/ Tragische Komödie der Finanzeliten
Was hat das Brexit-Referendum an den Tag gebracht? Nun, dass Politiker nur um der eigenen Macht willen und nicht im Interesse ihrer Wähler agieren sowie die Tatsache, dass sich das Volk einem schon von Dostojewski befürchteten Nihilismus hingegeben hat, der jede noch so gut strukturierte Demokratie unterwandert.
Es zeugt aber auch davon, dass Volksentscheide in der Europäischen Union stets Instrumente multinationaler Oligarchen und weniger die regionaler Politiker sind. Es gibt überpolitische Fragen wie die der Todesstrafe, um nur diese zu nennen, bei denen man emotional geladene und bindende Referenden also unbedingt vermeiden sollte.
Es ist nämlich zu befürchten, dass wirtschaftshörige Politiker, die sich als pensionierte EU-Kommissionspräsidenten zum Brexit-Berater von Goldman Sachs berufen fühlen, das Wahlvolk für jede populistische Kleinigkeit an die Urnen rufen, damit es Demokratie spielen darf, während das Monopoly der Mächtigen im Hintergrund weiterläuft.
Und wie das läuft, hat der devote Irakkrieger Barroso in den nur zwei Jahren an der Spitze Portugals gezeigt. Statt die Ausgaben zu senken, hat er den Haushalt mit dem Ausverkauf von Staatseigentum, dem Anzapfen von Pensionskassen und dem Verkauf an der Börse von Steuer-Futures frisiert, um den EU-Stabilitätspakt einzuhalten.
Marionettenspieler Goldman Sachs
Mit dieser Zahlenakrobatik fuhr die Investmentbank Goldman Sachs, bei der nach den 12-Milliarden-Währungsswaps Griechenlands auch der spätere EU-Zentralbankchef Mario Draghi anheuerte, mit der Experten-Regierung ihres früheren Hauptgesprächspartners und Notenbankchefs Lukas Papademos die Hellenen an die Wand.
Alles in einer Hand, so lieben es seit jeher die mit satten Stock-Options und großzügigen Abfindungen gefütterten systemischen Banker, die es nicht erst seit der Subprime-Finanzkrise 2008 gewohnt sind, die oft horrenden Risiken ihrer Finanzhäuser über die Lebensversicherung „too big to fail“ mit Steuergeldern abzusichern. Doch sollte der Euro scheitern, und das wird er unmissverständlich, wenn man keinen Kompromiss zu einer gemeinsamen Wirtschafts- und Fiskalpolitik findet, wird auch das EU-Modell scheitern, das sich mit überhasteter Erweiterung um die Chance einer Vertiefung brachte und jetzt auch noch mit dem Brexit amputiert wurde.
Alles begann mit der gut gemeinten Fehlentscheidung, Kohl in eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Finanzpolitik zu drängen, weil Mitterrand die wiedervereinigte D-Mark fürchtete. Dies führte auch dazu, dass sich Griechenland mit getürkten Erträgen aus dem Hause Goldman Sachs in die Eurozone einschleichen konnte. Ein Hellas, das seit der Antike nie Herr im eigenen Haus war und es in seiner arkadischen Selbstherrlichkeit unter anderem versäumte, ein effizientes Kataster- und Finanzamt zu schaffen. Und dies nicht zuletzt, weil es sich den Interessen seiner Kolonialherren aus deutschem Adel und amerikanischem Geheimdienst beugen musste.
Business as usual
Und statt nach dem Brexit nun wie die Geldwechsler im Tempel einen neuen Standortkrieg zu entfachen, gegen den der Renegat von der Insel glaubt, sich mit Steuerdumping wehren zu müssen, sollten die Kontinentalen endlich die europäische Restunion mit ihrem enormen Nord-Süd-Gefälle ins sozialökonomische Lot bringen.
Doch deshalb müssten seine gewählten (!) Politiker(innen), von der Bertelsmann-Lobbyistin Viviane Reding bis zum Insider Karel de Gucht, wohl andere „Naupen“ an den Tag legen. Denn solche Kleinbürger scheinen die große Politbühne lediglich zu nutzen, um ihre privaten Schäfchen ins Trockene zu führen.
Alles fing an, als der liberale deutsche Wirtschaftsminister Martin Andreas Bangemann an der Jahrtausendschwelle nach zehn Jahren als EU-Kommissar für das Kommunikationswesen in den Vorstand des spanischen Telefonkonzerns Telefónica wechselte. Damals konnte es einem einfachen Binnenmarktbürger schon bange werden.
Und man sollte ihm nicht weismachen, dass diese vom Auftrag ihrer Wähler abgehalfterten und zu vermeintlich Höherem berufenen Politiker nicht einmal merken, dass sie in dieser tragischen Komödie nur als Marionetten an den Fäden der Wirtschafts- und Finanzeliten hängen. Es sei denn, ihre Studien wären für die Katz gewesen.
Mit ihnen nun auf den jetzigen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker schießen zu wollen, wäre unfair, denn ihm kann man vieles vorwerfen, doch wohl kaum, dass er sich von ultraliberalen Sirenen becircen ließ. Hat er doch die zahllosen Einladungen zu den Bilderberg-Konferenzen immer höflich, aber bestimmt abgelehnt.
Was viele andere nicht von sich behaupten können.
Carlo Kass
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