Umwelt / 5,6 Millionen Tonnen Mikroplastik: Synthetische Fasern belasten die Natur
Plastik verschmutzt die Umwelt. Der Kunststoff kann nicht von Mikroorganismen abgebaut werden. Stattdessen zerfällt der Müll in immer kleinere Einzelteile, die inzwischen überall in der Natur an Land und in den Meeren nachgewiesen werden können. Es ist zwar schwierig, aber Wissenschaftler aus Kalifornien haben nun versucht zu berechnen, welche Rolle synthetische Kleider dabei spielen.
Die Beluga II ist kein hochseetaugliches Schiff. Sie fährt auf Flüssen oder entlang der Küste. Auf ihrer Tour durch Europa – von Rotterdam bis nach Hamburg – hat sie im letzten April 2019 auch Luxemburg einen Besuch abgestattet. Das Schiff gehört der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Mit kleinen Beibooten fuhren die Aktivisten den Fluss auf und ab, um Proben zu sammeln. Auch in der Mosel mussten die Umweltschützer nicht lange suchen, bis sie auf Kunststoff stießen. Unter Deck hatte die Crew der Beluga II ein kleines Labor eingerichtet, in dem sie Proben aus der Mosel untersuchte und neben viel Pollen und Insekten auch – wie erwartet und gut sichtbar – kleine Plastikstücke fand. Solcher Mikroplastik ist mittlerweile überall auf der Welt in Gewässern zu finden. Die Lage ist beunruhigend.
Als Mikroplastik werden Plastikteilchen bezeichnet, die an ihrer breitesten Stelle nicht dicker als 5 mm sind. Stücke, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind, werden als Nanoplastik bezeichnet. In der Regel werden große Plastikstücke, wie weggeworfene Verpackungen, durch Erosion unter dem Einfluss von Sonnenlicht zu immer kleineren Teilen zerlegt. In der Natur können sie Schaden anrichten, wenn sie zum Beispiel von Tieren (unbeabsichtigt) gegessen werden oder Tiere über sie giftige Stoffe aufnehmen.
Die Hälfte der Fasern landet im Wasser
Synthetische Kleidungsstücke tragen nicht unwesentlich zur Menge an Kunststoffen bei. Durch das Tragen und Waschen der Kleidung lösen sich darauf synthetische Fasern, die in die Umwelt gelangen können. Forscher von der University of California haben diesen Aspekt der Umweltverschmutzung nun genauer untersucht. Ihnen zufolge sind auf diese Weise zwischen 1950 und 2016 rund 5,6 Millionen Tonnen synthetische Mikrofasern in die Umwelt gelangt. Rund die Hälfte davon gelangt in Gewässer. Die andere Hälfte landet auf Mülldeponien oder in der freien Natur. Das Problem hat sich über die Jahre zugespitzt, wie aus dem Bericht hervorgeht. „Die Hälfte dieser Menge wurde während des letzten Jahrzehnts emittiert, mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 12,9 Prozent“, schreibt das Team um Jenna Gavigan in einem Fachaufsatz im Open Access Journal PLOS ONE.
Wie die Wissenschaftler in ihrer Arbeit erklären, sind nicht nur Tiere und Pflanzen durch Mikroplastik Schäden ausgesetzt. „Der Mensch wird auch durch das Einatmen von Mikrofasern in der Luft und den Verzehr von Mikrofasern, die in herkömmlichen Lebensmitteln wie Wasser, Alkohol, Meeresfrüchten, Zucker und Honig vorkommen, beeinflusst. Aus der aktuellen Literatur geht hervor, dass Mikrofasern sich in der Lunge bioakkumulieren und Entzündungen auslösen können. Die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit sind jedoch noch nicht gut erforscht“, heißt es in dem Fachaufsatz.
Unter anderem seht Nanoplastik im Verdacht, das zentrale Nervensystem zu beeinflussen und Depressionen sowie Entzündungen zu verursachen. In einem Aufsatz im Fachblatt Maturitas folgerten britische Forscher um Rosemary H. Waring hierzu: „Es ist unwahrscheinlich, dass eine Plastikkontamination der Nahrungsmittelkette eine ernsthafte Toxizität verursacht, solange keine hohen Mengen an Kontamination in menschlichem Gewebe gefunden werden, aber unter besonderen Umständen, wie einem undichten Darm, einer durchlässigen Blut-Hirn-Schranke und der langfristigen Einnahme von kontaminierten Nahrungsmitteln, ist dies nicht völlig unmöglich.“
Das Problem der Waschmaschinen
Die genaue Menge des Plastiks festzustellen, der durch das Waschen synthetischer Kleider in die Umwelt gelangt, stellt die Wissenschaft vor eine Herausforderung. Bisherige Studien haben sich meist auf Waschmaschinen beschränkt, dabei werde ein erheblicher Teil der Wäsche weltweit per Hand erledigt, schreiben die kalifornischen Forscher. Es werde davon ausgegangen, dass sich bei der Handwäsche weniger Mikrofasern aus den Kleidern lösen. Der zunehmende Gebrauch von Waschmaschinen verschärft das Problem deshalb.
Die Forscher rechnen damit, dass in Zukunft immer mehr Menschen weltweit an Kläranlagen angeschlossen werden. Dadurch werde das Problem von synthetischen Mikrofasern allerdings nur von Gewässern an Land verlagert. Sie mahnen: „Die Vermeidung von Emissionen an der Quelle wäre daher eine wirksamere Maßnahme zur Emissionsminderung.“
In Kläranlagen könnten zwar 98 bis 99 Prozent der Mikrofasern herausgefiltert werden. Allerdings wird weiterverarbeiteter Klärschlamm (Biofeststoffe) in der Landwirtschaft als Dünger verwendet. Die amerikanischen Forscher befürchten, dass über diesen Klärschlamm Mikrofasern auf die Felder gelangen, wo sie über Jahre liegen bleiben. Auch in Luxemburg gelangt weiterverarbeiteter Klärschlamm zum Teil in die Landwirtschaft – 2018 waren es mehr als 2.000 Tonnen (Trockensubstanzgehalt), wie dem Jahresbericht der kläranlagenspezifischen Abfälle zu entnehmen ist. In der EU ist die Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft streng reguliert. Eine Richtlinie legt zum Beispiel die maximalen Schwermetallmengen fest, die darin enthalten sein dürfen. Diese „Klärschlammverordnung“ setzt allerdings keine Regeln für Mikroplastik.
Bei den berechneten 5,6 Millionen Tonnen synthetischen Mikrofasern handelt es sich um eine Schätzung. Die Forscher gingen von der jährlichen Produktion an synthetischen Kleidern aus und trafen fundierte Vermutungen darüber, wie lange Kleider getragen werden und wie oft sie gewaschen werden.
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