Christiane Heiser / 30 Jahre danach: Keine neuen Erkenntnisse im Mordfall der Escher Studentin
„Mais elle était du monde où les plus belles choses ont le pire destin; et rose elle a vécu ce que vivent les roses, l’espace d’un matin“: Das Zitat des französischen Poeten François de Malherbe ziert den Grabstein von Christiane Heiser auf dem Escher Josefsfriedhof. Heiser war 21 Jahre jung, als sie in Brüssel ermordet wurde. Der Mord blieb ungesühnt, ein Täter konnte von den belgischen Behörden nie ermittelt werden. Heute jährt sich der Leichenfund zum 30. Mal.
Christiane Heiser war ein lebenslustiger Mensch, ein wenig introvertiert, aber mit den typischen Interessen eines Teenagers zu dieser Zeit. Sie mochte Musik, besuchte Popkonzerte und liebte das Reisen. Zudem spielte sie gerne Tennis. Ihre Schulkarriere bestritt Heiser im LGE, wo sie nach einem Jahr als Austauschschülerin in den USA 1991 ihr Abitur machte. Nach der „Première“ besuchte sie zunächst den „Cours universitaire“ auf Limpertsberg, ehe sie im Herbst 1992 an der ULB in Brüssel das Wirtschaftsstudium aufnahm. Vom Studentenleben sollte Christiane Heiser keine fünf Wochen profitieren dürfen.
Im Studentenwohnheim „Campus Irena V“ bewohnten die Luxemburger Studenten ein Stockwerk. Rund 20 Zimmer seien damals von Kommilitonen aus dem Großherzogtum belegt gewesen, erinnert sich René Hoffmann, dessen Zimmer genau gegenüber dem von Christiane Heiser lag. „Ich habe sie kennengelernt, da wir beide am selben Tag dort eingezogen sind“, so Hoffmann.
Hoffmann und zwei weitere Luxemburger hatten am 12. November den Hausmeister alarmiert. Schließlich hatte es seit dem 9. November um 18.00 Uhr kein Lebenszeichen mehr von Christiane Heiser gegeben. Als der Hausmeister mit seinem Zweitschlüssel die Wohnungstür aufsperrte, wurde sofort deutlich, dass hier etwas Furchtbares geschehen war. Zwar war von Christiane Heiser nichts zu sehen, doch deutete das viele Blut auf ein Verbrechen hin. Die Polizei wurde alarmiert, sie fand die mit Messerstichen übersäte Leiche der jungen Frau im Badezimmer. Über den Kopf war eine Plastiktüte gestülpt. Insgesamt wurden 33 Stiche mit einem Küchenmesser und einem Cutter gezählt. Zeichen sexueller Gewalt gab es keine. Die Badezimmertür war, genau wie die Eingangstür zur Wohnung, abgesperrt.
Eine Theorie besagt, dass das Opfer verwechselt wurde und in Wirklichkeit die Vormieterin im Visier des Täters war. Sie war fünf Wochen vor der Tat aus der Studentenwohnung ausgezogen und in der Drogenszene bekannt. Auch ein Obdachloser geriet in Verdacht, doch der DNA-Test entlastete den Mann. Die These eines Raubüberfalls wurde ebenfalls schnell verworfen, zu holen gab es in der Wohnung wenig Wertvolles, obwohl einige Gegenstände fehlten.
„Chasse aux filles“
Gut ein Jahr später gab es einen ähnlichen Mordfall in einem Studentenheim, diesmal in Louvain. Die Parallelen waren eindeutig. Beim Täter handelte es sich um Christian Heyens, der bis heute in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt sitzt. Heyens ist ein Psychopath, er machte Jagd auf junge Mädchen, verfasste gar eine Art Handbuch mit dem Titel „Chasse aux filles“. Doch seine DNA stimmte nicht mit den in Christiane Heisers Wohnung entnommenen Proben überein. Allerdings steckte die Genanalyse zu Beginn der 1990er Jahre in den Kinderschuhen und war noch lange nicht so präzise wie heute. Zu allem Überfluss wurden Beweisstücke im Mordfall Christiane Heiser im Jahr 2000 auf Anordnung des Gerichts vernichtet.
Warum das geschah, können sich die Heisers bis heute nicht erklären. Die vierköpfige Familie lebte zunächst in Esch in der Jean-Pierre-Michels-Straße, zog später nach Foetz. Vater Roby betrieb lange Jahre das Fotogeschäft im „Centre Mercure“. Seit nunmehr 30 Jahren werfen sie der belgischen Justiz Retizenz vor, insbesondere was den Informationsfluss angeht. Sie vermuten, dass die chaotischen Zeiten von damals etwas damit zu tun haben könnten. Fest steht, dass die Justiz in Belgien um die Jahrtausendwende mächtig unter Druck stand. Marc Dutroux, Michel Fourniret oder die sogenannten „Tueries du Brabant“ rückten ihre Arbeit in ein schlechtes Licht. Vielleicht wollte sie deshalb ein weiteres Totalversagen verhindern oder unter den Teppich kehren.
Tat ist nicht verjährt
Jedenfalls sind das Gedanken, die durchaus legitim sind, wenn auch nach 30 Jahren der Mörder der eigenen Tochter nicht identifiziert ist. Getan hat sich jedenfalls in den letzten Jahren so gut wie nichts. 2010 überprüfte die belgische Justiz im Zusammenhang mit dem Geständnis des Serienmörders Ronald Janssen weitere ungeklärte Mordfälle, ohne Erfolg. 2015 kontaktierte die Staatsanwaltschaft die Familie und gab ihr dank neuer Methoden in der DNA-Forschung kurzzeitig die Hoffnung, den Mörder von Christiane doch noch zu finden. Vergeblich, die Heisers hörten nie mehr davon. Im Frühjahr dieses Jahres meldete sich eine Forscherin der Universität Leuven bei ihnen und berichtete von einer neuen Methode zum DNA-Abgleich, jedoch ist diese in Belgien (im Gegensatz zu den USA oder Italien) noch nicht gesetzlich verankert. Es gibt also noch (eine kleine) Hoffnung, zumal in Belgien die Verjährungsfrist bei Mord vor einigen Jahren verlängert wurde. Wäre das nicht geschehen, hätte sich die Suche von heute an erübrigt …
Anfang der 2000er Jahre war auch das letzte Mal, dass René Hoffmann mit dem Fall befasst wurde. Der Nachbar von Christiane Heiser im Studentenwohnheim wurde von der Polizei gebeten, sich einige Fotos von Personen und Autos anzusehen, konnte aber keines der Bilder zuordnen. Am vermeintlichen Todeszeitpunkt waren nicht mehr als drei oder vier Studenten im Wohnheim gewesen, da viele den Einstieg ins Studentenleben feierten. Diejenigen, die dort waren, hörten nichts. Nach der Bluttat organisierten die Luxemburger auf ihrem Stockwerk fast zwei Jahre lang eine „Student-watch“, eine Art Patrouille zur Sicherheit. Zudem brachten sie zusätzliche Schlösser an den Türen an. Für Christiane Heiser kam das zu spät.
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„Die Badezimmertür war, genau wie die Eingangstür zur Wohnung, abgesperrt.“
Wer hatte Schlüssel?