Coronakrise / 4.500 Anrufe pro Woche: Beim Contact Tracing in Hamm laufen die Telefonleitungen heiß
Im Kampf gegen das Coronavirus setzt Luxemburg auf zwei grundlegende Strategien: „Testen, testen, testen“ und die Kontakte der infizierten Personen ermitteln. Das Contact-Tracing-Team leistet dabei eine wichtige Arbeit. Wir haben einen zweiten Blick hinter die Kulissen der Zentrale in Hamm geworfen.
Dem Gebäude in der Industriezone in Hamm am Rande der Hauptstadt sieht man es immer noch nicht an, dass hier einer der wichtigsten Dienste im Kampf gegen das Coronavirus untergebracht ist. Als das Tageblatt Anfang Mai zum ersten Mal das Contact-Tracing-Team bei seiner Arbeit begleitete, waren die damals rund 40 Mitarbeiter erst drei Wochen im Komplex des Gesundheitsamts untergebracht. Mittlerweile hat sich der Dienst auf anderthalb Etagen ausgebreitet und umfasst – Informatiker und Data-Analysten mit einberechnet – knapp 100 Mitarbeiter. Bis zu 4.500 Anrufe lassen pro Woche die Telefonleitungen heißlaufen.
Sie sitzen in Zweier- und Vierer-Mannschaften in einzelnen Büros mit Glastüren zusammen. An den Scheiben hängen Zettel, auf denen verzeichnet ist, wer an diesem Tag in dem jeweiligen Büro im Einsatz ist. Die Räume selbst sind karg, jede Person ist mit einem Computer, einem Laptop und einem Telefon ausgestattet, dazwischen stehen Boxen mit frischen Masken und Desinfektionsmittel. Die strikte Unterteilung sei wichtig, sagt Dr. Laetitia Huiart. „Wir müssen uns auch auf den Fall vorbereiten, dass einer unserer Mitarbeiter positiv getestet wird.“ So würde dann immer nur eine Mannschaft ausfallen. Bisher sei das glücklicherweise noch nicht passiert.
Huiart ist eigentlich seit 2017 Direktorin der Abteilung für öffentliche Gesundheit am „Luxembourg Institute of Health“ und hat im April die Aufgaben der Divisionsleiterin am Luxemburger Sanitäramt übernommen. Das Lachen ist ihr seitdem aber nicht vergangen, auch wenn sie etwas müder wirkt als noch im Mai. Wie viele Stunden sie und ihr Team arbeiten, will sie nicht verraten, aber „es sind teils sehr lange Tage“. Corona-Frust habe sich noch nicht eingestellt, aber eine gewisse Resignation schon. „Wer am Anfang geglaubt hatte, Corona sei ein Kurzzeitproblem, wurde eines Besseren belehrt. Es wird uns noch eine lange Zeit begleiten.“
Tracing-Team weiter ausbauen
Wie Gesundheitsministerin Paulette Lenert bestätigt, soll das Contact Tracing noch mindestens bis nächstes Frühjahr weitergeführt werden. Wie sich die Arbeit des Kontaktverfolgungsteams in dieser Zeit weiterentwickeln wird, kann Huiart nicht sagen. Sie wolle „keinen Blick in die Kristallkugel“ werfen und irgendwelche Prognosen treffen. Da würde man viel zu oft falsch liegen. „Wir müssen uns der Situation so anpassen, wie sie sich entwickelt, und Flexibilität zeigen.“
Aktuell könnte das Team bis zu 4.100 Kontakte pro Woche stemmen. „Wenn wir noch ein wenig nachbessern, könnten wir in der aktuellen Konstellation sogar 4.500-5.000 schaffen“, sagt Huiart. Man habe auch noch die Möglichkeit, das Team aufzustocken. Ein wenig Platz bleibe ihnen noch. Die Hotline musste schon aus dem Komplex in Hamm in ein anderes Gebäude auf Cloche d’Or umziehen, um dem Tracing-Team Platz zu machen. Gesundheitsministerin Lenert bestätigt gegenüber dem Tageblatt, dass man den Dienst auch weiter aufstocken möchte. Deswegen würden fortlaufend weitere Personen ausgebildet werden.
Das bisherige Team setzt sich aus Studenten, Freiwilligen, Angestellten aus anderen Ministerien und Mitgliedern der „Réserve sanitaire“ zusammen. Zwölf Personen mit einem administrativen Profil wurden von der Arbeitslosenbehörde Adem an den Dienst verwiesen. Es gibt – wie schon im Mai – zwei zentrale Aufgabenfelder: die Telefonate mit einer als positiv getesteten Person und die Anrufe bei möglichen Kontakten.
Ein paar schwarze Schafe
„Die beiden Mannschaften arbeiten getrennt voneinander“, erklärt Huiart. Die Teams des „J1“ müssen einen medizinischen Hintergrund haben, also etwa eine Ausbildung als Krankenpfleger oder Arzt. „Sie sind diejenigen, die die positiv getestete Person anrufen und ihr die Situation erklären“, sagt Huiart. Dabei geht es u.a. auch darum, ob sie Symptome der Krankheit aufweisen, und einzuschätzen, wie gefährdet die jeweilige Person ist. Dann werden Kontakte der 48 Stunden vor dem ersten Eintreten der Symptome oder dem positiven Test abgefragt.
Diese Anrufe können eine Stunde bis anderthalb Stunden dauern, erzählt Stéphanie, eine der Einsatzkräfte. Die 31-Jährige ist als Teil der sanitären Reserve zum Contact Tracing dazugestoßen. Sie gibt zu, dass es mittlerweile einige Personen gibt, die sich zu Beginn strikt weigern, eine Quarantäne zu respektieren. Dann gelte es, sie über das Gespräch doch zu überzeugen. Am Ende würden die meisten dann doch einlenken. Frustriert scheint die junge Frau von der Einstellung mancher dennoch zu sein. Eine spezielle Altersgruppe, die sich stärker gegen die Maßnahmen sträube, gebe es nicht. „Unvernünftige gibt es in jedem Alter“, bringt es ihre Chefin, Dr. Huiart, auf den Punkt. Santé-Direktor Jean-Claude Schmit betont gegenüber dem Tageblatt aber, dass sich bisher der Großteil der Infizierten und möglicherweise Infizierten an die Quarantäne hält. Das andere seien nur „ein paar schwarze Schafe“. Wie viele solche Lämmer es genau gibt, kann er nicht sagen. Man habe aber noch keinen für das Nicht-Respektieren der Maßnahmen bestraft. „Wir setzen auf Sensibilisierung und wollen nicht sofort den dicken Hammer auspacken.“
Rekord von 265 Kontakten
Ehe das Dossier an die zweite Mannschaft überreicht wird, prüft die zentrale Schaltstelle, ob alle Informationen vorhanden sind. Wenn es die positiv getestete Person wünscht, wird die Akte anonymisiert. „So wird der Datenschutz garantiert“, sagt Huiart. Sie räumt aber ein, dass das Rückverfolgen der Kontakte leichter fällt, wenn man den Namen der infizierten Person nennen kann. Insbesondere konzentriert man sich dabei auf Personen, die als gefährdet eingestuft werden. Im Durchschnitt kommen auf jede positiv getestete Person etwa 10 bis 15 Kontakte, die ebenfalls in Quarantäne geschickt werden müssen. Bei manchen mit einem aktiveren Sozialleben müsste das Team bis zu 60 oder 80 Kontakte nachverfolgen. Der bisherige Rekord einer Person waren 265 Kontakte innerhalb von 48 Stunden. „Das ist aber die absolute Ausnahme“, betont Huiart. Außerdem heißt es nicht, dass viele Kontakte automatisch viele Ansteckungen bedeuten. Einen sogenannten Superspreader habe es in Luxemburg bisher noch nicht gegeben.
Zugenommen hätten die Kontakte der infizierten Personen seit dem Ende des „Confinement“ schon. Doch Huiart hat Verständnis, besonders für die jüngeren Menschen, denen die Isolierung schwerer fällt. Ihnen die Schuld an der zweiten Welle zu geben, sei falsch. Das wichtigste sei momentan, dass die Quarantäne und die Isolierung respektiert wird. „Ja, es ist nervig und man wollte eigentlich etwas total Tolles unternehmen. Aber die paar Tage sollte doch jeder zu Hause bleiben können.“
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Wen rufen die denn an? Ältere Leute die noch einen Festnetzanschluss haben?
„Der bisherige Rekord einer Person waren 265 Kontakte innerhalb von 48 Stunden. „
WER BITTE BUSSERT DENN JEDE 10 MINUTEN???
Beruflich oder in der Freizeit 😉