Luxemburg / 101-jährige Marie Thill: „Ich bin ein Stehaufmännchen“
100 Jahre alt ist die Luxemburgerin Marie Thill während der Pandemie geworden. Die Feier zum runden Geburtstag musste wegen der geltenden Sicherheitsmaßnahmen im Mai 2020 allerdings im kleinen Kreis im Pfaffenthaler Altenheim stattfinden – und konnte kürzlich aber endlich nachgeholt werden. Im Gespräch mit der munteren 101-Jährigen versucht das Tageblatt herauszufinden, was das Geheimnis für ein langes Leben ist.
„Manchmal frage ich mich selbst, ob es wahr ist. Dann rechne ich nach und merke: Doch, es ist so“, erklärt Seniorin Marie Thill und lacht dabei herzlich. Dabei denkt die aufgeweckte Frau an den 9. Mai 1920 – ihr Geburtsdatum. Und wenn sie in den Situationen dann die Jahre zählt, merkt sie wieder, dass es nicht mehr lange bis zu ihrem 102. Geburtstag ist. Denn Marie Thill ist eine von 84 Personen (71 Frauen und 13 Männer), die laut des nationalen Instituts für Statistik zum 1. Januar 2021 in Luxemburg 100 Jahre oder älter waren. Die aktuellen Zahlen für Jahresbeginn 2022 wird das Statec erst Mitte April bekanntgegeben.
Ihr Witz, der wache Blick aus blau-grauen Augen, die Schnelligkeit im Kopf – wer Marie Thill in ihrem Zimmer mit den in warmen Farben gestrichenen Wänden im hauptstädtischen „Hospice de Pfaffenthal“ besucht, kann nur mit Erstaunen feststellen, dass die aufgeweckte Seniorin bereits mehr als 100 Jahre hat. Gefeiert wurde der runde Geburtstag am 9. Mai 2020 im Altenheim: per Videotelefonat mit einer Freundin, bestellten Scampis im chinesischen Lieblingsrestaurant sowie Kaffee und Kuchen im kleinen Kreis. Denn wegen Corona waren Visiten im Mai 2020 in dem Pflegeheim nicht erlaubt. Und so musste der zu einem 100. Geburtstag übliche Besuch von Bürgermeisterin Lydie Polfer und Familienministerin Corinne Cahen leider ausfallen.
Begeisterte Tierfreundin
Enttäuscht wirkt Marie Thill, wenn sie daran zurückdenkt. Umso größer deshalb die Freude, als der offizielle Besuch im März 2022 dann endlich nachgeholt werden konnte. „Ich habe die Ministerin gefragt, ob ein Hündchen mitkommt, aber leider sind diese hier nicht erlaubt“, erzählt Marie Thill. Sie selbst hatte Katzen, mag Hunde und eine ihrer liebsten Erinnerungen ist ein Tag im Bettemburger Märchenpark: Ein junges Zieglein sprang dort einfach auf den Schoß der im Rollstuhl sitzenden Frau – ein Foto davon hängt heute an der Wand in ihrem Zimmer im Altenheim.
Seit einigen Jahren bewegt sich Marie Thill mit dem Rollstuhl fort, da ihr die Kraft zum Gehen fehlt. Ansonsten ist sie guter Gesundheit und hat 2020 eine Infektion mit Corona überstanden – wenn auch sie in dieser Zeit sehr schwach war. „Aber ich bin eben ein Stehaufmännchen“, erklärt die inzwischen wieder putzmuntere Seniorin. Über die Nachrichten zur Pandemie, aber unter anderem auch den Krieg in der Ukraine, hält sie sich über Fernsehen und Zeitung auf dem Laufenden: „Man macht sich schon Gedanken. Die Menschen tun einem Leid, die können ja nichts dafür.“ Für den Fall, dass Marie Thill mal Bauchschmerzen bekommt, hat sie ihre eigene Lösung: „Dann trinke ich ein kleines bisschen Jägermeister.“ Sie freut sich auch immer, wenn eine Freundin eine kleine Flasche Sekt mitbringt. „Oh, und ich mag Porto“, erklärt die Seniorin, während die Augen hinter der teilweise schwarz umrandeten Brille aufleuchten.
Geboren wurde Marie Thill im hauptstädtischen Viertel Mühlenbach, als einziges Kind ihrer Eltern. In jungen Jahren geht sie ihrem Vater im Haushalt zur Hand und ist ab 20 in der Gartenarbeit tätig. „Während einem Monat musste ich immer Johannisbeeren pflücken. Aber das machte mir nichts. Denn wenn man etwas gerne macht, fällt es einem nicht schwer“, erklärt die Seniorin. Überall in ihrem Zimmer verteilt stehen Pflanzen. „Viele davon sind unecht, früher mochte ich das nicht.“ Jetzt allerdings sei das in puncto Pflege einfacher. Ihr Leben lang wohnte Marie Thill in der Hauptstadt – erst Mühlenbach, dann Rollingergrund. Die Nachbarn sahen dort nach der alleinstehenden Frau, im Alter kam die Verpflegung von Essen auf Rädern. „Das war immer sooo gut“, schwärmt Marie Thill noch heute. Ins Pfaffenthaler Hospiz zog sie mit 96 Jahren. Der Hauptstadt bleibt sie damit weiterhin treu.
Engagierte Helferin
Jahrzehntelang ist die stets hilfsbereite Frau ehrenamtlich in der Kirche aktiv gewesen. Immer wieder stieg sie die Treppen zur Kirche „Saint Antoine de Padoue“ auf einer Erhöhung in Rollingergrund hoch, um dort zu putzen und die Messdiener zu betreuen. Sie schicken ihr heute noch Karten. „30 Stück habe ich zu Neujahr bekommen“, erzählt die 101-Jährige lächelnd. Aus einem kleinen Kästchen kramt sie einen alten Zeitungsartikel vom Januar 2003 hervor. Auf einem Foto ist eine etwas jüngere Marie Thill neben Mitgliedern der Kirche zu sehen. Als ‚Joffer Marechen’, die seit 1940 im Dienst der Pfarrei Rollingergrund steht, wird die Seniorin in dem Text beschrieben. Für ihr freiwilliges Engagement wurde ihr damals eine Goldplakette verliehen. In ihrem langen Leben hat sie sich immer für andere eingesetzt und organisierte zum Beispiel Kleidersammlungen für Bedürftige.
Wird Marie Thill nach ihrem Geheimnis für ein langes Leben gefragt, antwortet sie geradeheraus: „Ich weiß es nicht, ich verstehe es doch selbst nicht.“ Doch wer den Geschichten aus ihrem Leben lauscht, erhält zumindest einen Eindruck davon, wie die Antwort auf diese Frage lauten könnte. Gelassenheit, Humor und das Schätzen kleiner Dinge – wie einem Glas Sekt oder netten Neujahrsgrüßen – scheinen ihr dabei geholfen zu haben, gut durchs Leben zu kommen. So sagt die lebenslustige Seniorin: „Es war nicht immer einfach, denn irgendeiner geht einem ja immer auf den Senkel. Aber ich lasse die Dinge kommen, wie sie eben kommen. Und damit bin ich dann zufrieden.“ Jetzt hofft sie, dass es zu ihrem 102. Geburtstag im Altenheim Scampis am Spieß zu essen gibt. Marie Thill grinst breit, wenn sie nur daran denkt.
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