Editorial / Aber bitte ohne Filter: Die Rolle der sozialen Medien wird immer wichtiger – und ist äußerst problematisch
Die sozialen Medien sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Ob Facebook, Twitter, Instagram, Tiktok oder Telegram, die meisten werden mindestens auf einer, wenn nicht gleich auf mehreren Plattformen angemeldet sein. Laut einer Studie der Statistikbehörde Statec waren 2021 insgesamt 62 Prozent der Luxemburger Internetnutzer in den sozialen Netzwerken unterwegs. Vor allem junge Luxemburger sind dort aktiv. 83 Prozent der zwischen 16- und 24-jährigen Internetnutzer nutzen laut Statec Facebook und Co.
Auch Nachrichten werden immer häufiger zum größten Teil oder komplett über die sozialen Medien konsumiert. Das kommt den Politikern entgegen: Sie können sich entspannt direkt an die Bürger wenden und mit ihnen in Dialog treten. Zwischenstellen wie etwa Journalisten können so einfach umgangen werden.
Doch so bürgernah sich Bettel, Lenert, Frieden und Co. auch geben mögen: Nutzer dürfen nicht vergessen, dass „ungefilterter“ Zugang nicht heißt, dass alle Hüllen fallen und alles, was Politiker auf den Plattformen verzapfen, der Wahrheit entspricht. Am Ende ist ihr Auftreten Teil einer ausgefeilten Marketing-Strategie – insbesondere im Wahlkampf. Jeder Post, so nichtig er auch erscheinen mag, wird von den Kommunikationsmaschinen geprüft und die zentrale Botschaft so verpackt, dass es am besten bei den Leuten ankommt.
Dazu kommt, dass keines der meistgenutzten sozialen Netzwerke den Inhalt von politischen Nachrichten prüft. In den Leitfäden zum „Fact Checking“ schreibt Meta – das Unternehmen, das Facebook und Instagram betreibt – deutlich: Beiträge und Werbeanzeigen von Politikern werden nicht gegengeprüft. „Hierzu zählen die Äußerungen eines Politikers sowie Fotos, Videos und anderer Content, aus dessen Kennzeichnung deutlich wird, dass er von diesem Politiker stammt oder Teil seiner Kampagne ist.“ Der Grund: „Wir glauben jedoch nicht, dass es unsere Aufgabe ist, als Schiedsrichter in politischen Debatten aufzutreten und zu verhindern, dass die Rede eines Politikers ihr Publikum erreicht und Gegenstand einer öffentlichen Debatte und Prüfung ist.“
Doch spielt man wirklich „Schiedsrichter“, wenn man den Wahrheitsgehalt von politischen Aussagen überprüft und politische Werbung, die eindeutig Falschmeldungen verbreitet, zumindest mit einer Warnung versieht? Unter anderem die vergangenen Wahlkämpfe in den USA haben gezeigt, wozu es führen kann, wenn die Spitzen großer Parteien auf den Zug von Verschwörungstheoretikern und Anti-Demokraten aufspringen. Und auch in Luxemburg hat die Pandemie die problematische Reichweite von Desinformationen, die sich über die sozialen Medien verbreiten, offengelegt.
Glücklicherweise ist der Luxemburger Wahlkampf noch weit davon entfernt, ein solcher Sumpf zu werden und mehrere Parteien haben sich verpflichtet, einen „fairen“ Wahlkampf zu führen. Was nicht bedeutet, dass die politischen Botschaften immer einem Faktencheck standhalten. Würde ein Politiker gerne seine „ungefilterten Meinungen“, bestehend aus leeren Wahlversprechen und populistischen Parolen, in den sozialen Medien verbreiten, gäbe es zumindest von den Plattformen selbst keine Warnung, dass die „ungeschminkte Wahrheit“ nur schön verpackter Schwachsinn ist.
Deswegen braucht es unabhängige Medien, die sich trauen, den Politikern den Spiegel vor die Nase zu halten, und sie zwingen, die Filter abzulegen, die grobe Fehler vertuschen – insbesondere im Superwahljahr.
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„Deswegen braucht es unabhängige Medien, die sich trauen, den Politikern den Spiegel vor die Nase zu halten,“
Hoffentlich gibt es genügend Spiegel!
Würde gerne wissen wie die Altersgruppen Ihrer Leserschaft sind!
Kritischer und neutraler Journalismus ist heute wichtiger denn je und gerade in einem Wahljahr absolut notwendig.
Und gerade unser liberaler Premier und Medienminister Bettel sollte das verstehen und unterstützen indem er den Journalisten das versprochene Informationszugangsrecht gewährt – oder zumindest eine plausible Erklärung abgibt, wieso er es nicht tut oder tun kann.
Einfach nur schweigen kann und darf nicht die Lösung sein.
@JP Grober – Sie haben absolut Recht mit der Altersgruppe der Lerserschaft, aber man muss ja auch bedenken dass viele jungen Menschen (zB innerhalb der Familie oder auf der Arbeit ) von den Alten lernen und übernehmen, gerade was Politik betrifft.
„83 Prozent der zwischen 16- und 24-jährigen Internetnutzer nutzen laut Statec Facebook und Co.“
3 Viertel benutzen aber ‚und Co‘, bei FB sind Omma und Oppa.