/ Ein „Erdschiff“ für neue Wege in die Zukunft: In Redingen wird ein Haus aus Abfall gebaut
Es besteht aus Dingen, die normalerweise im Müll landen (alte Autoreifen, gebrauchte Flaschen …) und produziert selbst seine Energie. In Redingen entsteht gerade das erste „Äerdschëff“ in Luxemburg. Das Gebäude stellt Sicht- und Denkweisen in Frage.
Fotos von Didier Sylvestre
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„Ein Schiff zum Nachdenken“
Das Projekt
Die Bauarbeiten für das „Äerdschëff“ haben Ende Juli begonnen. Finanziert wird es vom „Œuvre nationale de secours Grande-Duchesse Charlotte“, dem Umweltministerium und dem Ministerium für Nachhaltige Entwicklung und Infrastruktur.
2015 bot eine Anschubfinanzierung der EU über 30.000 Euro aus dem Leader-Programm, das die Entwicklung des ländlichen Raumes focussiert, die Möglichkeit, an der von Michael Reynolds gegründeten „Earthship Academy“ in New Mexico eine fünfwöchige Ausbildung zu machen. Rodrigo Vergara und CELL-Gründerin Katy Fox haben daran teilgenommen. Die Kosten für das Projekt in Redingen belaufen sich auf insgesamt eine Million Euro.
Das Haus beinhaltet auf rund 300 Quadratmetern einen großen Seminarraum, eine Küche, ein behindertengerechtes Bad, einen Vorrats- und Technikraum und zwei Schlafzimmer. Die Schlafzimmer belegen die Freiwilligen von CELL. Der Bau soll bis Mitte 2020 fertiggestellt sein.
Der deutsche Anbieter modulheim.de beziffert die Kosten für ein „Earthship“ mit zwischen 250.000-500.000 US-Dollar. Für einen Bauplan von Reynolds’ Firma „Earthship Biotecture“ fallen laut der gleichen Quelle zwischen 1.000 und 8.000 Dollar an.
Die rund 30 Helfer, die auf der Baustelle zu 80er-Jahre-Soul und -Reggae mit Ewigkeitsgarantie Lehmmasse zwischen die Autoreifen füllen, haben Spaß. Sprachfetzen auf Spanisch, Deutsch und Englisch wabern über den Platz. Ein Bauleiter, der mit Plänen herumrennt und Anweisungen gibt, fehlt. Jeder weiß, was zu tun ist. Die Nord-, Ost- und Westwände für das 300 Quadratmeter große Gebäude stehen. In zwölf Reihen übereinandergeschichtet bilden die alten Reifen das Rückgrat der Konstruktion neben dem „Atert-Lycée“.
Autark, nachhaltig, der Natur nachempfunden, für jeden machbar und möglichst recycelbar, das sind die Ansprüche an das „Äerdschëff“. Es ist die luxemburgische Variante eines Konzeptes, das aus den USA stammt. „Stellt euch ein Haus vor, das sich selbst heizt, sein Wasser liefert, Essen produziert. Es braucht keine teure Technologie, recycelt seinen eigenen Abfall, hat seine eigenen Energiequellen. Es kann überall und von jedem gebaut werden, aus Dingen, die unsere Gesellschaft wegwirft.“ Das hat Michael Reynolds über seine Erfindung, die „Earthships“, gesagt. 1971 war das erste gerade fertig. Da hielt man ihn für einen Spinner. Über 1.000 Exemplare weltweit später und in Zeiten von „Fridays for Future“ liegen die Dinge anders.
Hier werden die Flaschen zurecht geschnitten.
Die Idee ist ungewöhnlich. Gerade in einem Land, das seit langem der Liebe zum Beton frönt und in dem Genehmigungen extrem lange dauern und nicht einfach zu bekommen sind. Das gilt umso mehr, wenn die Architektur aus der Norm fällt. Fertige „Earthships“ sehen aus wie ein Mix aus afrikanischer Lehmhütte, Design à la Hundertwasser und Antoni Gaudí. Ein CSV-Bürgermeister hat in der Majorzgemeinde Redingen mit rund 2.100 Einwohnern die Baugenehmigung erteilt. „Als ich zum ersten Mal davon gehört habe, war ich sofort positiv gestimmt“, sagt Henri Gerekens (53). Seine Unterschrift hat er davon abhängig gemacht, wie die beteiligten Ministerien reagieren. Als es von dort keine Einwände gab, zeichnete er am 5. Juni den Antrag ab.
Unterstützung kam auch vom „Hausherrn“ des Geländes. Als der Direktor des „Atert-Lycée“, Claude Boever, von dem Projekt hörte, stellte er sofort Teile des Geländes, das dem Staat gehört, neben den Schulgebäuden zur Verfügung. Umsonst. Für die freiwilligen Helfer ist die in der Urlaubszeit noch leer stehende Schule Wohn-, Aufenthalts-, Arbeits- und Schlafraum. Zum Sonderpreis.
Viele der konstruktiven Ideen Reynolds sind in dem Haus umgesetzt, aber auf Redinger Bedürfnisse angepasst. Sprachlich spiegelt sich das im Namen wider. Die luxemburgische Variante des „Earthship“ heißt bewusst „Äerdschëff“. Der Strom kommt über Solarzellen auf dem Dach und wird gespeichert, zwei bodenhohe Fensterfronten lassen einen Zwischengang frei für Pflanzen zur Selbstversorgung, Sonnenlicht heizt das Gebäude, das Regenwasser wird aufgefangen und als Brauchwasser genutzt, das Innere peppen gebrauchte Glasflaschen als Lichtquellen und Dekoration auf, geklärt wird über eine Minikläranlage. Das Dach ist eine Holzkonstruktion. Alles entspricht der Philosophie.
„Die Ressourcen auf der Erde sind begrenzt“, sagt Rodrigo Vergara, „und wenn wir nicht genug haben, müssen wir überlegen, wie wir damit umgehen.“ Der 41-Jährige ist einer der beiden Projektkoordinatoren des luxemburgischen Ablegers der „Transition“-Bewegung CELL. CELL steht für „Centre for ecological learning Luxembourg“ – und lernen tun sie hier alle. Jeder Tag bringt ein Stück Wissen mehr über die Alternative zur Konsumgesellschaft.
Folgerichtig werden in den Earthships zuerst Materialien verbaut, die niemand mehr braucht. Und so wenig Zement wie möglich. „Wir leben nicht mehr im Überfluss“, sagt Vergara, „Zement zu produzieren, wird irgendwann auch knapp.“
Das Verhältnis zu Besitz ist anders. Das Gebäude wird zwar nach Fertigstellung von „Transition CELL“ für ihre Freiwilligen genutzt, gehört der Umweltschutzbewegung aber nicht. Aussagen wie „wir bauen es, es gehört nachher dem Staat und wird öffentlich genutzt“, passen ins Konzept der Umweltbewegung, die sich auch als soziale Bewegung versteht. Die bodenhohen Fenster, die an der Südseite des Hauses verbaut werden, sollen geleast werden. „Sie müssen nicht uns gehören“, sagt Vergara so, als sei das überhaupt keine Frage. Eine bittere Pille haben die „Bauherren“ dann aber doch noch schlucken müssen. Autarkie ist ein wichtiges Element der Häuser, die ohne einen einzigen Anschluss an die öffentlichen Versorgungsnetze auskommen sollen. Beim Trinkwasser hat sich in Luxemburg das Wasserwirtschaftsamt quergelegt. Es erteilte keine Genehmigung dafür, das aufgefangene Regenwasser mit den vorhandenen Filtersystemen zu Trinkwasser aufzubereiten. „Das war zu erwarten – vor allem, weil es ein öffentliches Gebäude ist“, sagt Vergara. Nun gibt es nach mehr als einem Jahr Verzögerung beim Baubeginn einen Kompromiss. Die einzige Leitung des „Äerdschëff“ geht direkt zur Redinger Quelle und liefert von dort das Wasser zum Trinken.
Genehmigungen machen es in Europa schwer
Administrative Hürden in den Verwaltungen sind offensichtlich auch der Grund dafür, warum die Earthships sich in Europa langsamer durchsetzen als anderswo. Das bestätigt die aus den USA angereiste Projektmanagerin und -beraterin Deborah Binder (37), die mit ihrer vierköpfigen „Crew“ die Luxemburger vor Ort berät. Sechs Jahre hat sie mit Michael Reynolds zusammen gearbeitet und danach in Eigenregie den Bau von 25 Earthships weltweit begleitet. Die meisten davon stehen in Übersee, nur zwei davon in Europa. „Europa ist schwierig wegen der Baugenehmigungen, aber langsam ändert sich das“, sagt sie. Nach Luxemburg steht ein Projekt in Spanien auf ihrem Plan.
Projektkoordinator Vergara vergleicht das Ganze gerne mit einem Segelschiff. „Bevor man in See sticht, muss man genau überlegen, was und wie viel man mitnimmt“, sagt er. Damit müssen die Passagiere auskommen, auf hoher See gibt es keinen Supermarkt. Für Leichtmatrosen sind Überlegungen wie diese ungewohnt. „Wir leben alle auf viel zu großem Fuß“, sagt Vergara. Das „Äerdschëff“ gibt eine Idee davon, dass es auch anders geht.
Stimmen von Beteiligten
André Rumpf (46, Luxemburger), zuletzt Touristenführer am Europäischen Gerichtshof:
„Das ist ein Pilotprojekt in Luxemburg, da musste ich mitmachen. Ich ändere seit längerem meinen Lebensstil in Richtung Autarkie.“
Alice Toietta (25, Italienerin), Dekorateurin und Inneneinrichterin:
„Ich ändere mein Leben gerade in Richtung Nachhaltigkeit. Es ist ein ökologisches Haus, das jeder bauen kann. Und ich mag es, weil es ein Gemeinschaftsprojekt ist.“
Franz Frosch (55, Schweizer), Grundschullehrer und Schulleiter:
„Das ist eine gute Idee, nachhaltig Wohnraum zu schaffen und autark zu sein. Es interessiert mich auch persönlich als Möglichkeit, so sein Alter zu verbringen.“
Deborah Binder (37, Deutsche), Projektmanagerin für Earthships weltweit:
„Autonome und autarke Gebäude, das ist für mich die Zukunft. Das ist letztendlich auch besser für den Planeten.“
Marc Treichel (43, Luxemburger), Landschaftsgärtner:
„Die Thematik beschäftigt mich schon mehr als zehn Jahre und ich bin ein Mensch, der anders denkt, voilà! Ich habe darauf gewartet, dass es endlich hier in Luxemburg passiert.“
Annick Meiers (23, Luxemburgerin), Architektin und Urbanistin, Earthship-Projektkoordinatorin:
„Es ist schwierig, hier in Luxemburg Bauprojekte zu finden, die in puncto Ökologie einen Schritt weitergehen. Das Earthship ist ein Testfeld, das mit anderen Baumaterialien experimentiert, Menschen und Ideen zusammenbringt.“
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„Autark, nachhaltig, der Natur nachempfunden, für jeden machbar und möglichst recycelbar, das sind die Ansprüche an das „Äerdschëff“.“
Ein schönes, großes Äerdschëff für jeden Luxemburger Haushalt.
Nieder mit den Wäldern, nieder mit den Weiden und anderen Grünflächen.!
Tjo, Imo, mir kënnen och weider massiv Beton verbauen, bis kee Sand méi do ass, wann eis firdrunn net d’Waasser ausgeet. Di schéin „Passivhaiser“ di fir de Moment iwwerall gebaut ginn, hunn och e puer Recycling-Problemer. Ënnert aanerem die super-ecologesch Façaden…
De Projet weist vill Pisten op, wéi et aanescht geet. Ee klasseschen lëtzebuergeschen Bungalow as definitif net besser am Flächeverbrauch, an d’Fleeschproduktioun mécht mat de „Weiden“ och net vill guddes, an „andere Grünflächen“ ginn och soss zou-asphaltéiert, fir weider massiv Stau ze produzéieren…Pneuen ginn entweder verbrannt oder och soss emol einfach vergruewen, ouni weideren Notzen.
A wat „für jeden Luxemburger Haushalt“ heescht, verstinn ech net…fir déi 350.000 nei lëtzebuerger Residenten an der Zukunft, déi mer nëmme brauchen, fir datt et genau sou wi et lo leeft weidergeet?
Nach méi Autoen, nach méi Pneuen, nach méi Waasserverbrauch etc…alles nëmmen..firwaat dann elo?
Inspiréier dech, kuck waats de maache kanns, dee Projet do get der vill Ideen, wanns de der en richteg ukucks.
Die Weiden können ruhig fort.
Et schuddert mech wann do Pneu’en fir den hausbau benotzt ginn !
Mei onoekologesch an mei‘ onnohalteg kann een et net machen !
Tjo Nomi, dann iwwerlee mol wéi’s de d’Pneuen oofschaafe kanns: ongeféier 1.5kg Pneuestëpps produzéiert all Autofuerer am Joer…an deen as nu wirklech net oekologesch .
https://www.umsicht.fraunhofer.de/content/dam/umsicht/de/dokumente/publikationen/2018/kunststoffe-id-umwelt-konsortialstudie-mikroplastik.pdf
Géi mol kucken, wat mat Pneuen gemaach get, wann se net méi gefuer ginn…
Di haiser, di sät den 70er gebaut goufen, stinn nach.
Maach mol eng Propos.
Ob engem syntheteschen Sportsterrain hun se och naischt verluer !
Schredderen an thermesch verwaerten mat den nei’degen Filteranlagen !
Nomi Nomi…
verbrannt ginn se schon, d’Iwwerreschter vun de Rennstrecken. Fir, ënnert aanerem, Zement hierzestellen (…). Dat léist de Problem vun den aktiven Emissiounen awer net, spréch nach eng Kéier: 1.5kg, eendausenfënnefhonnert Gramm dreckegen Feinstëpps, deen een mittlerweile mat all Maufel, och bio-, matfrësst.
Filteranlagen sollten selbstverständlech sinn, mee och do kënnt nees héischtoxeschen Restmüll dobai raus, deen da gelagert muss ginn…
Dovunn oofgesinn, datt een ouni Problem di Karkass „rundum“ erneiere kann, ouni Qualitéitsverloscht. Mir bleiwen also bei 1.5kg Emissionen, mee mir hu keng Néideschkeet méi fir thermeschen „Recycling“ (…) vun der grousser Mass, Prozess deen nëmmen e Brochdeel vun der Primärer Energie di gebrauct gouf, fir de Pneu hierzestellen, z’réckzegewannen.
An dann, aus Erfahrung vum Chantier: mir produzéieren dach och tatsächlech Pneuen, di nie, niemols nie, gefuer ginn, an di awer dann ze aal sinn fir se ze verkaafen, spréch ongeféier 2 Joer am Lager.
NEI PENEUEN. Net ze knapps.
Wann dir d’Studie och nëmmen iwwerflunn hutt, an op deenen éischte 5 Punkten vun der Tabell hänkebliwwen sitt, da misst der dach verstoen, datt et esou net weidergoen kann.
A wann der no Schalimoen gesicht hutt, dann hudd der wi ech, warscheinlech festgesallt, datt d’Politik och nëmme Kosmetik bedreift, di iwwregens nach ënnert „syntetesch Kleedung“ an dem Effekt vun der Wäschmaschinn an dem Trockner kënnt…
Wuelgesinn: di Studie beschreift den „now“ Zoustand, elo, den awer schons gutt 100 Joer sou leeft. Rechent aus…houscht eng kéier kräftech,
an dann: trëppelt 😉
Dir hutt zwar net vill Anung mä dir schwätzt awer gär bei alles mat.
@ Joëlle: wien elo?