OGBL / 0,1 Prozent Erhöhung ist „eklatanter Spott“: Gemeinschaftsgastronomie protestiert erneut
Eine „Frechheit“, „Provokation“ und „eklatanter Spott“: Bei den stockenden sektoriellen Kollektivvertragsverhandlungen in der Gemeinschaftsgastronomie verschärft der OGBL den Ton. Die Sozialwahlen im kommenden Jahr werfen ihren Schatten voraus.
Zwei junge Männer schwingen eine OGBL-Fahne. Die beiden Schüler sind eben aus der Europaschule auf Kirchberg getreten und haben die Versammlung vor ihrer Schule mit anfänglicher Scheu erst aus der Ferne, dann aus nächster Nähe beobachtet. Ob sie tatsächlich ihre Solidarität mit den Protestierenden bekunden oder einfach nur Pluspunkte bei den etwas abseits kichernden Mädchen sammeln wollen, ist unklar.
Rund 80 OGBL-Sympathisanten haben sich gegen halb vier in der klirrenden Kälte vor der Europaschule auf Kirchberg eingefunden. Drei Kanister mit heißem Kaffee sorgen dafür, dass sie bis zum Ende der Veranstaltung nicht an Ort und Stelle festfrieren. Bei den Protestierenden handelt es sich um Beschäftigte aus der Gemeinschaftsgastronomie. Sie befinden sich gerade in sektoriellen Kollektivvertragsverhandlungen mit der Fedil Catering. Nach einer ersten Protestaktion vor der Europäischen Investitionsbank Anfang Dezember schlug die Fedil den Gewerkschaftern zufolge vor, ihr Angebot einer Gehaltserhöhung von 0,5 Prozent um 0,1 auf 0,6 Prozent anzupassen. In den Augen der Belegschaften mehr Frechheit als seriöses Verhandlungsangebot.
Eine Schülerin in weißer Jacke verfolgt das Geschehen etwas abseits des Trubels ganz interessiert. Ob sie wisse, worum es bei der Protestaktion ginge? „Nein“, gesteht Emilia. Nach kurzer Schilderung des Arbeitskampfes meint sie schon fast konsterniert: „0,6 Prozent? Das ist schon sehr wenig.“ Trotzdem zweifelt sie an der Wirksamkeit des Protestes. „Es scheint mir, als wären zu wenige gekommen“, sagt die Schülerin. „Letzten Endes interessiert es sie eh nicht.“
Stockende Verhandlungen
Mit dem „sie“ sind die Arbeitgeber der Streikenden gemeint. Nach anfänglicher Ablehnung eines sektoriellen Kollektivvertrages trat die Fedil Catering doch in Verhandlungen mit dem OGBL und LCGB. Verhandlungen, die mittlerweile ins Stocken geraten sind. Das Gegenteil ist bei Sémia Mhadhbi, Präsidentin der Personalvertretung bei Sodexo, der Fall, die sich auf dem Boulevard Konrad Adenauer in Rage redet. „Ich stehe hier mit erhobener Faust, direkt neben mir die Europaschule“, ruft Mhadhbi den versammelten OGBL-Anhängern zu. Mit Liebe würden sich die Arbeitenden in der Küche um die Schüler kümmern, als wären es ihre eigenen Kinder. „Fünf Tage vor Weihnachten sind es genau diese Beschäftigten, die sich nicht mehr um ihre eigenen Kinder kümmern können.“
Bei der Protestaktion auf Kirchberg werfen auch die anstehenden Sozialwahlen im März ihre Schatten voraus. LCGB-Gewerkschafter sind bei der Demo keine zu sehen. Mhadhbi kritisiert die mangelnde Solidarität der LCGB-Gewerkschafter recht deutlich. Angeblich hätten die Vertreter des LCGB eine Erhöhung von 0,3 Prozent akzeptiert. „Man müsse sich zufriedengeben mit dem, was man habe“, zitiert Mhadhbi die Personalvertreter des LCGB, nur um dann in die Runde zu fragen: „Ist das überhaupt noch eine Gewerkschaft?“
Politische Frage
Chrystelle Brassinne, beigeordnete Zentralsekretärin des OGBL, nimmt sich hingegen die Arbeitgeber zur Brust. „Sie sind Feiglinge!“, ruft Brassinne. „Sie sind feige, weil sie ihre Angestellten mit einer beleidigenden und lächerlichen Lohnerhöhung verachten.“ Die Arbeitgeber sollten aufhören, sich hinter ihrer Kundschaft oder ungerechten Gesetzen zu verstecken.
Insgesamt ist die gesetzliche Lage bei den Streikenden ein Thema. Sowohl das Kollektivvertragsgesetz als auch das Streikgesetz bedürfen einer Generalüberholung, so das einstimmige Credo. Mit der wirtschaftsliberalen Regierung am Ruder jedoch befürchtet man eher weitere Verschlechterungen aus Sicht der Arbeitnehmerschaft. „Das Kollektivvertragsgesetz ist nicht mehr der Realität angepasst“, sagt auch David Angel vom OGBL. Das hätte nicht zuletzt auch die Situation bei Ampacet gezeigt. „Wenn private Unternehmen von Steuersubventionen und öffentlichen Geldern profitieren, müssen sie an einen Tisch mit uns gezwungen werden.“ Das sei eine grundsätzlich politische Frage, in der der Arbeitsminister Georges Mischo (CSV) und die gesamte Regierung Verantwortung übernehmen und eine Reform des Kollektivvertragsgesetzes in Angriff nehmen müssten.
Einigung bei Ampacet in Sicht
Arbeitsminister Georges Mischo (CSV) hat gestern im Parlament Vorwürfe zurückgewiesen, nichts zur Schlichtung des Arbeitskampfes bei Ampacet in Düdelingen unternommen zu haben. Seit drei Wochen streiken die Beschäftigten des Kunststoffgranulat-Herstellers, nachdem die Direktion den Kollektivvertrag einseitig gekündigt hatte. Mischo berichtete von wiederholten Kontakten mit OGBL und Direktion. Zusammen mit Wirtschaftsminister Lex Delles (DP) habe er beide Seiten zur Wiederaufnahme des Sozialdialogs aufgerufen. Am Dienstagmorgen habe man beide Seiten empfangen. Die Gespräche bezeichnete Mischo als konstruktiv. Er habe den Eindruck, dass man einer Lösung nahe sei. Mischo reagierte auf Anfragen von François Bausch („déi gréng“), Dan Biancalana (LSAP) und Marc Baum („déi Lénk“). Dass eine Einigung bei Ampacet in Sicht ist, deckt sich mit Informationen des Tageblatt. Demnach soll die Unternehmensführung einen Vorschlag unterbreitet haben, den die Gewerkschaft derzeit analysiert. Die Unternehmensführung hatte vergangene Woche Kontakt zum OGBL aufgenommen. Geplant war ursprünglich, dass die Produktion am vergangenen Freitag wieder anlaufen könne. Dazu hätten sich beide Parteien jedoch auf einen Kollektivvertrag einigen müssen. (lmo)
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