„Escher Meedercherslycée“ / 60 Jahre „Première“: Ein Jubiläum der besonderen Art
Heute sind sie rüstige Rentnerinnen, vor über 60 Jahren waren sie echte Pioniere: Denn sie gehörten zu den ersten Schülerinnen, die am 25. April 1955 ins tags zuvor von Großherzogin Charlotte eingeweihte Mädchengymnasium von Esch einzogen. Vor kurzem feierte die Klasse ihr Konveniat zum 60. Jahrestag ihres Abiturs.
Das heutige „Lycée Hubert Clément Esch“ (LHCE) hieß damals „Lycée de jeunes filles d’Esch“ und war genau das, was der Name verriet: ein Lyzeum, das ausschließlich Mädchen besuchten. Es war damals eine von zwei solcher Schulen im Land, neben dem heutigen „Lycée Robert Schuman“ in Luxemburg-Stadt. Bis aber das „Escher Meedercherslycée“ stand, verging eine lange Zeit. 1906 gründete Aline Mayrisch-de Saint-Hubert eine Vereinigung für die Interessen der Frauen. Die setzte sich für eine vollständige Reform der Mädchenbildung und die Schaffung von Sekundarschulen nach dem Vorbild der 1880 in Frankreich gegründeten „Lycées publics de jeunes filles“ ein, wie der Historiker Denis Scuto in einem Tageblatt-Artikel rekonstruierte.
Die Escher Sektion der „Association d’éducation populaire“ um Professor Jean-Baptiste Ensch gründete 1910 ein „Comité pour la création d’un lycée de jeunes filles à Esch-sur-Alzette“. Vorsitzender war der erste sozialistische Abgeordnete Luxemburgs, C.M. Spoo. Die Vereinigung kämpfte um Klassenzimmer für Mädchen, zunächst im Escher Rathaus (1910-1917), dann in der ehemaligen Grundschule am „Schoulbierg“ (1917-1955). Der Widerstand gegen ein Mädchenlyzeum war in konservativen Kreisen groß. Und diese Kreise bestimmten damals das Geschehen im Land, sodass auch der 1935 zum neuen Escher Bürgermeister gewählte Hubert Clément, selbst ein ausgebildeter Lehrer, große Probleme hatte, ein geeignetes Grundstück zu finden.
Die Wende zum Guten kam 1951, als die Regierung versprach, sich mit 50 Prozent am Bau des neuen Mädchenlyzeums zu beteiligen. Der Grundstein wurde am 17. März 1952 gelegt. Ursprünglich in der Nähe des Escher Krankenhauses zwischen der rue Jean-Pierre Michels, der rue de lʼHôpital und der rue Emile Mayrisch geplant, wurde die Schule schlussendlich hundert Meter weiter zwischen der rue Jean-Pierre Michels, der rue Général Patton und der rue Théodore Kapp gebaut. Damals war das der Escher Stadtrand. Vanna Colling-Kerg wohnte damals in der Jean-Pierre-Michels-Straße: „Ich kann mich noch gut daran erinnern. Für uns Kinder war der Rohbau ein großer Spielplatz. Wir zündelten am Karbid (Calciumcarbit, ein weißer Feststoff, der vor allem bei Schweißarbeiten eingesetzt wurde, Anm. d. Red.) und sahen später dem Künstler Léon Nosbusch zu, wie er die Skulptur an der Schulfassade beim Brunnen anfertigte.“
27 Abiturientinnen 1961
Colling-Kerg war eine von insgesamt 27 Schülerinnen, die 1961 ihr Abitur im „Meedercherslycée“ machten. Sie kamen auf der 7e in die neue Schule und waren so die ersten, die quasi ihre gesamte Lyzeumszeit im „Lycée de jeunes filles d’Esch“ verbrachten. Insgesamt nahmen 312 Schülerinnen, aufgeteilt in 14 Klassen, einen Tag nach der offiziellen Einweihung den Schulbetrieb im späteren „Lycée Hubert Clément“ auf. Ab dem Passage-Examen auf 5e gab es drei Sektionen: „Commerce“, „Latine“ und „Moderne“.
Geschlechterrollen dominierten zu dieser Zeit auch die Schulen. Bügeln, Nähen und Kochen gehörten zum Lehrplan. Die Mädchen mussten eine Schürze tragen. Sechs Tage die Woche gingen sie zur Schule, dienstags und donnerstags hatten sie am Nachmittag frei. Dienstagmorgens ging es in Reih und Glied Richtung Sankt-Henri-Kirche, wo der Besuch der Messe auf dem Lehrplan der Schülerinnen stand. An Ostern mussten die Mädchen beichten gehen. Viel Abwechslung gab es nicht. „Wir sind vielleicht zwei bis drei Mal im Jahr ausgegangen, öfters nicht. Höchstens mal ins Kino.“ Man musste sich etwas einfallen lassen, um mit Jungs in Kontakt zu kommen. Die Musikschule oder der Sport waren eine Möglichkeit, Abendkurse eine andere. Insbesondere Italienisch stand bei der Jugend von damals hoch im Kurs.
Das Abitur bestanden immerhin 26 der 27 Mädchen. „Wir hatten den besten Notendurchschnitt im Land“, berichtet Vanna Colling-Kerg. „Die meisten aber sind nicht auf eine Hochschule gegangen, sondern haben gearbeitet, bis sie heirateten.“ Heute sind gut ein Drittel der früheren Klassenkameradinnen verstorben. Zum Konveniat kamen 60 Jahre nach dem Abitur neun Schülerinnen auf Belval zusammen. Begleitet wurden sie von den früheren Lehrerinnen Marie-Thérèse Schroeder-Hartmann (94) und Marcelle Hannes-Lamesch (97), die ebenfalls Direktorin des „Lycée Hubert Clément“ war. Nach einer Führung durch das Universitätsgebäude mitsamt der eindrucksvollen Bibliothek gingen die Damen gemeinsam essen. Im kommenden Jahr soll dann der Rest des neuen Stadtviertels unter die Lupe genommen werden.
Und das „Escher Meedercherslycée“? Als das Gesetz vom 10. Mai 1968 die Geschlechtertrennung in den Schulen aufhob, bekam es drei Jahre später einen neuen Namen. Am Schuljahr 1970/71 nahmen 30 Jungen teil, 15 Jahre später waren bereits über 45 Prozent der Schüler im LHCE männlichen Geschlechts.
- Neue Spielplätze sind nicht öffentlich zugänglich – Fragen zu Auslandsreisen und frEsch - 10. Januar 2025.
- Einstweilen nicht weit her mit der neuen Transparenz in Esch - 10. Januar 2025.
- Parkplatzsperrung erregt Gemüter im Bruch-Viertel, Gemeinde beschwichtigt - 9. Januar 2025.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos