384 Stunden gelebte Solidarität / Dachdecker helfen nach Tornadoschäden in Petingen und Käerjeng
„Mir gefror das Blut in den Adern. Es sah aus, als wären wir in einem Krisengebiet angekommen“, so Jang Schumacher, Miteigentümer der Firma Toiture Moderne aus Colmar-Berg, über seine ersten Eindrücke bei der Ankunft am vergangenen Samstagmorgen in Käerjeng.
Eigentlich war der Freitag vergangener Woche für den Unternehmer aus Colmar-Berg ein ganz normaler Freitag. „Ich dachte ans Wochenende, plante aber auch schon an den Projekten für die darauf folgende Woche, sprach mich noch mit den Arbeitern ab. Was soll ich sagen, alles war wie immer, bis …“
Am späten Nachmittag erschienen die ersten Meldungen auf dem Display seines Mobiltelefons. Es ging die Rede von schweren Unwettern über dem Süden des Landes.
Die Hiobsbotschaften rissen anschließend nicht ab. „Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keinen Überblick, was den Umfang eventueller Schäden an Dächern anging, deshalb plante ich zuerst nur einen Bereitschaftsdienst (’Fléckgrupp‘) unserer Firma übers Wochenende, der im Normalfall mit zwei Mitarbeitern besetzt ist.“ In der Nacht zum Samstag hätten sich die Ereignisse dann überschlagen. „Ein Freund, der mit der Feuerwehr in Niederkerschen im Einsatz war, schrieb mir mitten in der Nacht, dass es sich um eine wahre Katastrophe handelt, die sich in den Gemeinden Petingen und Käerjeng zugetragen habe.“ „Hei gëtt vill Hëllef gebraucht“, hieß es unter anderem.
Kurze Verschnaufpause für Edy Meester, Engjel Bajrami, Luc Engel, Steve Weis und Marc Bodem (v.l.n.r.)
„Alle waren sofort bereit …“
Gegen 5 Uhr in der Früh stand für Jang Schumacher fest, dass er versuchen wird, eine Mannschaft zusammenzutrommeln, um den Opfern des Tornados schnelle Hilfe zukommen zu lassen. Er hängte sich ans Telefon und rief seine Angestellten an, die nicht im Urlaub waren. „Bei jedem stieß ich auf offene Ohren. Alle waren sofort bereit, das Wochenende über zu arbeiten, obschon sie eine harte Woche hinter sich hatten.“ Einer von ihnen ist der Sohn des Betreibers der Firma „Den Daachdecker“ aus Michelbuch.
Jim Nesen absolviert zurzeit im Betrieb von Schumacher in Colmar-Berg seine Lehre als Dachdecker. „Über diesen Weg kam am frühen Samstag eine Zusammenarbeit zustande, die über das ganze Wochenende ihre Früchte trug. Der Vater von Jim, Raymond Nesen, rief zurück und gab mir zu verstehen, dass auch er sich mit weiteren drei Mitarbeitern am Einsatz beteilige.“
Kurze Zeit später wurden vier Lieferwagen und zwei Tieflader mit Kran hauptsächlich mit Material beladen, das man zum Anbringen von provisorischen Dachabdeckungen braucht. Die 16 Mann starke Truppe machte sich dann auf den Weg Richtung Käerjeng, wo laut Verantwortlichen des CGDIS („Corps grand-ducal d’incendie et de secours“) eine Sammelstelle eingerichtet war, von der aus die Einsätze koordiniert werden sollten.
„Nach einer längeren Wartezeit in der Nähe des Cactus-Supermarktes wurden wir nach Lamadelaine geschickt. Dort waren drei nebeneinander stehende Reihenhäuser abgedeckt worden.“
Edy Meester bei der Arbeit
Schwierige Organisation
Zu Beginn habe keiner so recht gewusst, wo er anfangen und wo er aufhören sollte, da die Schäden die Befürchtungen weit übertrafen. Es musste zuerst kontrolliert werden, ob das übrig gebliebene Gemäuer für den Aufbau noch sicher genug war. „Nachdem wir grünes Licht und eine weitere Hebebühne vor Ort hatten, stiegen wir hoch. Wir versuchten, die größtmöglichen Sicherheitsvorkehrungen für unsere Leute zu treffen, doch ehrlich gesagt, wir konnten unmöglich alle Regeln einhalten. So konnten wir aus Zeit- und auch Materialgründen z.B. keine Arbeitsgerüste aufstellen.“
Am Samstag wurde 12 Stunden am Stück gearbeitet, damit die Bewohner der drei Häuser in Lamadelaine wieder ein Dach über dem Kopf hatten. „Es war eine sehr schwere Arbeit, doch das eine oder andere Späßchen blieb trotzdem nicht aus. Das war auch gut so, denn anders hätten wir wohl den ganzen Tag an das Leid der Tornado-Opfer gedacht und Trübsal geblasen … und wenn der Kopf nicht frei ist, passieren Unfälle.“ Am späten Samstagnachmittag machte sich dann Unmut unter den Handwerkern breit. „Nicht nur unsere Angestellten, sondern auch andere Handwerker, die im Einsatz waren, bemängelten die Tatsache, dass die Feuerwehrleute und die Soldaten vom CGDIS beköstigt wurden, den Arbeitern von öffentlicher Seite jedoch weder Wasser noch Essen gereicht wurde“, monierte Schumacher (siehe untenstehenden Kasten).
Mike Dostert auf einem der abgedeckten Reihenhäuser in Lamadelaine
Nächster Tag, gleicher Einsatz
Am Sonntagmorgen waren alle wieder früh auf den Beinen. „Wir beluden die Liefer- und Lastwagen erneut und fuhren gemeinsam nach Käerjeng. Zuerst arbeiteten wir an einem Haus in der rue de l’Eau, dann ging es in die Pierre-Schiltz-Straße, wo das Flachdach eines großen Einfamilienhauses vom Sturm komplett abgetragen wurde. Aus sämtlichen Schlafzimmern und auch im Badezimmer auf der obersten Etage hatte man einen freien Blick auf die vorbeiziehenden Wolken. Die Eigentümer waren zu diesem Moment noch auf dem Weg zurück aus dem Urlaub.“
Da es sich hierbei um ein sehr großes Dach handelte, musste die ganze Truppe der beiden Firmen ran. „Wir schufteten zu 16 Mann acht Stunden lang allein an diesem provisorischen Dach. Das war beileibe kein einfaches Unterfangen. Am Rande bemerkt: Ein Mitarbeiter wurde gleich mehrmals von Wespen gestochen. Wir haben vor Ort um Hilfe gebeten, doch es blieb mir nichts anderes übrig, als eine Ambulanz anzufordern“, erzählte uns Jang Schumacher.
Die Schäden übertrafen alle Befürchtungen
Gruppe zusammengeschweißt
Die 16 Mann hatten an den beiden Wochenendtagen zweimal 12 Stunden am Stück gearbeitet (Gesamtstundenzahl: 384), als sie am Sonntagabend im Betrieb in Colmar-Berg völlig ausgepumpt ankamen. „Wir blieben noch kurz zusammen, redeten über das, was wir gesehen und gearbeitet hatten, feuerten noch den Grill an und tranken ein Bier. Eines wurde zu diesem Moment klar: Dieser Einsatz hatte unser Team und auch das vom ’Den Daachdecker‘ nahtlos zusammengeschweißt“, sagte der Betreiber der Firma Toiture Moderne. Die stets gute Atmosphäre im Betrieb habe sich seit dem Wochenende noch verbessert.
„Ich habe meinen Mitarbeitern, die bis dahin der Meinung waren, sie hätten auf freiwilliger Basis geschuftet, gleich am Montag den Lohn für die Wochenendarbeit ausgezahlt, dazu habe ich ihnen pro Tag eine, nennen wir es ’Solidaritätsprämie‘ von 250 Euro bezahlt, da ich der Meinung war und bin, dass sie sich das redlich verdient haben. Ich wollte damit ihre überaus solidarische Haltung gegenüber ihren Mitbürgern und nicht zuletzt auch gegenüber ihrem Arbeitgeber belohnen“, so Jang Schumacher.
Eines der zahlreichen abgedeckten Häuser in Käerjeng
Sie waren im Einsatz
Die beiden im nebenstehenden Artikel erwähnten Firmen waren mit folgenden 16 Männern vor Ort: Norbert Simon, Pit Mander, Steve Weis, Edouard Meester, Luc Engel, Marc Bodem, Mike Dostert, Jim Nesen, Cezinando Cornélio Rodrigues, Engjel Bajrami, Jang Schumacher, Jos Mulbach, Marc Kleber, Max Nesen und Raymond Nesen. Ein weiterer Mitarbeiter bat darum, nicht namentlich erwähnt zu werden.
Essen und trinken?
Die Handwerker bemängelten im Laufe des späten Samstagnachmittags, dass ihnen von öffentlicher Seite nicht einmal Wasser angeboten wurde, geschweige denn etwas zu essen, derweil die Soldaten und die Feuerwehrleute vom CGDIS beköstigt wurden.
„Das sorgte zu gegebenem Moment für eine leicht aufgebrachte Stimmung nicht nur unter unseren Mitarbeitern, sondern auch bei anderen Handwerkern, die im Noteinsatz waren“, so Dachdeckermeister Jang Schumacher. „Darauf angesprochen, gab mir ein Feuerwehrmann zu verstehen, in Käerjeng sei eine Stelle eingerichtet, wo man etwas trinken oder essen könne. Ich fragte ihn, ob meine ganze Truppe denn nun mit der Arbeit aufhören, nach Käerjeng ein Glas Wasser trinken fahren und dann wieder zurückkommen solle. Doch dabei blieb es. Das CGDIS fuhr unverständlicherweise kein Wasser an die Handwerker aus!“
Am Sonntag wurde es dem Dachdeckermeister dann zu bunt: Gegen 14 Uhr rief er in einer Pizzeria an und bestellte auf eigene Kosten eine große Anzahl von Pizzen für die Arbeiter. Der Pizzabäcker entschied kurzerhand, den Handwerkern Getränke (Mineralwasser, Cola und Limo) kostenlos mitzuliefern. Man sieht, es geht auch anders, etwas guten Willen vorausgesetzt.
Ratschläge
Auf die Frage, was man tun kann, damit einem das Dach bei einem Sturm nicht so schnell vom Haus fliegt, antwortete Jang Schumacher (Toiture Moderne) Folgendes:
1) Ein Dach sollte nur von geschulten Handwerkern angebracht werden.
2) Die Dachbalken müssen, wie es das Regelwerk vorsieht, mit Schwerlastdübeln und -schrauben am Bau befestigt und nicht nur auf die Hausgiebel aufgelegt werden.
3) Auch die einzelnen Balken müssen unter sich mit dafür geeigneten Schrauben befestigt werden.
4) Die gesamte Dachkonstruktion sollte periodisch von Fachleuten kontrolliert werden.
Eine hundertprozentige Sicherheit gebe es aber nie, da eben alles von der Kraft des jeweiligen Sturms abhänge.
Zwölf oder mehr
Nach der Zahl der Dachdeckerfirmen gefragt, die am Wochenende in Petingen und Käerjeng im Einsatz waren, wurde uns gesagt, dass es wohl um die zwölf gewesen sein müssen. Diese Zahl sei aber lediglich geschätzt.
Gauner unterwegs
Bereits am Samstag waren unehrliche Gestalten in Petingen und Käerjeng unterwegs, die den Opfern des Tornados handwerkliche Hilfe anboten. Die Betroffenen sollten jedoch zuerst einen Vorschuss zahlen, bevor mit der Arbeit begonnen werde. Das Geld einmal in der Tasche, verschwanden sie auf Nimmerwiedersehen. Die Polizei setzte daraufhin sogar Beamte in Zivilkleidung ein und konnte manche dieser Gauner dingfest machen.
Top und Flop
In den letzten Tagen habe man den Unterschied zwischen den einzelnen Versicherungsfirmen sehr gut erkannt, so ein Handwerkermeister. Während die einen ohne zu zögern die Unkosten für die am Wochenende geleistete Arbeit übernahmen und den Arbeitern sogar noch Dankesworte für ihre Leistung aussprachen, begannen andere langatmige Diskussionen und feilschten um jeden einzelnen Cent.
„Eine Versicherungsgesellschaft glaubte uns nicht einmal, dass wir am Sonntag im Einsatz waren. Ich musste ihnen sagen, dass unsere Firmenwagen alle mit GPS ausgerüstet sind und man anhand der Speicherchips sehr gut nachverfolgen könnte, wann die Fahrzeuge wo waren. Das muss man sich mal vorstellen.“
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Een feinen Geste vun dénen Arbechter,dat nennen ech Solidartéit an Nächstenléift ! Bravo dir Leit,weider esou !