Luxemburg / „Ärzte der Welt“ fordern Gesundheitsversorgung für alle
Der Zugang zu einer medizinischen Grundversorgung für alle ist die Hauptforderung von „Médecins du monde“ an alle Parteien hinsichtlich der bevorstehenden Legislativwahlen. Die im vergangenen Jahr im Rahmen eines Pilotprojekts eingeführte universelle Abdeckung der Gesundheitsversorgung für Bedürftige müsse eine gesetzliche Basis erhalten.
Für die meisten Einwohner Luxemburgs ist eine medizinische Grundversorgung eine Selbstverständlichkeit. Doch auch hierzulande leben etliche Menschen ohne Zugang zur gesetzlichen Sozialversicherung. Medizinische Versorgung erhalten sie u.a. bei „Médecins du monde“ (MdM) – voriges Jahr waren es insgesamt 1.145 Menschen.
Die erste Aufgabe von MdM ist es, Bedürftigen diese Grundversorgung zu garantieren – und die Zahl der Bedürftigen nimmt zu. Lag ihre Zahl 2019 „nur“ bei 884, so liegt sie 2020 bei 1.145. Die Anzahl der Beratungen betrug 3.101. MdM bieten nicht nur allgemeinmedizinische Untersuchungen an, sondern bei Bedarf auch spezifische Hilfe wie z.B. Zahnpflege, kostenlose Brillen oder psychologische Beratung.
Am Donnerstag stellte die Vereinigung neben ihrem Jahresbericht 2022 auch ihre Forderungen an die Parteien hinsichtlich der Legislativwahlen im Oktober vor. Es gibt verschiedene Gründe, warum Menschen zu den „Ärzten der Welt“ kommen. Dass dabei die Armut bei weitem an erster Stelle steht, dürfte nicht überraschen, an zweiter Stelle steht aber das aus Sicht der MdM-Verantwortlichen lösbare Problem einer legalen Adresse. Ohne offiziellen Wohnsitz ist es schwierig, von einem kommunalen Sozialamt betreut zu werden, fast unmöglich ist es derweil, ein Bankkonto zu eröffnen, was wiederum dazu führt, dass manchmal der Lohn nicht ausbezahlt wird.
Zukunft der CUSS ungewiss
Im April 2022 wurde auf Initiative der Ministerien für Gesundheit und Sozialversicherung die „Couverture universelle des soins de santé“ (CUSS) in einem Pilotprojekt eingeführt. Die Betroffenen erhalten eine Sozialversicherungskarte und das Recht auf die gleichen Dienstleistungen wie andere Versicherte auch. Sie brauchen hierfür keinen festen Wohnsitz, eine Briefanschrift genügt. Doch nicht alle bedürftigen Personen würden davon profitieren. Nachdem die MdM 58 Personen zur CUSS verholfen hatten, war Schluss: „Wir mussten die Annahme von Anträgen leider aus Mangel an finanziellen Mitteln und Personal stoppen“, sagt Sylvie Martin, Generaldirektorin von MdM.
MdM kritisieren die Art und Weise, wie die CUSS eingeführt wurde: Sie sei quasi den eingebundenen Vereinigungen ohne vorherige Absprache auferlegt worden. Anträge auf die CUSS können nur über eine von fünf sozialen Vereinigungen eingereicht werden; neben MdM sind dies „Stëmm vun der Strooss“, Jugend- an Drogenhëllef“, Rotes Kreuz und das „Comité national de défense sociale“ (Abrigado). Ein Großteil der betroffenen Personen hätten ihren Antrag bei MdM gestellt, doch die eine, im Pilotprojekt vorgesehene und vom Staat finanzierte Sozialarbeiterin sei bei der großen Anzahl der Anträge überfordert gewesen.
Wie es mit dem Projekt weitergeht, sei bisher nicht klar. „Ende 2022 sollte eigentlich eine Evaluierung des Projekts erfolgen, was aber nicht geschah“, erzählt Sylvie Martin. Am 10. Juli finde eine Unterredung mit Vertretern der beiden verantwortlichen Ministerien statt. Bei MdM hofft man, dass das Projekt eine Zukunft hat. „Es kann nicht sein, dass im reichen Luxemburg noch immer Menschen keinen Zugang zu einer Sozialversicherung haben“, kritisiert der Präsident der Vereinigung, Dr. Bernard Thill. Alle bedürftigen Menschen müssten systematisch von der CUSS profitieren können, unabhängig von ihrer administrativen Lage. Darüber hinaus müsse der sogenannte „tiers payant“ für alle bei der Gesundheitskasse versicherten Bedürftigen verallgemeinert werden.
Obdachlose stehen nicht nur vor dem allgemeinen Problem der Wohnungsnot; sie haben es im Krankheitsfall besonders schwer. In Esch/Alzette betreiben die „Médecins du monde“ das Haus „L’Escalle“, eine Art Pflegeheim für schwer kranke Obdachlose. Das Problem ist, dass dort der Mietvertrag kommendes Jahr ausläuft. Es würden dringend Langzeitunterkünfte für kranke Bedürftige gebraucht. „Es ist nicht hinnehmbar, dass Menschen riskieren, auf der Straße zu sterben, weil sie nicht über eine medizinische Grundversorgung verfügen“ – „es wäre schon eine große Hilfe, wenn in jedem Altersheim mindestens ein Bett für eine solche Person zur Verfügung stünde“, sagt Thill. Das würde die Situation in Esch entlasten: Eigentlich sollten Bedürftige dort maximal zwei Jahre untergebracht sein, doch mangels Alternative seien zwei Personen nun schon vier Jahre dort untergebracht.
Den Jahresbericht 2022 finden Sie hier als PDF.
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