Interview mit François Tesch / 100 Jahre Foyer: „Eine Familiengesellschaft ist schon etwas sehr Spezielles“
In dem nun ablaufenden Jahr hat die Luxemburger Versicherungsgesellschaft Foyer ihren 100. Geburtstag gefeiert. Über das Thema hat sich das Tageblatt mit François Tesch, Präsident des Verwaltungsrates der Gruppe und Enkel des Firmengründers, unterhalten.
Tageblatt: Ihr Großvater mütterlicherseits, Léon Laval, war der Hauptgründer der Firma Foyer … Wie erinnern Sie sich noch an ihn? An den Geschäftsmann? An den Menschen?
François Tesch: Ich habe nicht besonders viele Erinnerungen an ihn. Als ich sechs Jahre alt war, ist er verstorben. Ich habe nur noch einige Bilder im Kopf. Er hatte in Steinsel gewohnt. Ein älterer Mann mit gesundheitlichen Problemen. Erst später hat man mir viel von ihm erzählt, und so mein Interesse an ihm geweckt. Leider habe ich ihn nie so richtig kennengelernt.
Wäre er heute zufrieden, wenn er das von ihm gegründete Unternehmen sehen würde?
Ich hoffe schon. Das Unternehmen besteht immer noch. Auch wenn er noch viele andere Sachen gemacht hat, so war Foyer doch sein Lebenswerk. Er war Unternehmer und Familienmensch. Beides war wichtig für ihn.
Was ist Foyer heute? Zahl der Mitarbeiter, Geschäftsfelder?
Foyer ist heute nicht mehr nur eine Versicherungsgesellschaft, so wie zur Gründungszeit. Das Unternehmen hat sich weiterentwickelt, wurde umgebaut. Heute ist es eine „industrielle Finanzgesellschaft“, die auf zwei Beinen steht: Die Mutter Foyer Finance hält die Mehrheit der Anteile am Versicherer Foyer, wie auch an der Investitionsfirma Luxempart. Letztere ist an der Börse quotiert und tätigt Investitionen in Unternehmen. Bei Luxempart arbeiten rund 30 Personen. Bei Foyer sind es 830 Mitarbeiter und mehr als 600 Agenten. Die Gruppe bedient europaweit etwa 325.000 Kunden.
Ist die Familie heute noch ein wichtiger Aktionär?
Léon Laval war Hauptaktionär. Seine Familie – ich bin die dritte Generation, die vierte kommt bald – ist immer noch Hauptaktionär von Foyer Finance. Heute sind wir jedoch zu viel mehr: Zum „engen Familienkreis“ zählen über 30 Personen. Wir haben aber auch andere Aktionäre. Etwa Freunde und Bekannte von Léon Laval, die meistens aus der industriellen Welt kamen.
1983 sind Sie in den Versicherungsbetrieb eingetreten, 1986 waren Sie bereits Generaldirektor, 2014 Präsident des Verwaltungsrates … Wie wichtig war Ihr Name, Ihre Herkunft, um Karriere zu machen?
Das hat sicherlich geholfen. Von Anfang an wollte ich im Familienbetrieb arbeiten. Zuhause wurde immer viel darüber geredet. Ich habe Wirtschaft, unter anderem auch in den USA, studiert. Mit neuen Ideen war ich dann nach Luxemburg zurückgekommen. Ich hatte auch Glück, dass kein anderer Cousin es auf den Job abgesehen hatte. Das Timing war gut.
Stehen Sie unter Erfolgsdruck – vonseiten der Familie?
Eine Familiengesellschaft ist schon etwas sehr Spezielles. Es ist nicht vergleichbar mit einer „anonymen Firma“, einer S.A. Mal ist es einfacher, mal schwieriger. Es geht in Gesprächen nicht nur ums Geschäftliche. In den Unterhaltungen mit Cousins werden etwa auch Erinnerungen geteilt. Mal gute, mal weniger gute. Das Gefühl der Zugehörigkeit ist aber auch eine Hilfe, wenn es darum geht, den Betrieb voranzubringen.
1983 war beispielsweise eine Zeit, in der sich der Markt der Versicherer veränderte. Der internationale Wettbewerb wurde härter. Ein europäischer Markt war am Entstehen. Plötzlich konnten wir von Luxemburg ins Ausland verkaufen – und umgekehrt. Der Wettbewerb sorgte für Druck. Es galt, neue Produkte zu entwickeln, die Rentabilität im Blick zu behalten.
Dieser Druck war neu, doch er kam von außen. Mit Kreativität war es möglich, Neues zu tun, bessere Lösungen für die Kunden zu entwickeln. Das hat mich motiviert.
Ihr Vater Emmanuel Tesch war Präsident der Arbed und Präsident der Handelskammer, wie später Joseph Kinsch und auch Michel Wurth. Hätten Sie auch, wie ihr Vater, für die Arbed arbeiten und Stahlbaron werden können?
Meine erste Sorge war es, den Betrieb weiterzuentwickeln. Das zu einer Zeit, als in Luxemburg die Bevölkerung wuchs, es auch immer mehr Geld gab – und somit auch mehr zu versichern. Meine zweite Sorge war es, die Familie zusammenzuhalten und sie für das Familienunternehmen zu begeistern.
Damals galt es, in Luxemburg wettbewerbsfähiger zu werden – und über die Grenzen zu gehen. Bereits zu Beginn der Firmengeschichte, 1923, hatte Foyer Portfolios von anderen Gesellschaften gekauft und sich in Frankreich, Belgien und im Saarland etabliert. Foyer hatte immer schon internationale Ambitionen.
1980 habe ich dann erkannt, dass das Überleben für eine kleine Gesellschaft in einem größeren Land alleine nicht mehr möglich war. Große Firmen wie Axa oder Allianz kauften die kleinen auf und rationalisierten. Wir waren gezwungen, Frankreich und Belgien zu verkaufen und mussten uns zurück auf Luxemburg konzentrieren. Eine neue Strategie wurde entwickelt: Dienstleistungen von Luxemburg aus anzubieten.
… und der Job bei der Arbed?
Mein Vater hatte mich das mal gefragt. Ich hatte überlegt, doch fand das keine sehr gute Idee. Die Arbed war ein sehr großer Betrieb. Da an die Spitze zu kommen, war nicht sicher. In kleineren Betrieben hingegen kann man schneller etwas erreichen.
Zudem: Hätte ich Erfolg gehabt, dann hätte es geheißen: „Das ist nur wegen des Vaters passiert.“ Hätte ich keinen Erfolg gehabt, dann hätte es geheißen: „Der Vater war besser.“ Ich wollte lieber meinen eigenen Weg im Leben gehen.
Haben Sie/Ihre Familie immer noch Verbindungen mit dem Stahlgeschäft?
Nein.
Was war die schwierigste Zeit für Foyer?
Das dürfte in den 70er und 80er Jahren gewesen sein. Damals hatten wir Schwierigkeiten mit unserer Filiale in Frankreich. Wir hatten dort die Lage nicht mehr im Griff – schafften es nicht, in einem sich verändernden Markt rentabel zu arbeiten. Da haben wir sehr viel Geld verloren. Glücklicherweise haben wir die Gesellschaft dann 1982 verkauft – um uns wieder zu stärken, das hat einige Jahre gedauert.
Natürlich war auch die Zeit des Zweiten Weltkriegs für uns – wie auch für alle anderen – sehr schwierig. Die Gesellschaft sollte aufgelöst werden. Léon Laval, wie auch sein Sohn Auguste Charles (genannt Tom), verbrachten Jahre im Gefängnis. Letzterer hatte einige Waffen in seinem Garten versteckt. Es ist ein Wunder, dass er wieder zurückkam. Es war eine sehr gefährliche Zeit.
All dies hat mich sehr gezeichnet. Ich wollte deshalb immer Vorsicht walten lassen, alles mit Maß machen und schnell reagieren, wenn etwas nicht geht: Nach der Frankreich-Episode mussten wir eine Kapitalerhöhung durchführen. Die „Compagnie Suisse de Réassurance“ war eingestiegen und die Familie hatte die Mehrheit bei den Firmenanteilen verloren.
Wie erhielt die Familie dann wieder die Mehrheit an dem Unternehmen zurück?
Das hatte viele Jahre gedauert: Im Jahre 1985 verkaufte die „Compagnie Suisse de Réassurance“ den Anteil von 33 Prozent an uns an die britische „Guardian Royal Exchange“ weiter. Die wurde dann 1998 von Axa übernommen. Das war sehr unbequem. Die waren bereits in Luxemburg vertreten und wollten uns ganz kaufen. Doch die Familie wollte nicht. Und sie hat zusammengehalten. Geholfen haben uns auch die Wettbewerbsbehörden aus Brüssel. Auf das Titelblatt vom Jahresbericht hatten wir „Mir wölle bleiwe wat mir sin“ mit EU-Flagge gesetzt. Nach rund einem Jahr bot uns Axa an, unseren Anteil zurückzukaufen. Das haben wir dann mit Begeisterung gemacht. Die Familie erhielt die verlorene Kontrolle zurück.
Stichwort: Finanzplatz, Bankgeheimnis …
Nach der Frankreich-Erfahrung war klar, dass wir im Ausland nur Nischen-Geschäfte tätigen könnten. Nicht das komplette Versicherungs-Paket anbieten, wie wir das zuvor in Frankreich und Belgien gemacht hatten.
Wir fragten uns, was die Stärken von Luxemburg sind. Wir sahen die Geografie, die Sprachkenntnisse, die pro-europäische Einstellung, den Bankenplatz und das Bankgeheimnis. Zusammen mit unseren Kompetenzen im Versicherungsbereich und in der Vermögensverwaltung bauten wir dann von hier aus das Geschäft mit dem Verkauf von Lebensversicherungen in 12 europäischen Ländern auf (Wealins). Heute sind wir da die Nummer drei in Luxemburg. Mit immer noch starkem Wachstum. Auch sind wir im Bereich des „Private Banking“ gestartet. Heute arbeiten 120 Personen für „CapitalatWork“ und legen die Gelder der Kunden professionell an.
Was bedeutete das Wegfallen des Bankgeheimnisses für das Unternehmen?
Das war nicht eingeplant. Anfangs sahen wir das auch nicht als gute Nachricht. Immerhin wurde auch das Versicherungsgeheimnis abgeschafft. Glücklicherweise konnten wir aber auf unsere Expertise und Kompetenzen setzen. So schafften wir es trotzdem, uns weiterzuentwickeln. Aus eigener Kraft.
Sind Sie heute zufrieden mit den Nischenrollen im Ausland?
In Belgien verkaufen wir auch heute wieder Auto- und Haushaltsversicherungen mit segmentiertem Tarif an eine ausgewählte Kundschaft. Seit 2014 setzen wir zudem auf die Nischenstrategie der Gesundheitsversicherungen für Expats. Die bieten wir von Luxemburg aus für eine Deckung in der ganzen Welt. Der Bereich wächst ganz schnell. Es war die richtige Strategie. Eine Diversifizierung des Risikos mit Maß und Vorsicht.
Mit welchem Bereich verdienen Sie am meisten? Haben Sie heute mehr Mitarbeiter in Luxemburg oder im Ausland?
Wir haben heute deutlich mehr Personal in Luxemburg als damals. Früher hatten wir mehr Mitarbeiter im Ausland. Trotzdem ist unser Umsatz im Ausland heute größer als damals. Von dem Jahresumsatz (2021) von 2,8 Milliarden Euro gehen rund 700 Millionen auf Foyer in Luxemburg, und fast zwei Milliarden auf das Geschäft mit den Lebensversicherungen (Wealins) zurück. Beim Gewinn ist der Anteil von Wealins jedoch nicht gleich groß.
Hinzu kommt noch Luxempart. Das war so nicht vorgesehen. Es war eine Gelegenheit, die sich ergeben hatte: Als wir 1990 unser Geschäft in Belgien verkauften, hatten wir Geld zum Anlegen, doch kein konkretes Projekt. Die damalige „BIL-Participations“, in der beispielsweise Beteiligungen an RTL, SES, Paul Wurth und Cargolux lagen, wurde plötzlich von der BIL veräußert. Das war eine außergewöhnliche Gelegenheit, größere Beteiligungen in luxemburgischen Gesellschaften aktiver zu verwalten.
Doch mittlerweile sind die Luxemburger Beteiligungen von Luxempart alle verkauft …
Ja. Wir mussten diese Beteiligungen später verkaufen, weil die Muttergesellschaften im Ausland ihre Beteiligungen in Luxemburg konsolidiert hatten. Das war z.B. der Fall für BIL, BGL und KBL. Wir mussten über die Grenzen gehen. Heute ist Luxempart eine europäische Beteiligungsgesellschaft. Wir würden gerne hierzulande investieren, und bieten auch anderen luxemburgischen Familienbetrieben strategische Partnerschaften an, um ihr Geschäft weiter zu entwickeln.
Foyer war mal an der Börse … und dann wieder nicht …
Das war auf unsere Abenteuer mit Axa zurückzuführen. Eine Frage des Risikos: Von den 33 Prozent, die wir zurückkauften, hatten wir die Hälfte an die Börse gesetzt. Im Nachhinein sahen wir jedoch, dass wir genügend Kapital hatten, und die Börsennotierung ergab keinen Sinn mehr. Sie bedeutete viel zusätzliche Arbeit und wir machten den Anteilseignern ein Angebot. Etwa zwei Prozent sind bis heute Aktionär geblieben.
Was sind derzeit die Ziele für die Zukunft?
Diese Frage müssen Sie an den Geschäftsführer Marc Lauer richten. Mit der neuen digitalen Welt sind auch die Versicherer heute wieder im Wandel. Viel passiert bei der Technik und bei den Gewohnheiten der Menschen. Das Unternehmen muss sich anpassen. Eine neue Herausforderung.
Was sind Ihre persönlichen Ziele für die Zukunft?
Ich bin heute nicht mehr an der Front. Auch aus den Verwaltungsräten habe – oder werde – ich mich zurückziehen. Ich bereite die nächste Generation der Familie vor. Wir haben uns als eine „industrielle und finanzielle Familiengesellschaft“ definiert. Dafür muss man nun die junge Generation interessieren.
Heute ist es komplizierter: Léon Laval konnte noch alles selber entscheiden. Die Familie ist nun viel zahlreicher und wir haben uns strikte Regeln gegeben. Um die Risiken der Zukunft anzugehen, muss die Rolle der Einzelnen in der gemeinsamen Gesellschaft klar definiert sein.
Sie haben drei Kinder. Interessiert sich jemand von ihnen für das Geschäft mit den Versicherungen?
Meine Tochter ist mit ihren vier Kindern sehr beschäftigt, interessiert sich aber für gewisse Aspekte des Unternehmens. Ein Sohn arbeitet in einem Start-up in Belgien, der zweite in einem Investmentfonds. Beide zeigen Interesse an der Finanzwelt und am Weiterentwickeln von Betrieben, wie es bei Luxempart gemacht wird. Beide werden jetzt den Verwaltungsräten von Foyer und Luxempart beitreten. Erst müssen die Kinder im Ausland in anderen Betrieben arbeiten, und sich beweisen. Ich entscheide das nicht allein, das wird ein Gremium tun.
Zur Person
François Tesch, geboren am 16. Januar 1951, ist das einzige Kind von Emmanuel Tesch und Thérèse Laval. Nach einem Wirtschaftsstudium und einer ersten Berufserfahrung in den USA, wurde er 1983 Generalsekretär der Luxemburger Versicherungsgesellschaft Foyer, die von seinem Großvater Léon Laval gegründet worden war. Nur drei Jahre später, 1986, wurde er zum Generaldirektor der Unternehmensgruppe ernannt. Im Jahr 2014 wurde er Präsident des Verwaltungsrats der Gesellschaft. Daneben war er auch in den Verwaltungsräten mehrerer anderer Gesellschaften tätig, etwa bei der Beteiligungsgesellschaft Luxempart, dem Satellitenbetreiber SES und den Banken BIL und BNP Paribas (Luxembourg).
- Elektroautos haben ihren Marktanteil in Luxemburg weiter ausgebaut - 10. Januar 2025.
- Die Zahl der Firmenpleiten ist 2024 deutlich gestiegen - 9. Januar 2025.
- Die Inflationsrate ist im Jahr 2024 deutlich zurückgegangen - 9. Januar 2025.
„Das ist nur wegen des Vaters passiert.“
In der rue Notre Dame wurde der junge Herr von einigen Herren Professoren anders behandelt als wir „Normalos“.