Vor der Thüringen-Wahl / AfD-Scharfmacher Björn Höcke sieht seine Zeit gekommen
Er hält sich für die graue Eminenz der AfD und steht ganz weit rechts. Björn Höcke will in Thüringen Landesvater werden – und könnte bei der Landtagswahl die meisten Stimmen bekommen.
Er gilt als Strippenzieher und hält sich gerne im Hintergrund – um dann hervorzutreten, wenn er seine Zeit gekommen sieht: AfD-Rechtsaußen Björn Höcke, 52, geboren im nordrhein-westfälischen Lünen, einst Geschichtslehrer am Gymnasium in Hessen, Vater von vier Kindern. Vor etwa 15 Jahren mit seiner Familie nach Thüringen gezogen, ins Dorf Bornhagen an der hessischen Grenze. Hier könnte seine Partei bei der Landtagswahl am 1. September die meisten Stimmen bekommen. Aber wird Höcke dann auch Ministerpräsident?
Zumindest findet der AfD-Politiker offenbar, dass es an der Zeit ist, aus dem Halbschatten stärker ins Licht zu treten, sich als graue Eminenz der AfD nun auch vermehrt öffentlich zu inszenieren. So trat er bereits im April in einem viel beachteten TV-Duell des Senders „Welt“ gegen den Thüringer CDU-Landeschef Mario Voigt an. Bemerkenswert war bei dem Auftritt, dass er da, wo es für ihn unbequem wurde, sogar sein eigenes Weltbild leugnete: So interpretierte er das zentrale AfD-Thema „Remigration“, das für die massenhafte Ausweisung von Zuwanderern steht, kurzerhand um und sagte, ihm gehe es vor allem darum, deutsche Staatsbürger, die im Ausland lebten, nach Deutschland zurückzuholen.
Zweimal stand er im Frühjahr in Halle vor Gericht, wurde zu Geldstrafen verurteilt, weil er bei öffentlichen Auftritten mit der verbotenen Losung der paramilitärischen Sturmabteilung (SA) der NSDAP „Alles für Deutschland!“ kokettiert hatte. Abermals leugnete er und behauptete, nicht gewusst zu haben, dass es sich um eine SA-Parole handelt. Er verteidigte sich unter anderem damit, dass es „Allerweltsworte“ seien und er lediglich den Slogan des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, „America First“, ins Deutsche übertragen habe. Höcke benutzte auch das Gericht als Bühne, ließ seine Anwälte die Prozesstage in die Länge ziehen, sprach mal aggressiv, mal weinerlich, präsentierte sich als Märtyrer und als Patriot, der gegen einen ungerechten Staat kämpft. Beim Bundesgerichtshof hat er Revision gegen die Urteile eingelegt.
Ideologe und Propagandist
Politisch ist Höcke schon seit mehr als zehn Jahren im Geschäft. Vom Schuldienst hat er sich beurlauben lassen. Als sich 2013 die AfD formierte, war er Mitbegründer des Thüringer Landesverbands – der inzwischen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft ist. Höcke ist Landeschef und seit dem Landtagseinzug der AfD 2014 auch Fraktionschef. Doch als unangefochtenen Alleinherrscher kann man ihn wohl nicht mehr bezeichnen – denn es gibt heftigen parteiinternen Streit um Wahlkreise und Kandidatenlisten, auch mit Rücktrittsforderungen gegen Höcke. Er selbst tritt bei der Wahl in einem neuen Landkreis an, weil er in seinem Heimatwahlkreis stets als Direktkandidat von der CDU geschlagen wurde.
Seinen politischen Gegnern wirft er Ideologie und Propaganda vor, dabei ist Höcke selbst ausschließlich Ideologe und Propagandist – einer, der ganz weit rechts steht, gegen „Kulturfremde“ hetzt und als Scharfmacher sogar die AfD vor sich hertreibt. Am bekanntesten dürfte ein Satz sein, den er vor Jahren in einem Interview für ein Buch geäußert hat: Höcke sprach sich für ein „großangelegtes Remigrationsprojekt“ von „nicht integrierbaren Migranten“ aus, bei dem man nicht um eine Politik der „wohltemperierten Grausamkeit“ herumkomme. Der Berliner Politologe Hajo Funke beschreibt Höckes Gebaren so: „Was zuweilen als eine ein wenig überzogene, historisch gelehrt klingende Sprache Höckes erscheint, ist zugleich eine, die vor nichts Halt macht und in grandioser Selbstüberschätzung schlicht die braune Revolution will“, schreibt der Rechtsextremismusexperte in der Flugschrift „AfD-Masterpläne“.
Es dürfte Höcke also gefallen, in Thüringen – wo vor genau 100 Jahren eine Ersatzorganisation der NSDAP erstmals Mehrheitsbeschafferin wurde – an die Macht zu kommen. Zwar hat die AfD dort knapp zwei Wochen vor den Landtagswahlen an Zustimmung eingebüßt, sie kann Umfragen zufolge aber trotzdem noch mit etwa 30 Prozent stärkste Partei werden, mit deutlichem Abstand vor der momentan zweitplatzierten CDU.
Dass Höcke Ministerpräsident wird, ist jedoch höchst unwahrscheinlich – solange ihm keine der anderen Parteien hilft. Allianzen gegen ihn sind rechnerisch möglich. Nach der Wahl wird sich zeigen, ob das auch politisch der Fall ist. Mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist eine neue Partei aufgetaucht, die auf zweistellige Umfragewerte kommt, aber noch beweisen muss, wie weit die Abgrenzung gegenüber der AfD tatsächlich reicht. Amtsinhaber Bodo Ramelow ist indes trotz einer schwächelnden Linken in der Bevölkerung durchaus beliebt. Außerdem: Ganz gleich wie stark Björn Höcke mit seiner Partei abschneidet, an der Macht wollen ihn selbst viele der AfD-Wähler nicht sehen.
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