Editorial / Am Kipp-Punkt: Wie die Wohnungskrise das Modell Luxemburg gefährdet
Es ist eines der wichtigsten Themen für die Menschen in Luxemburg: das Wohnen. Die Preise für Mieten, Wohnungen oder Eigentum: astronomisch. Der Markt: leergefegt. Dass Luxemburger über die Grenze nach Deutschland, Frankreich oder Belgien ziehen, weil sie in ihrer Heimat keine erschwingliche Bleibe mehr finden, ist im Jahr 2023 keine Kuriosität mehr, sondern Alltag. Auf der Fahrt zur Arbeit sind sie glücklicherweise nicht allein: 220.000 andere Grenzgänger leisten ihnen jeden Tag in Bus, Bahn und natürlich vor allem auf der Autobahn Gesellschaft.
Zig Regierungen haben sich an der Materie versucht. Durchschlagender Erfolg? Blieb bis jetzt aus. Zumindest gefühlt ist nur in wenigen Ländern auf der Welt die Lage auf dem Immobilienmarkt so angespannt wie in Luxemburg. Kann es überhaupt noch schlimmer werden?
Ja, es kann.
Erst kam Corona samt kollabierenden Lieferketten, Baustoffverknappungen und Materialpreisexplosionen. Und dann die Inflation. Mit dem Krieg in der Ukraine stieg die Teuerungsrate rasant, die Europäische Zentralbank erhöhte inzwischen sechsmal den Euro-Leitzins, von 0 Prozent im Juli auf aktuell 3,5 Prozent. Das ist vielleicht gut für jene, die in der Niedrigzinsphase langfristig fest verzinste Immobilienfinanzierungen vereinbart hatten. Aber sehr schlecht für all die anderen, die Kredite mit variablem Zins abgeschlossen hatten – oder ihre Finanzierung noch nicht unterschrieben haben. Und natürlich vergällen die steigenden Zinsen und Materialkosten nicht nur Otto Normalbürger, sondern auch Investoren.
Die Folge davon ist das, was Luxemburgs überhitzter Immobilienmarkt am wenigsten braucht: ein Rückgang der Bautätigkeit, weil sich niemand mehr das Bauen – und Wohnen – leisten kann. Und genau diese Realität schält sich mehr und mehr heraus.
4.709 Wohneinheiten wurden im vergangenen Jahr gebaut. Das sind sagenhafte 23 Prozent weniger als im Jahr davor. „Die Aktivität auf dem Immobilien- und Grundstücksmarkt ist im Vergleich mit dem vierten Quartal 2021 global stark rückläufig“, schrieb Statec in einer Analyse über den Marktzustand bereits Ende des vergangenen Jahres. Und ironischerweise verbuchte Luxemburg ausgerechnet dann einen absoluten Rekordzuwachs bei der Einwohnerzahl: 15.412 Menschen mehr, ein Anstieg von 2,4 Prozent.
Durchschnittlich ist die Einwohnerzahl Luxemburgs in den vergangenen 20 Jahren jedes Jahr um zwei Prozent gestiegen. Geht es so weiter, dann wird in gerade mal zehn Jahren die 800.000-Einwohner-Marke überschritten. Selbst wenn man äußerst optimistisch rechnet, und jeder Wohneinheit 2,3 Bewohner zuordnet, müssten allein für die Neuzugänge 6.300 Wohnungen pro Jahr errichtet werden. Hinzu kommt die seit Jahren schwelende, vorhandene Wohnungskrise, bestimmt von einem Markt ohne Netz und doppelten Boden. Eine Sicherheitsreserve? Gibt es nicht. Durchschnittlich wurden in den vergangenen zehn Jahren lediglich 5.160 Wohnungen pro Jahr gebaut.
Der Einbruch bei der Bauwirtschaft im Zuge von Krieg, Krise und Inflation ist also keine kleine statistische Delle, sie ist das Kondensat einer Herausforderung, die jedes Jahr gigantischer und unmöglicher zu meistern wird. Oder, wie man es beim Klimawandel nennt: ein Kipp-Punkt – für das Modell Luxemburg.
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Deswegen kümmert sich Kox auch lieber um die Polizei. Ich wäre auch gern der Minister für Bodycams.