Service-Clubs / 100 Jahre Rotary in Belgien und Luxemburg: Künftiger Governor räumt mit Vorurteilen auf
Service-Clubs, ob Lions, 51 oder Rotary, haben kein allzu positives Image in breiten Teilen der Gesellschaft. Eine Gruppe Gleichgesinnter, die sich hauptsächlich aus Gründen des kommerziellen Gewinns zusammentun, meist im Verborgenen agieren und wenig offen für neue Mitglieder sind: dies allgemein gängige Vorurteile. Zum 1. Juli wird nun Jos Faber, pensionierter Beamter im Arbeitsministerium, im Ruhestand die Gouvernance des Distriktes 2160 übernehmen. Grund genug, genauer hinzusehen.
Jos Faber kennt die Vorurteile: „Une bande de copains qui mangent contre la faim au monde“, wirft er lachend ein, bestätigt auch gleich, dass die wöchentlichen Zusammenkünfte der Rotarier auch mit einem gemeinsamen Essen verbunden sind, das Hauptziel der Vereinigung, die keineswegs im Geheimen agiert, allerdings die Hilfe an Menschen in Not sei. Und an Beispielen mangelt es nicht: sei es die Ersthilfe nach dem Tornado in Petingen/Bascharage, die Hilfe nach den Überschwemmungen bei Echternach, aber auch die Hilfe nach dem Erdbeben in Haiti oder, auf globaler Ebene, die Ausrottung der Kinderlähmung mit massiven Impfaktionen.
Die Idee des Rotary-Clubs entstand 1905 in Chicago, wo ein gewisser Paul Harris mit drei Freunden den ersten Verein dieser Art gründete. Anfangs ging es tatsächlich um die Solidarität zwischen Geschäftsleuten. Schnell wurde als Ziel der Rotarier allerdings festgelegt, zu dienen. „Créons de l’espoir dans le monde“ wurde so zum Leitmotiv der Vereinigung, die entsprechend 1917 eine Stiftung gründete, die sieben Hauptziele verfolgt: Friedensstiftung, Bekämpfung und Vorsorge von Krankheiten, Bereitstellung von Trinkwasser, Gesundheit von Mutter und Kind, Alphabetisierung und Grundausbildung, lokale wirtschaftliche Entwicklung und Umwelt. Und im Rahmen dieser breitgefächerten Ziele haben die einzelnen Clubs, die in Distrikten zusammengefasst sind, eine weitgehende Eigenständigkeit.
Luxemburgisch-belgische Zusammenarbeit
Die 15 Luxemburger Clubs, die gemeinsam knapp 850 Mitglieder zählen (allerdings nur etwa 120 Damen), entstanden ab 1924, ein Jahr später als der erste belgische Rotary-Club (Ostende, 24. Juli 1923), arbeiten eng mit den Clubs des Nachbarlandes zusammen und bilden mit dem wallonischen Teil Belgiens den Distrikt 2160. Dieser zählt immerhin 2.758 Mitglieder, aufgeteilt auf 68 Clubs, und wird immer wieder mal von einem Luxemburger Governor verwaltet.
Jos Faber ist so Nachfolger von u.a. René Friedrici, Norbert Friob, Dony Calmes und Lucien Emringer. Dieser will alle „seine“ Clubs während der nur einjährigen Gouvernance besuchen und sich mit ihnen austauschen, verlangt Einsicht in deren Planung und Aktivitäten und arbeitet so am Zusammenhalt des Distriktes.
Die Aktivitäten des Distriktes sind vielfältiger Natur: Neben den rein lokalen Hilfen (die im Übrigen ob der neuen EU-Datenschutzverordnung komplizierter werden, da die Sozialämter die Namen Bedürftiger nicht mehr herausgeben dürfen) haben sich alle Distriktsclubs zur Durchführung gemeinsamer Aktionen verpflichtet. So bietet die Aktion „Zesummen ënnerwee“ jährlich Hunderten psychisch und physisch eingeschränkten Menschen die Gelegenheit, einen besonderen Tag in verschiedensten Werkstätten zu erleben. Nach dem Erdbeben 2001 in Haiti stellte der Distrikt den SOS-Kinderdörfern 140.000 Euro zum Neuaufbau einer Schule und für ein neues Dorf zur Verfügung. 2005 unterstützte Rotary das Projekt „Espoir 2005“, das Mikrofinanzinstitute in Kambodscha unterstützte, und 2007 sammelten die Luxemburger Clubs 4.000 Bücher im Kampf gegen Analphabetismus. Seit 2013 gingen 58.900 Euro an die Hirnforschung.
Der Mitgliederbeitrag von 100 Dollar pro Jahr wird u.a. dazu genutzt, Subventionen auf globaler Ebene zu vergeben. Insgesamt konnte die Rotary-Stiftung so während des Zeitraums 2021 bis 2022 mehr als 110 Millionen Dollar verteilen.
Ausrottung der Kinderlähmung
Der beeindruckendste Erfolg ist hierbei die Frucht einer Zusammenarbeit von Rotary mit u.a. der Bill & Melinda Gates Foundation. Allein die Rotarier haben bislang, sprich während der vergangenen 35 Jahre, mehr als zwei Milliarden Dollar und unzählige Arbeitsstunden in den Kampf gegen Polio investiert und sind ihrem Ziel so nah wie nie zuvor gekommen. Drei Milliarden Kinder konnten in 122 Ländern geimpft werden, die Krankheit konnte um 99,9 Prozent reduziert werden und existiert nurmehr in Afghanistan und Teilen von Pakistan. Zuletzt konnte Nigeria 2016 als letztes Land in Afrika für Polio-frei erklärt werden.
Und so wird Jos Faber ab Juli aufbrechen, um zu helfen, weitere Not zu lindern, im Kleinen, aber auch im ganz Großen; gut essen kann er auch bei anderen Gelegenheiten.
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