/ Die Allrounderin
Wissenschaftlerin, Lehrerin und Managerin eines siebenköpfigen Teams mit einem ehrgeizigen Forschungsprogramm. Prof. Dr.-Ing. Danièle Waldmann-Diederich braucht mitunter mehr als einen Achtstundentag, um ihren vielfachen Anforderungen gerecht zu werden. Ein Gespräch mit der studierten Bauingenieurin eröffnet neue Horizonte.
„Das Leben eines Forschers besteht aus Labor, aus der Ausarbeitung und dem Management neuer Projekte, einer breit gefächerten Veröffentlichungspalette und der Beteiligung an möglichst vielen internationalen Kongressen, um die Ergebnisse seiner Arbeit vorzustellen.“
Mit dieser Beschreibung wird Danièle Waldmann ihrer Arbeit allerdings nur zum Teil gerecht. Sie ist neben der reinen Forschung auch eine begeisterte Lehrerin. Mit der Leitung einer Studieneinheit und der Konzipierung ihrer Forschungsprojekte wurde sie zudem noch zur perfekten Managerin. „Die Projekte müssen wissenschaftlich bis ins letzte Detail ausgereift sein. Und ihre Finanzierung muss gesichert sein“, erklärt die Forscherin.
Gegenwärtig arbeitet sie an einem ehrgeizigen Projekt, bei dem es um die Wiederverwertbarkeit und um die weitere Nutzung von ganzen Bauelementen geht. Dabei werden Aspekte der Architektur, die Ausarbeitung von verschiedenen Lösungen basierend auf Verbundkonstruktionen aus Beton-Stahl und aus Beton-Holz, die Modularität von technischen Installationen sowie auch die Alterung der Elemente und die Digitalisierung der Daten in die Forschung miteinbezogen.
Ziel ist es, Gebäude auch nach deren Lebensdauer als Materialbank wertzuschätzen. „Die wenigsten Gebäude werden abgerissen, weil sie baufällig sind“, veranschaulicht sie ihre Arbeit. Viel häufiger seien technische oder architektonische Neuorientierungen ausschlaggebend. „Wenn man das Rohmaterial abbauen, auflisten, aufbewahren und wiedereinsetzen könnte, wäre das ein Riesengewinn.“
Wiederverwertbare Bauelemente
Mehr als drei Millionen Euro sind vorgesehen, wobei 40% über europäische Gelder finanziert werden, an dem aber auch luxemburgische Unternehmen interessiert und beteiligt sind. Ist damit die Frage nach der Ablagerung von Bauschutt und den überfüllten Deponien vom Tisch? Danièle Waldmann muss lachen. So schnell geht es nicht. Ihre Arbeit steht erst am Anfang. Bis die wiederverwendbaren modularen Bauelemente in der Praxis zur Regel werden, müssen sich Wissenschaftler darüber den Kopf zerbrechen. ArcelorMittal, Chaux de Contern, Cimalux und „Ponts et Chaussées Luxembourg“ sind Partner in den verschiedenen Forschungsprojekten.
Ein erster Doktorand hat seine Arbeiten über Mauersteine, die, ähnlich wie Legosteine, ohne Mörtel in der Horizontalfuge miteinander verbunden werden, vor zwei Jahren erfolgreich abgeschlossen. Seine Doktorarbeit wurde in London von der „International Masonry Society“ mit einem Preis ausgezeichnet. Ein zweiter Student macht zurzeit ebenfalls seine Doktorarbeit zu diesem Thema. Solche Aktionen ziehen den Blick auf die Recherche, die auf Kirchberg in den ehemaligen Räumlichkeiten des IST gemacht wird.
„Der Mörtel, der bislang die Ziegel oder Betonelemente miteinander verbindet, dient gewissermaßen als Ausgleichsschicht für Imperfektionen. Er sorgt dafür, dass das Gewicht, das die Mauern tragen müssen, gleichmäßig verteilt wird. Wenn wir auf diesen Mörtel verzichten wollen, müssen wir dafür sorgen, dass die vorhandenen Imperfektionen nicht zu Spannungsspitzen und damit zu einer frühzeitigen Rissbildung führen“, veranschaulicht Danièle Waldmann die Forschung.
Bei einem weiteren Projekt studiert sie, in Zusammenarbeit mit „Ponts et Chaussées“, den statischen Zustand und die Belastbarkeit der hiesigen Brücken. Ziel ist es, von einer Drohne aus mithilfe der Fotogrammetrie die Verformung der Brücke in Bildern festzuhalten und die Ergebnisse dann wissenschaftlich auszuwerten, um auf ihren Zustand rückschließen zu können. Danièle Waldmann blüht nicht nur in ihrer Forschung auf. Mit der gleichen Begeisterung versieht sie das Lehramt. Die Wertevermittlung liegt ihr am Herzen.
Schon vor dem Abschluss ihres Studiums hatte die Tochter des vormaligen Direktors der Escher „Ecole Marie-Consolatrice“ an der Privatschule unterrichtet. Allein dafür ist sie der Aufforderung, ab 2003 Mitglied der neu gegründeten Uni Luxemburg zu werden, seinerzeit mit Begeisterung nachgekommen. „Der Aufbau einer völlig neuen Uni war ein echtes Abenteuer, wir mussten alles Bestehende überdenken, um die Ausbildung den universitären Vorgaben anzupassen“, sagt sie rückblickend. Das Gesetz hatte dieser neuen Uni zwar ihren rechtlichen Rahmen gegeben, aber nicht alle Funktionsregeln festgehalten.
Pionierin der Uni Luxemburg
Der Auftrag war allerdings klar. Die bis dahin geltende Ingenieursausbildung am „Institut supérieur de technologie“ sollte übernommen und verbessert werden. Entstanden sind somit einerseits ein eher praktisch ausgerichteter Bachelor-Abschluss (dreijährige universitäre Ausbildung) sowie eine zweite akademische Ausbildung bei der der Bachelor auf einen Master-Abschluss vorbereitet, beziehungsweise Doktoranden an Forschungsprojekten arbeiten.
Seit der Schaffung der Uni Luxemburg hat sich das Ausbildungs-Angebot verdoppelt, die „Faculté des sciences, de la technologie et de la communication“ bietet heute für Bauingenieure fünf verschiedene Studiengänge an. 18 Doktoranden hat Danièle Waldmann seither bei ihren Arbeiten begleitet, ihre jetzige Arbeitsgruppe besteht aus fünf Doktoranden und zwei PostDocs. Eine akademische Anerkennung gab es auch für die Wissenschaftlerin. Sie ist seit 2015 „Senior Fellow“ der britischen „Higher Education Academy“ und der erste Luxemburger Hochschullehrer, der diesen Titel trägt. Diese internationale Anerkennung krönt eine bislang geradezu modellhafte Karriere.
Architektur wollte die damals 19-Jährige Escherin in Kaiserslautern studieren. Doch bereits bei der Beratung spürte die begeisterte Mathematikerin, dass der technische Aspekt sie mehr interessierte als der kreative und ging in den Ingenieursbereich, wo sie das Fach Massivbau vertiefte. Der Schinkel-Preis, eine Ehrung des Architekten- und Ingenieurs-Vereins in Berlin, sowie der Konrad-Freytag-Preis der Universität Kaiserslautern bestätigten ihr Engagement, das 2002 mit einer Doktorarbeit endete.
Kurz zuvor schon war Danièle Waldmann zurück nach Luxemburg gekommen, wo sie zunächst für die Holding „Eurobeton“ Forschungs- und Entwicklungsarbeiten machte und parallel am „Lycée technique des arts et métiers“, sowie am damaligen „Institut supérieur de technologie“ unterrichtete. „Ich habe immer versucht, Forschung und Lehre miteinander zu verbinden“, bestätigt die Wissenschaftlerin, die seit 2016 das „Institute for Civil Engineering and Environment“ (Inceen) leitet, genau wie den „Master of Science in Civil Engineering – Megastructure Engineering with Sustainable Resources“.
„Auf internationale Seminare kann ich nicht so oft gehen, wie ich das eigentlich gerne möchte“, sagt die zweifache Mutter mit leichtem Bedauern. Dafür hat sie sich mittlerweile ein intensives Netzwerk an universitären Partnerschaften in der Großregion, in Belgien, Deutschland, Frankreich und der Schweiz aufgebaut. Zu der hohen Veröffentlichungsrate, auf die die Uni Luxemburg sehr stolz ist, konnte sie ebenfalls in der letzten Zeit vieles beitragen, nicht zuletzt weil sie akribisch dafür sorgt, dass ihre Arbeiten in hochkarätigen Publikationen erscheinen. „Das ist wichtig für unsere Sichtbarkeit und Identität“, unterstreicht sie nochmals.
Von dieser starken internationalen Anerkennung erwartet sie auch eine Aufbesserung des Markenbildes des Ingenieurberufes, der allzu häufig als Stiefkind der hiesigen universitären Ausbildung erscheint. Auf dem internationalen Finanzplatz haben die juristische und wirtschaftliche Ausbildung bei gleich langer Ausbildung einen weitaus höheren Stellenwert und bessere Lohnmöglichkeiten als der Ingenieursberuf. Dabei mangelt es nicht an Arbeitsplätzen, die von der Uni Luxemburg ausgebildeten Bauingenieure sind bei den hiesigen Ingenieursbüros gern gesehene Mitarbeiter. An der Uni wird derweil an weiteren Projekten über die Wiederverwertung von Abfallstoffen als Zementersatz oder Mauersteine auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen gearbeitet. Und dann steht auch der in etwas mehr als einem Jahr geplante Umzug nach Belval an.
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