wieder in ihre Heimatländer zurückbringen. Auch dies zählt Moody’s zu den möglichen Auswirkungen dieser Entwicklung.
Doch bis es so weit ist, könnte noch einige Zeit vergehen. „Viele Hürden stehen der flächendeckenden Einführung von KI noch im Weg“, sagt Moody’s. Große Summen müssten noch investiert werden und die Unternehmen müssten auch die „gesetzlichen Risiken“ beachten. „Die KI wirft Fragen in den Gebieten der Zuverlässigkeit, der Vertraulichkeit und der Privatsphäre auf“, meint Moody’s.
Anwendungsgebiete
Laut Moody’s gibt es drei Sektoren, die besonders von der KI profitieren könnten: der Hightech-Bereich, die Automobilindustrie und die Banken.
„Intelligente persönliche Assistenten sind die sichtbarste Anwendung der KI“, meint Moody’s. Auf fast allen Smartphones können Programme wie „Google Assissent“, „Siri“ von Apple, „Alexa“ von Amazon oder Microsofts „Cortana“ laufen.
Vor drei Jahren soll „Alexa“ nur rund ein Dutzend Funktionen gehabt haben. Heute seien es schon 15.000. Solche Assistenten könnten zunehmend auch komplexere Aufgaben übernehmen, meint Moody’s. Dann würden auch mehr Anwender bereit sein, diese zu nutzen.
Im November des vergangenen Jahres kündigte Google das Waymo-Projekt an. Zum ersten Mal fuhr ein sich autonom bewegendes Auto mit leerem Fahrersitz über öffentliche Straßen. Im Jahr 2016 sollen nur elf Unternehmen die Freigabe gehabt haben, solche Wagen auf kalifornischen Straßen zu testen. 2017 sollen es schon 44 gewesen sein. Moody’s erwartet, dass das selbstfahrende Auto im Jahr 2025 marktreif sein wird. Dies ist jedoch nicht die einzige Anwendung von KI im Automobilbereich.
Big Data
Intel schätzt, dass ein autonom fahrendes Auto vier Gigabyte Daten pro Tag sammelt. „Der Verkauf dieser Daten könnte sich zu einem neuen Geschäftsmodell für die Autoindustrie entwickeln.“ „Roboter-Taxis“ könnten eine weitere Anwendung sein. Banken hätten schon seit Jahrzehnten viel Erfahrung im Sammeln und Analysieren von Daten gesammelt. Mit der Einführung von KI könnte dieser Bereich einen bedeutenden Schub bekommen.
Die Entscheidungsfindung könne so „besser und schneller“ getätigt werden und es könne an Personalkosten gespart werden. Außerdem könnten die Interaktionen mit Kunden teilweise von Chatbots ausgeübt werden.
Ein weiterer Punkt, in dem die KI bereits heute eine Rolle spielt, sind „Roboter-Berater“. Moody’s meint, dass heute schon ein Vermögen in einer Höhe von 200 Milliarden Dollar von Computern verwaltet wird. In Zukunft sollen es wohl noch mehr werden, da die technikbegeisterten Millennials in ein Alter kommen, in dem sie genügend Geld übrig haben, das angelegt werden kann.
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