Editorial / Als schlechtes Wetter und Treibstoffmangel zu 70.000 Toten führten: Die fragile Stabilität der Atomwaffen
Es war 11.01 Uhr am 9. August 1945, als der 25-jährige Pilot Charles W. Sweeney in seinem B-29-Bomber „Bockscar“ die Stadt Nagasaki durch eine Wolkenlücke unter sich sah und sich dazu entschloss, „Fat Man“ abzuwerfen. Um 11.02 Uhr, nach 47 Sekunden freiem Fall, detonierte die 4,7 Tonnen schwere Plutoniumbombe in einer Höhe von rund 500 Metern. Die Bombe hatte die Sprengkraft von 22.000 Tonnen TNT, riss bis zu 35.000 Menschen direkt in den Tod, ebenso viele starben bis Ende 1945 an den direkten Folgen der Atombombe.
Es sind aber nicht nur die Opferzahlen des zweiten und bisher letzten Einsatzes einer Atombombe, die schockieren. Ebenso erschütternd ist die Leichtfertigkeit, mit der „Fat Man“ abgeworfen wurde. Nachdem die erste Atombombe am 6. August 1945 über Hiroshima abgeworfen worden war, hatten fünf hohe US-Offiziere im Stützpunkt auf Guam beraten, ob eine weitere Bombe abgeworfen werden soll. Die US-Regierung stellte diese Entscheidung in den Ermessensspielraum des Militärs. Der zweite Abwurf sollte eigentlich erst am 11. August erfolgen, und dann auch nicht über Nagasaki. Da aber schlechtes Wetter vorhergesagt wurde, hatte man den Start auf den 9. August vorverlegt. Das eigentliche Ziel, die Stadt Kokura, war von dichten Rauchschwaden umhüllt und so steuerte Sweeney Nagasaki als Ausweichziel an. Trotz schlechter Sicht entschied er sich zum Abwurf, auch weil der Hecktank seines Bombers defekt war und er mit der 4,7 Tonnen schweren Bombe nicht mehr hätte landen können. In der Zusammenfassung: Ungünstige Wettervorhersagen, schlechte Sicht und Treibstoffmangel führten zum Tod von rund 70.000 Menschen.
Seit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist die nukleare Bedrohung heute so groß wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Auch wenn wir über die vergangenen Monate gelernt haben, mit der ständigen Bedrohung zu leben. Laut Bulletin of Atomic Scientists steht die Weltuntergangsuhr auf 90 Sekunden vor Mitternacht, so nah wie nie zuvor in den vergangenen 76 Jahren. Erst vor etwas mehr als einer Woche hat der Vizepräsident des russischen Sicherheitsrates, Dimitri Medwedew, erklärt, dass Russland Nuklearwaffen einsetzen müsse, wenn die territoriale Integrität seines Landes durch die ukrainische Gegenoffensive verletzt werde.
Dass Friedensbewegungen eine Welt ohne Atomwaffen fordern, scheint in Anbetracht der aktuellen Situation nur logisch. Das Problem dabei: Die Zeit lässt sich nicht mehr zurückdrehen und die Technik zur Herstellung von Nuklearwaffen ist nun einmal da. Eine Abrüstung ist also nur mit gegenseitigem Vertrauen der neun Atommächte – darunter Russland und Nordkorea – möglich. So sind wir in der absurden Situation, dass die Atomwaffen zur Stabilität beitragen und bereits eine unbedachte Reduzierung des Arsenals eine Destabilisierung der Welt zur Folge haben kann, wie der Experte Dr. Armand Clesse zu Beginn des russischen Krieges in einem Tageblatt-Interview erklärte. Solange eine Atommacht einen vernichtenden Gegenschlag fürchten muss, sieht sie von einem Erstschlag ab, so die Theorie, auf der unsere fragile Stabilität beruht. Wenn man bedenkt, welche Staatenlenker den Finger am Atomknopf haben und dass die durchschnittliche Nuklearwaffe heute eine 20 bis 30 Mal höhere Sprengkraft hat als die Hiroshima-Bombe, dann kann man nur zum Schluss kommen, dass es trotz aller Schwierigkeiten keine Alternative zu einer konsequenten Abrüstung geben kann.
- Wie der Ochse vorm Weinberg: Die Tageblatt-Redaktion versucht sich als Winzer - 20. November 2024.
- Auf der Suche nach besseren Zeiten - 9. November 2024.
- Wie die Lokaljournalisten Kayla und Micah gegen die Polarisierung ankämpfen - 3. November 2024.
Das Wetter hat uns Luxemburger offensichtlich vor dem GAU der Atombombe gerettet
▪ Das Wetter in den Ardennen rettete Deutschland vor der Atombombe
Von Mladen GLADIC, welt.de, 03.05.2023
Kriege, die unerledigt enden, hören nicht auf, sagt Schriftsteller Alexander KLUGE. In seiner „Kriegsfibel 2023“ blickt er auf die Gegenwart in der Ukraine wie auf die Vergangenheit des Zweiten Weltkriegs – auf ein „Knäuel von Konflikten“ und die großen Folgen kleiner Ereignisse. (…)
● Unfinished Business (::::)
Die Gefahr: hätte die Wehrmacht im Westen die Maas überschritten und wäre auf Antwerpen vorgestoßen, hätte sich der Krieg in Europa „um bis zu einem Vierteljahr verlängern können. Die Gefahr, von der wir Schüler nichts wussten, bestand darin, dass die im Sommer 1945 einsatzbereite Atombombe dann nicht in Ostasien, sondern in der Mitte des Deutschen Reiches zur Zündung gebracht worden wäre.“
Verhindert hat das das Wetter: „Zum Zeitpunkt des Angriffs hingen die Wolken tief über den Tälern der Ardennen, und hätte dieses Wetter sich über die Weihnachtstage hinweg nicht aufgelöst, hätten die amerikanischen Luftstreitkräfte das Gelingen des Vorstoßes eventuell nicht verhindern können.“
MfG
Robert Hottua
Zitat : „In der Zusammenfassung: Ungünstige Wettervorhersagen, schlechte Sicht und Treibstoffmangel führten zum Tod von rund 70.000 Menschen.“
Klingt so als würden diese 3 Faktoren (eventuell oder zwingend) zum Tod vun 70000 Menschen führen. Waren’s nicht eher politische und kriegsstrategische Absichten? Es ist mir bewusst, dass diese zufallsbedingten Faktoren den Lauf der Geschichte beeinflusst haben und diese absichtlich in der Vordergrund gestellt werden, um auf die Tragik hinzuweisen. Banalisiert man damit aber nicht den Abwurf der Bombe, wenn man den von Menschen geschaffenen Kontext in den Hintergrund drängt?
Der kausale Zusammenhang zwischen „Problem“ und „Schlussfolgerung“ im letzten Abschnitt will sich mir auch nicht erschließen…