/ 150 Jahre Suezkanal: Eine 7.000-Kilometer-Abkürzung durch die Wüste
Haushohe Containerschiffe hatte Ferdinand de Lesseps wohl kaum im Sinn, als er in Ägypten eine gewaltige Wasserstraße bauen ließ. 150 Jahre später ist der Suezkanal eine der wichtigsten Arterien im Welthandel – und Prestigeobjekt für Ägyptens Präsident Al-Sisi.
„Achtung, an die gesamte Crew: Wir haben eine Kollision!“ Arabische Funksprüche und Anweisungen auf Englisch sind zu hören, als das Containerschiff im Suezkanal wie in Zeitlupe mit einem Schüttgutfrachter kollidiert. Das Video im Internet zeigt, wie dramatisch eine Fahrt durch die ägyptische Wasserstraße verlaufen kann. Aus dem Welthandel ist das Transport-Nadelöhr auch 150 Jahre nach seiner Eröffnung nicht mehr wegzudenken, für die Ägypter bleibt der Kanal ein Prestigeobjekt.
„Einige Kapitäne verlieren an Bord komplett die Nerven“, sagt Mohamed Roshdy über die meist 11 bis 16 Stunden lange Durchfahrt. Seit fast 40 Jahren arbeitet der Ägypter als Lotse am Suezkanal, wo Tankern und großen Containerschiffen ohne seine Anweisungen ein Millionenschaden oder Schlimmeres drohen kann. Herzprobleme seien häufig, sagt Roshdy, der Stressfaktor unter Kapitänen sei hoch. Mitarbeiter der Reederei Hapag-Lloyd oder des Energiekonzerns Shell kommen inzwischen für Schulungen zu ihm.
Nichts für Unerfahrene
Auch für erfahrene Seeleute ist es kein Leichtes, einen 400 Meter langen Stahlriesen bei Strömung und Seitenwind durch eine schmale Schifffahrtsrinne zu steuern. Der Wüstenwind kann hier mit stürmischen 40 oder 50 Knoten pro Stunde über den Kanal fegen und ein haushohes Schiff in einen „Ballon“ verwandeln, wie Roshdy sagt. „Ein Schiff ist nicht wie ein Auto. Wenn du die Steuerung verlierst, weißt du nicht, wo es hintreiben wird.“
Doch um den Suezkanal führen in der Schifffahrt nicht viele Wege herum – jedenfalls nicht für einen aus Saudi-Arabien oder dem Irak kommenden Öltanker, der unter engem Zeitplan die Niederlande, Italien oder die USA ansteuert. Den Seeweg von Europa nach Indien verkürzt der Kanal um etwa 7.000 Kilometer, der Umweg über das Kap der Guten Hoffnung könnte ein Schiff bei 16 Knoten (etwa 30 Stundenkilometer) bald drei weitere Wochen kosten. Im eng getakteten Welthandel eine Ewigkeit.
Feierliche Eröffnung
Die enorme Zeitersparnis entzückt Händler, Schiffsleute und Politiker schon vor 150 Jahren, als der Bau am 17. November 1869 mit großem Pomp eröffnet wird. 5.000 prominente Gäste aus aller Welt reisen an, um das damals größte Projekt des maritimen Weltverkehrs zu bestaunen. Sie feiern bei Feuerwerk und einem Festball, denn Erbauer Ferdinand de Lesseps, ein französischer Diplomat, war im kargen Land eine technische Meisterleistung gelungen. Dass Zehntausende ägyptische Zwangsarbeiter unter brutalen Bedingungen schuften mussten und Tausende beim Bau ums Leben kamen, wird heute selten erwähnt.
Für Ägypten beginnt die eigentliche Party erst 1956, als der Kanal verstaatlicht und damit zu einer der wichtigsten Devisenquellen des Landes wird. Durch mehrfache Erweiterungen – zuletzt ein zweispuriger Ausbau auf zusätzlichen Abschnitten – soll der Kanal für Frachter und Container-Riesen attraktiv bleiben, unter anderem wegen kürzerer Wartezeiten. Im August verkündete die Kanalbehörde einen „Rekordjahresumsatz“ von 5,9 Milliarden Dollar (5,37 Mrd Euro), im Februar wurde die höchste Tages-Tonnage seit 150 Jahren gemeldet.
Kritik an Al-Sisi
Trotz dieser Jubelmeldungen wirkt das erklärte Ziel, den Umsatz bis 2023 mehr als zu verdoppeln, noch wie eine Seefahrermär. Kritiker werfen Präsident Abdel Fattah al-Sisi außerdem vor, mit der Erweiterung 2015 nur ein weiteres seiner Prestigeprojekte aus dem Boden gestampft und Staatsgeld verschwendet zu haben – ähnlich wie beim Bau einer neuen Hauptstadt östlich von Kairo. Ein Drittel der ägyptischen Bevölkerung lebt in extremer Armut und muss mit umgerechnet etwa einem Euro am Tag auskommen.
Vor allem für die Container-Schifffahrt wäre es ein herber Schlag, wenn diese wichtige Route des Welthandels eines Tages gekappt würde. 18.000 Schiffe durchfuhren den Suezkanal vergangenes Jahr, im Schnitt etwa 50 am Tag. Von einem „kritischen Engpass“ spricht die US-Energiebehörde auch für den Handel mit Öl, Gas und Erdölprodukten.
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