Editorial / All-in für die Grünen: Riskiert Meris Sehovic vor den Europawahlen zu viel?
Wie würde Esch nur ohne die Grünen aussehen? Grauer als die Escher Seite von Belval. Der Meinung ist auf jeden Fall die Escher Grünen-Sektion, die sich für ein Fortführen der CSV-DP-„déi gréng“-Koalition ausgesprochen hat. Zu erklären ist das nur damit, dass die Grünen – und allen voran Meris Sehovic – an der Macht bleiben wollen.
Eins vorab: Ja, die CSV hat sich ebenfalls für ein Fortsetzen der Koalition ausgesprochen. Das ist von einer Partei, deren Minister gegen Gesetz, Verfassung und gesunden Menschenverstand auf Teufel komm raus ein Bettelverbot durchsetzen will, irgendwie erwartbar. Für die DP stellt sich Steuerhinterziehung in eine Kontinuität von Plagiat, Rassismus- und Gewaltvorwürfen. Von den Grünen allerdings, die in der Vergangenheit ihre eigenen Minister und Abgeordneten zum Abdanken bewegt haben, ist es eine Abkehr von ihren Prinzipien. Und vor allem eins: dämlich.
Die Escher Grünen-Sektion torpediert nämlich den bisher gut geführten Wahlkampf ihrer Spitzenkandidatin Tilly Metz. Mit ihren eigenen Mitgliedern – man denke an Traversini und Dieschbourg – gehen die Grünen härter ins Gericht als mit dem politischen Gegner, gegen den man in zwei Tagen in einer durchaus zukunftsweisenden Wahl antritt. Ein Umstand, den auch zahlreiche Mitglieder in der Grünen-Parteizentrale nicht verstehen können.
Und wofür? Um Projekte wie „neue Spielplätze, sichere Schulwege und Verbesserungen in der Fahrradinfrastruktur und Begrünung der öffentlichen Plätze“ in Esch durchzudrücken, heißt es in der Pressemitteilung der Escher Grünen. „Gréng wierkt!“ Wohl eher: Geht’s noch? Von KPL bis ADR gibt es keine Partei, die gegen solche Projekte stimmen würde. Das ist kein rationales Argument, sondern Selbstrechtfertigung.
Der Grund ist viel banaler: Nach den Wahlschlappen der vergangenen Jahre wollen Sehovic und Co. wohl nicht noch einen Posten verlieren und in der zweitgrößten Stadt des Landes den Weg bei einem Platzen der Koalition in die Opposition antreten. Sie hätten kurz vor den Wahlen den Wählern zeigen können: Uns geht es um die Sache, uns geht es um Politik. Zumal Sehovics Karriere als Abgeordneter in der Chamber vorerst auch weiterhin abgesichert gewesen wäre.
So aber fallen die Grünen ins gleiche Mantra zurück, das sie im vorigen Jahr zahlreiche Gemeinderäte und ihre Fraktionsstärke in der Chamber gekostet hat: Statt die eigenen Parteiwerte und Integrität konsequent hochzuhalten, ließ man sich dazu herab, nur mehr zu erklären, wo denn grüne Politik nun doch gewirkt haben soll. Anders gesagt: Spielplätze und Begrünung sind zwar zweifellos schön und wichtig, sie taugen aber trotzdem nicht zum Argument, bei schwerem Steuerbetrug die Augen zu schließen. Nein, es liegt nicht allein in der Macht der Grünen, mit wem sie zusammen in einer Koalition regieren – es liegt aber ganz allein bei den Grünen, wem sie politisch das Vertrauen schenken und welches Signal sie damit nach außen senden.
Ob der „All-in“-Poker ihres Parteipräsidenten Meris Sehovic in Esch aufgeht, ist fraglich. In dem Fall wäre Sehovic als Parteipräsident für drei Grünen-Wahlschlappen innerhalb von zwölf Monaten direkt verantwortlich. Als Parteichef hätte er so kurz vor wichtigen Wahlen weitsichtiger agieren müssen. Auch das könnte im Fall einer Wahlniederlage am Sonntag und des Verlustes des Grünen-Sitzes personelle Konsequenzen nach sich ziehen – unabhängig davon, wie grün Eschs Spielplätze dann aussehen.
- Von Dynamik und Statik: Xavier Bettels Europa- und Außenpolitik braucht neue Akzente - 19. November 2024.
- CSV und DP blicken auf ereignisreiches Jahr zurück - 18. November 2024.
- „déi Lénk“ sieht von „Interessenkonflikten durchsetzte“ Institution - 13. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos