Lehrkräfte auf der Leinwand / Über „Radical: eine Klasse für sich“
„Radical: eine Klasse für sich“ ist einer von vielen neuen Filmen über Pädagog:innen. Was ihn von anderen Produktionen unterscheidet.
Wenn sich eine Berufsgruppe die letzten Monate nicht darüber beschweren durfte, dass ihr nicht genug
Sichtbarkeit geschenkt wird, dann ist es jene der Pädagog:innen. Die Filme über ihren Job häufen sich wie nicht korrigierte Prüfungskopien. In den kürzlich erschienenen Filmen „Das Lehrerzimmer“, „Amal“, „Pas de vagues“ und Thomas Liltis „Un métier sérieux“ stehen Lehrer:innen und Pädagog:innen im Mittelpunkt, die komplexe Probleme lösen müssen. Mit „Radical: eine Klasse für sich“ gibt es jetzt Nachschub. Dieses Mal ist die Schulklasse eine mexikanische und der Lehrer hat alle Hände voll zu tun, seine Schüler:innen zu motivieren.
Genauer genommen spielt der Film in Matamoros, einer Stadt an der Grenze zu Texas, am nordöstlichsten Wipfel des Staates. Das Meer ist nur ein Steinwurf entfernt, das gelobte Land der Vereinigten Staaten am Horizont zu sehen – und trotzdem fühlen sich die Einwohner:innen von Matamoros eingesperrt zwischen politischer Korruption, Bandenkonflikten und einem Mangel an Zukunftsperspektiven. Genau in diesem Umfeld landet eines Tages Sergio (Eugenio Derbez), ein auf den ersten Blick leicht verpeilter
Lehrer, der eine Kollegin ersetzen soll.
Die Schüler:innen trauen dem merkwürdigen Kauz nicht und es dauert eine ganze Weile, bis sie sich auf ihn und seine ganz eigenwilligen Methoden einlassen. Sergio weiß sehr wohl, wo er gelandet ist, lässt sich aber nicht von seinem Weg abbringen, zu den jungen Menschen durchdringen zu wollen. Er will ihre Neugier und ihr Potenzial stimulieren. Sergio stößt dabei an seine Grenzen, aber – Spoiler! – es sind nicht die Schüler:innen und auch nur bedingt die äußerlichen Umstände, die ihm das Leben schwer machen.
Zwischen Wohlfühlkitsch und Sozialkino
Wenn an „Radical“ etwas radikal ist, dann sind es die konsequent abwegigen Lehrmethoden des
Pädagogen. Vom Film selbst – „based on a true story“ – kann man das nicht behaupten. Wer die letzten Monate die eingangs aufgezählten Filme gesehen hat, erkennt ein Muster. Es sind Geschichten eines Klassenzimmers, eines Mikrokosmos inmitten eines sozialen Brennpunktes, in dem ein Mensch versucht, Hoffnung zu geben.
Die zentrale Figur von „Radical“ – ganz sanftmütig und herzlich von Eugenio Derbez verkörpert; bekannt aus
„Coda“, in dem er den Musiklehrer spielte – ähnelt weniger den Lehrkräften aus den vorhin
genannten Filmen, als dass er Robin Williams’ Figur aus „Dead Poets Society“, einem der
retrospektiv betrachtet bedenklichsten Filme aller Zeiten, nahekommt. In „Radical“ mutieren die Schüler:innen immerhin nicht zu treuen Lemmingen, die sich um die Lehrerfigur scharen. Trotzdem ist die Erzählung des Films konventionell.
Was am Ende doch für „Radical“ spricht, ist die Tatsache, dass der Film nicht darauf aus ist, etwas zu
sein, was er nicht ist. Natürlich wird einigen diese klassische Mische aus Wohlfühlkitsch und
Sozialkino gegen den Strich gehen, aber die Trumpfkarte des Regisseurs Christopher Zalla – Eugenio Derbez und eine großartige Truppe an Jungschauspieler:innen – lässt sogar einen
Zyniker wie den Autor dieser Zeilen für die Spielzeit des Films erweichen. Und das will
etwas heißen.
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