Parlament / Abgeordnete unterstützen Staatsgarantien für EU-Programme
Etliche Gesetzentwürfe lagen den Abgeordneten gestern zur Abstimmung vor. Alle beschäftigten sich mit der Covid-19-Krise. Sie verlängern die Wirkung der Krisenmaßnahmen, die von der Regierung über Reglemente ergriffen worden waren, über den 24. Juni, Ende des Krisenzustands, hinaus.
Zum Auftakt der Sitzung befasste sich das Plenum mit staatlichen Garantien Luxemburgs für Stützmaßnahmen, die im April von der Eurogruppe zur Abschwächung der Folgen der Covid-Krise beschlossen worden waren. Es handelt sich dabei unter anderem um Mittel, die die EU-Kommission für Kurzarbeitsprogramme (100 Milliarden Euro) bereitstellt und um das Darlehensprogramm der Europäischen Investitionsbank (EIB) für EU-Unternehmen (200 Milliarden Euro). Luxemburg garantiert dabei Mittel in Höhe von bis zu 150 Millionen Euro. Die beiden Pakete würden zu jeweils 25 Milliarden Euro von den EU-Staaten garantiert. Ein dritter Bestandteil des EU-Unterstützungsplans sieht über den Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM) eine Kreditlinie von 240 Milliarden Euro für die Mitgliedstaaten vor. Staatsgarantien werden hier jedoch nicht benötigt.
Laut Berichterstatter André Bauler (DP) gehe es bei diesem Gesetz nicht um eine Vergemeinschaftung der Schulden. Vielmehr solle mit den Staatsgarantien eine Hebelwirkung erzielt werden. Dies sei für finanziell weniger gut gestellte Staaten wichtig. Sie könnten dank der Garantien zinsgünstigere Darlehen aufnehmen. Luxemburg müsse das Geld nicht gleich vorstrecken, so Bauler. Beim Kurzarbeit-Programm sei die Garantieziehung eher unwahrscheinlich, da die Begünstigten Staaten seien. Was das EIB-Programm anbelangt, seien die Nutznießer Unternehmen. Das Risiko sei hier selbstredend größer.
Ohne neue Instrumente keine EU
Für die ADR handele es sich wohl um eine Vergemeinschaftung der Schulden, entgegnete Gast Gibéryen. Mitgliedstaaten würden neue Schulden aufnehmen, andere müssten jedoch haften, falls Erstere ihre Schulden nicht begleichen könnten. Das widerspreche dem Maastricht-Vertrag. David Wagner („déi Lénk“) sprach sich für den vorliegenden Gesetzentwurf aus. Man benötige Solidaritätsmechanismen und Transfers von reichen nach ärmeren Ländern. In diesem Zusammenhang kritisierte er das erst vor wenigen Tagen von der EU-Kommission vorlegte Programm zur Ankurbelung der EU-Wirtschaft in Höhe von 750 Milliarden Euro. Hilfen aus diesem Paket seien jedoch an strenge Auflagen zulasten der öffentlichen Dienste und der Beschäftigten gebunden.
Europa stelle mit seinen drei Dringlichkeitsmaßnahmen 540 Milliarden Euro zur Verfügung, so Finanzminister Pierre Gramegna. Das habe es zuvor nicht gegeben. Man konnte sich dazu entschließen, weil die Krise alle Staaten treffe, so der Politiker. Auch Luxemburg, das dieses Jahr ein Defizit von fünf Milliarden Euro verzeichnen werde. Hätte Europa keine neuen Instrumente vereinbart, hätte das wohl das Ende der EU bedeutet. Das Kurzarbeit-Instrument diene sowohl den Unternehmen als auch den Beschäftigten. Das alles werde zu einem schnelleren Wiederaufschwung beitragen. Der Gesetzentwurf wurde mit den Stimmen von DP, LSAP, „déi gréng“, „déi Lénk“ und der Piratenpartei angenommen. Die ADR-Abgeordneten stimmten dagegen.
Eingeschränkter Zugang für Nicht-EU-Bürger
Die EU hat sich anlässlich der Covid-Krise gegenüber Menschen aus Drittstaaten abgeschottet. Für sie bleibt bis Ende des Jahres auch der Zugang zu Luxemburg eingeschränkt. Ausgenommen dabei sind Monaco, San Marino, Andorra und Vatikan-Stadt. Das neue Gesetz verlängert des Weiteren auch die Fristen, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Das Asylrecht sei nicht infrage gestellt, hieß es. Das Ministerium werde die Betroffenen informieren, so Berichterstatter Yves Cruchten (LSAP). Zur Sprache kam auch die sich im Zuge der Covid-Krise verschlimmernde Lage von „sans-papiers“. U.a. der „déi Lénk“-Abgeordnete David Wagner rief die Regierung dazu auf, die Situation dieser Menschen zu regularisieren.
Ein weiterer Entwurf betraf die zuvor per Reglement genehmigte Förderung von Unternehmen für Forschung, Entwicklung und Produktion von Produkten, die zur Bekämpfung des Coronavirus benötigt werden. Berichterstatter Claude Haagen (LSAP) nannte dabei Schutzkleidung und Mundschutzmasken, Beatmungsgeräte, Desinfektionsmittel und Diagnoseinstrumente. Die Hilfen werden bis Ende des Jahres bewilligt. Sie schreiben sich in die Bemühungen der EU ein, die Herstellung strategisch wichtiger Erzeugnisse zurück in die EU anzusiedeln und damit die Abhängigkeit von Importen zu reduzieren. Auch wenn die CSV dem Projekt zustimmte, bemängelte Laurent Mosar (CSV), dass ausschließlich Unternehmen mit vorhandener Handelsgenehmigung in den Genuss der Fördergelder kämen. Junge Unternehmen, die sich noch nicht in der Produktionsphase befinden, und daher keine Handelsermächtigung benötigen, seien jedoch ausgeschlossen. Dabei bedürften insbesondere derlei Kleinunternehmen einer Anschubhilfe. Bisher seien noch keine Hilfen ausgezahlt worden, so Wirtschaftsminister Franz Fayot. Eingereicht worden seien fünf Anträge auf Forschungshilfe und sieben auf Investitionshilfe. Geforscht werde an Diagnostiktests, Dekontaminationsmöglichkeiten und Bauteilen von Beatmungsgeräten. Die Investitionsprojekte betreffen die Produktion von Mundschutz und Diagnosekits. Das Gesetz wurde mit 57 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen angenommen.
Mieten bis Ende des Jahres eingefroren
Die Mieten werden bis Ende des Jahres eingefroren. Das Gesetz soll Mieter vor einer zusätzlichen finanziellen Belastung schützen. Laut Berichterstatterin Semiray Ahmedova („déi gréng“) habe die Covid-Krise eine unmittelbare Folge auf die Einkommenslage vieler Mieter gehabt. Sie hätten merkliche Kaufkrafteinbußen hinnehmen müssen. Das Gesetz schütze die Mieter auf dem privaten Wohnungsmarkt. Von der vertraglich vereinbarten Miete sei die betroffene Person jedoch nicht entbunden. Es stehe ihr jedoch frei, mit dem Vermieter eine Stundung bzw. eine Ratenzahlung der geschuldeten Miete zu vereinbaren. Dem Gesetzentwurf stimmten sämtliche Abgeordnete zu.
Wegen der Covid-Krise wurden Tagesstätten für ältere oder behinderte Personen, die auf die Hilfe von Drittpersonen angewiesen sind, geschlossen. Betreut werden mussten diese Personen von ihren Familienangehörigen. Per Reglement war im April für Letztere ein staatlich finanzierter Sonderurlaub beschlossen worden. Das im Parlament gestimmte Gesetz soll diesen Sonderurlaub auch nach dem Ende des Krisenzustands während mehreren Monaten ermöglichen, solange die Betreuungseinrichtungen geschlossen bleiben.
Elternteile, die sich während des Lockdowns um ihre Kinder kümmern mussten, konnten auf den staatlich finanzierten Urlaub aus familiären Gründen zurückgreifen. Das können Elternteile bis zum 15. Juli weiterhin, wenn ihr Kind nach dem 25. Mai, dem Tag der Wiederaufnahme des Unterrichtsbetriebs, nicht zur Schule gehen konnte, weil er einer Risikogruppe angehört oder weil seine Schule weiterhin geschlossen ist. Diese Stützmaßnahmen dürften den Staat bis Mitte Juli rund 300 Millionen Euro gekostet haben, allein bis 25. Mai 222 Millionen Euro.
Weitere angenommene Gesetze ermöglichen die Anhörung von Zeugen über Telefon- oder Videokonferenz und das Durchführen von Hochzeiten in einem anderen kommunalen Gebäude als das Rathaus. Ein weiteres Projekt sieht vor, dass Arbeitgeber bis Ende des Jahres keine Verzugszinsen zu zahlen haben, wenn sie die Sozialbeiträge nicht rechtzeitig beglichen haben. Diese können demnach bis Ende des Jahres überwiesen werden.
Eine weitere öffentliche Parlamentssitzung findet ausnahmsweise noch am Samstag statt.
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Entgegen der Behauptung von Berichterstatter André Bauler (DP) stellt die Staatsgarantie beim Eintreten des Garantiefalls sehr wohl eine (unerlaubte) Schuldenvergemeinschaftung dar, wie der ADR-Abgeordnete Gast Gibéryen klar erkannt hat!
@KM, absolut, schön und klar zusammengefasst.
Aber was ebenfalls missachtet wird ist z.b.: „Weitere angenommene Gesetze ermöglichen die Anhörung von Zeugen über Telefon- oder Videokonferenz“
Diese Idee, dass ein Prozess mithilfe eines Videolinkes durchgeführt wird also, dass ein Angeklagter aus einem Gefängnis oder irgendeiner anderen Institution über einen
Bildschirm seinen eigenen Prozess der eventuell auch freiheitsentziehende Maßnahmen enthalten kann, verfolgt, kann und darf so auf keinen Fall zugelassen werden. Dies ist eigentlich nicht zulässig.
Dies widerspricht in jeder Hinsicht unserer Verfassung, denn der Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens wird damit grob verletzt werden. Auch das Recht auf eine öffentliche Anhörung ist nicht garantiert. Das das Recht am Vorhandensein des Angeklagten während des Verfahrens und seine wirksame Teilnahme am Verfahren selbst ist ebenfalls ein fundamentales Grundrecht für jeden Angeklagten, ignoriert..
Zwar ist das hier eine außergewöhnliche Situation aber die Rechte die ein Infizierter oder Angeklagter vor einem solchen Gericht hat müssen die gleichen sein wie die ohne das mutmaßliche Todesvirus Covid-19, denn schließlich können die Sanktionen freiheitsentziehende Maßnahmen enthalten. Ein Beispiel möchte ich hinzufügen: der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ebenfalls bestätigt, dass sogar das Festhalten eines Angeklagten in einer Glaskabine im selben Gerichtssaal wo die Richter und Anwälte sitzen ebenfalls eine Verletzung der europäischen Menschenrechtskonvention und eine Verletzung der Menschenrechte des Angeklagten darstellt. Die Begründung dieser Feststellung war, dass dem Angeklagten die ständige Konsultation mit seinem Verteidiger nicht ermöglicht wird was wiederum die Gleichheit der Parteien im Verfahren einschränkt. In der Kernansicht der Europäischen Menschenrechtskonvention wäre ein solches
Verfahren somit nicht regulär. Ein solches Verfahren was unter solchen Bedingungen ob Videolink oder Glaskasten müsste sofort vernichtet werden und eine Intervention von Seiten des obersten Gerichtshofes ist hier an sich nahezu unvermeidbar.