„Challengers“ von Luca Guadagnino / Begierde auf dem Tennisfeld
Mit „Challengers“ ist der italienische Regisseur Luca Guadagnino zurück auf der großen Leinwand. Der Filmemacher des Begehrens weitet sein Kernthema diesmal auf das Genre des Sportfilms aus, von dem er lediglich die Grundlagen übernimmt.
Die eröffnende Einstellungsverknüpfung lässt keinen Zweifel: Ein Körperkult wird da gefeiert aus Schweiß, straffer Haut, angespannten Muskeln und stechenden, fokussierten Augen. Mit „Challengers“ hat sich Luca Guadagnino augenfällig vom Image des europäischen Arthouse-Kinos wegbewegt. Sein neuer Film orientiert sich ganzheitlich an den Codes des Sportfilms und wartet ferner mit namhaften Stars, vornehmlich Zendaya, auf – doch bei all den Anpassungen an das Hollywood-Kino, die der Film bereithält, hat Guadagnino seine Wurzeln und auch sein zentrales Thema nicht aufgegeben: das menschliche Begehren.
Es ist das essentielle Kraftfeld, das die grundlegenden Genrezeichen des Sportfilms aus Wettkampf, Rivale und finaler Konfrontation bindet. In „Challengers“ versucht der 52-jährige Regisseur diesem Themenfeld neue Facetten abzugewinnen. Im Zentrum der Erzählung rund um Sport, Leidenschaft und Lust steht ein Dreiecksverhältnis. Das Tenniswunderkind Tashi Duncan (Zendaya) hatte einst eine große Karriere in Aussicht. Ihr Ruf und ihre Schönheit eilten ihr voraus. Doch ein Unfall ließ die Träume zerplatzen. Schon als Teenagerin wurde sie von zwei Männern umworben. Da gibt es den besonnenen Art Donaldson (Mike Feist) und den draufgängerischen Patrick Zweig (Josh O’Connor), zwei Tennispartner, die zu Rivalen werden, als sie sich in die gleiche Frau verlieben.
Tennis und Konsum
„Challengers“ beobachtet subtil diese über die Jahre hinweg wachsende Feindschaft. Verstohlene und lustvolle Blicke werden immer wieder ausgetauscht, alles ist von einer unterschwelligen Begierde durchdrungen, die das gesamte Geschehen bestimmt. Zugleich eröffnet „Challengers“ eine kritische Perspektive auf die Konsum- und Leistungsgesellschaft. Die junge Tashi ist sich noch nicht einmal wirklich ihrer Identität bewusst, da ist sie schon Werbeprodukt für Adidas, steht Schau für das Konsumprodukt. Das Subjekt existiert in „Challengers“ nur gedoppelt, nur medial reproduziert ist es existenzfähig. Diese mediale Subjektkonstitution entspricht dabei äußerst treffend dem werbewirksamen Star-Image Zendayas auf außerfilmischem Plan. Die sportlichen Körper, die unter gleißendem Sonnenlicht über den Platz laufen, sind längst in eine Marktlogik eingebunden, sind Werbekörper, reinste Oberfläche.
Es wird überdies viel über Verlieren und Siegen, über geplatzte Träume und Verzicht geredet – es sind zutiefst existenzielle Fragen, die da als ein Ausdruck des äußersten Leistungsdrucks innerhalb des professionellen Sportgewerbes verhandelt werden. Auch die Liebe ist letztlich eine Frage des Erfolgs auf dem Tennisfeld. Um dieses komplexe Spannungsverhältnis möglichst unvermittelt wirken zu lassen, erzählt Guadagnino seine Geschichte temporal verschachtelt, immer neue Zeitebenen fügen sich in dieses dichte Beziehungsgeflecht, immer mehr Schichten des Begehrens, der Lust, des Verlangens werden dazugeschaltet – der doppelte Wettkampf ist hier in besonderem Maße als ein Kraftakt mentaler Fokussierung ausgelegt. Die treibende Filmmusik von Trent Reznor und Atticus Ross verleiht den Sporthandlungen die nötige Rasanz, es ist eine wilde Synth-pop-Mischung aus allerlei Beats und Waves, für die das Künstlerduo seit „The Social Network“ (2009) bekannt wurde. Und wieder geht es Guadagnino um die synästhetische Filmerfahrung: Die drückende Sonne über dem Tennisfeld will er ebenso spürbar werden lassen, wie die unzähligen Schweißtropfen, die über die angespannten Körper gleiten. Die Zeitlupe ist ihm dafür das adäquate Stilmittel.
Nicht nur drängt er damit aus spannungstechnischer Hinsicht auf die Retardierung der entscheidenden Spielmomente während des Tennismatchs, auch und besonders lässt er die sinnliche Dimension seiner Bilder und Töne die Oberhand gewinnen. Wenn das Bild nahezu im Stillstand gefriert, da ist der italienische Regisseur einmal mehr bei sich. Unter diesem Aspekt knüpft Guadagnino ganz an seine früheren Filme, etwa „Io sono l’Amore“ (2009), „A Bigger Splash“ (2016) oder noch seinen Welterfolg „Call Me By Your Name“ (2017) an. Mit „Challengers“ hat Luca Guadagnino das oberflächliche Genreregister gewechselt, nicht aber seine inhaltliche Werkkonstante: Sein neuer Film zeigt auf ebenso fesselnde wie kluge Weise, wie viel Leistungsfähigkeit die Begierde freisetzen kann, aber auch wie viel Abhängigkeit in ihr steckt.
„Challengers“, neu in allen Kinos
In seiner zweiteiligen Serie stellte Marc Trappendreher das Schaffen des Regisseurs Luca Guadagnino vor. Beide Teile sind online abrufbar, im Print sind sie in den Ausgaben vom 26. und 29. April erschienen.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos