Rock-Klassiker / Am Puls der Zeit: Pink Floyds „Dark Side Of The Moon“ ist jetzt ein halbes Jahrhundert alt
Das minimalistische Cover, die universell gültigen Texte, die raffinierte Produktion von Alan Parsons, die eingängige Rockmusik und Soundeffekte verbindet – vieles an Pink Floyds Reise ins Herz der Finsternis weiß auch nach einem halben Jahrhundert noch zu faszinieren.
Fump-Fump, Fump-Fump, Fump-Fump … Wenn der Herzschlag langsam aus der Stille heraufwummert, die Uhren ticken und eine Stimme verkündet: „I’ve been mad for fucking years“, dann weiß der Rockfan, wohin die Reise geht: nämlich zur „Dark Side Of The Moon“: Das legendäre Album wird, so wie wir alle, hoffentlich, so langsam alt: 50 Jahre ist es her, dass es erschienen ist. Längst gilt es aber als zeitloser Klassiker – und zwar nicht nur wegen seines ikonischen, minimalistischen Covers.
Die ersten Minuten des Werkes dienen als eine Ouvertüre, die Ausblick gibt auf den späteren Trip zum Mond: Da folgt dem Uhrenticken noch schrilles Weckerklingeln, dann ein seltsames Rattern und schließlich führt ein kosmisch-orgiastischer Schrei ins Crescendo – hinter dem die ersten harmonischen Takte im typischen Pink-Floyd-Sound nur umso sanfter, ätherischer, abgehoben klingen. Atme, atme ein.
Dass Pink Floyd irgendwie eine Kifferband sei, die spacige Musik zum gepflegten Wegdämmern macht, ist ein altes Missverständnis, über das sich nicht zuletzt die Band viel geärgert hat – und dem auch „Dark Side …“ entschieden entgegentritt. Der Bassist und damalige kreative Kopf der Band, Roger Waters, hat das achte Studioalbum als Songzyklus angelegt über alles, was den modernen Menschen in den Wahnsinn und in die Isolation treiben kann.
Peter Pan abgestürzt
Das Grübeln kam nicht nur aus Waters’ Erwachsenwerden: Wie fragil alle Souveränität und Kontrolle sein kann, haben Pink Floyd schon früh erfahren müssen: Als ihr erster Frontmann, der so kindisch-verspielte wie geniale Syd Barrett, innerhalb kurzer Zeit eine extreme Wesensänderung durchmachte. Offenbar induziert durch den Konsum von allzu vielen halluzinogenen Drogen, verwandelte sich der Peter Pan, der auf dem Weg zum Popstar war, in einen brütenden Paranoiker – den die aufstrebende Band irgendwann einfach nicht mehr zum Auftreten abholte, sondern durch David Gilmour ersetzte. (Ironie der Geschichte: Gilmour hielt später Pink Floyd am Leben, als Waters die Band eigenmächtig für aufgelöst erklärte.)
In den frühen Siebzigern machte Waters sich also Gedanken, was den Mensch derart zum Abdrehen bringen kann – und in einer gemeinsamen Anstrengung, wie sie danach in der immer öfter zerstrittenen Band kaum mehr möglich war, entwickelten sie die Songs über die Hektik des modernen Lebens (im experimentellen Techno-Vorläufer „On The Run“), die Angst vor der Vergänglichkeit („Time“), Gewalt („Us and Them“) oder, eben, über das Durchdrehen („Brain Damage“). Der auch von Radiosendern geliebte Hit „Money“, schmissig trotz seines seltsam stolpernden Rhythmus, ist eigentlich ein Fremdkörper im Werk.
Besonders „Time“ macht klar, dass Waters jedenfalls alles andere wollte, als die Hörer in süßen Klangwolken einzulullen – dafür ist die Kakofonie aus schrill lärmenden Weckern nämlich denkbar ungeeignet. Dem Geräusch folgen, nach einem dann doch wieder ziemlich meditativen Intro, schließlich Zeilen, die in sich nichts anderes als ein einziger Weckruf sind: Du bist nicht ewig auf der Welt, erinnert Waters in seinen Texten den Hörer – und ruft ihn auf, etwas aus der Zeit zu machen, bevor aus den Träumen von einst nichts wird oder nur „eine halbe Seite Gekritzel“.
On The Road
Die Texte auf der „Dark Side …“ mögen keine Hochkultur sein – sind aber doch gut genug, um auch heute, in ziemlich hohem Alter, nicht nur von jeder Menge Tributebands und Hobbymusikern mit Inbrunst gesungen zu werden, sondern auch von Roger Waters und David Gilmour selbst, jeweils als Solo-Künstler, natürlich: Bis auf eine rare Gelegenheit 2005 sind Pink Floyd seit den 1980er-Jahre getrennte Wege gegangen – und der Keyboarder Rick Wright, der mit seiner samtenen Stimme „Time“ veredelt hat und in den 60er-Jahren für kurze Zeit sogar als Frontmann vorgesehen war, ist 2008 gestorben.
Als die ersten der vielen, vielen Käufer des Albums es erstmals auflegten, kannten nicht wenige die Lieder übrigens schon längst: Es war beliebte Methode von Pink Floyd, neues Material live zu erarbeiten, indem die Rohfassungen neben den Songs von bereits erschienenen Alben aufgeführt wurden – daher resultierte auch die Sorge vor den „Bootlegs“, den Ausgaben von durch Besucher heimlich aufgenommenen Konzerten.
Zwar konnten auch Pink Floyd nicht verhindern, dass von ihren Konzerten jede Menge entsprechende Bootlegs herauskamen (die meist auch so klangen, als seien sie mit einem versteckten Kassettenrekorder aufgenommen) – dem gigantischen Erfolg von „Dark Side Of The Moon“ konnte das aber nichts anhaben: Es stieg nicht nur hoch in die Charts vieler Länder ein, sondern hielt sich auch legendär lange darin. In der US-„Billboard 200“-Liste blieb es, beispielsweise, mehr als 14 Jahre lang. Eine Theorie: Vor allem Hi-Fi-Enthusiasten erneuerten ihr Vinyl-Exemplar regelmäßig, sobald es zu sehr knackte oder knisterte. Das war mit Aufkommen der CD natürlich nicht mehr nötig – und im Zeitalter des Streamings schon gar nicht.
Leider kein Kauftipp
Rund um das 50. Jubiläum wird natürlich vor allem den Fans nochmals Gelegenheit gegeben, das Album zu würdigen – wobei das Angebotene diesmal einen Beigeschmack hinterlässt: Pink Floyd (als Geschäftszweck besteht die Band durchaus weiter) haben in den vergangenen Jahren allerlei Boxsets herausgebracht: So gab es 2011 eine „Dark Side“-Ausgabe („Immersion Box“), die etwa unveröffentlichte Versionen und einen Raumklang-Mix versammelte. Ausgerechnet zum 50. Geburtstag war in den Archiven offenbar aber nichts mehr zu finden: Die „Deluxe“-Box für unfassbare 300 Euro bietet jedenfalls kaum Neues, das aber sehr opulent verpackt. Eine tolle Live-Darbietung von „Dark Side …“ gibt es zum Glück aber auch erstmals einzeln auf Vinyl und CD. Außerdem gibt es ein edles Buch mit Fotos – die vor allem zeigen, wie die Band hinter der Bühne Zeitung liest oder Backgammon spielt. Rock’n’Roll stellt man sich vielleicht anders vor.
Eine ganz neue Version des „Dark Side …“-Albums hat der derzeit wieder besonders streitbare Roger Waters vor kurzem angekündigt. Sie soll eine zurückgenommene Version sein und „kein Ersatz für das Original, das natürlich unersetzlich ist“, wie Waters erklärte. Vielmehr habe er eine Gelegenheit genutzt „für den 79-jährigen Mann, über die dazwischen liegenden fünfzig Jahre hinweg in die Augen des 29-Jährigen zurückzublicken“.
Darum fasziniert das Album noch heute
Michael Kernbach, Musiker, Autor, Komponist und Manager:
„Mein ‚Dark Side Of The Moon‘-Moment war in den 2010er-Jahren, als ich das Album einem jungen, aufstrebenden Progrock-Musiker vorspielte, der dieses Werk tatsächlich nicht kannte. Der Blitz, der ihn gleich nach den ersten Tönen traf, war für mich der letzte Beweis, dass dieses Album zeitlos ist – wie die Neunte von Beethoven oder die Brandenburgischen Konzerte.“
Johannes Schier, Gitarrist und Musiklehrer:
„Eigentlich ist die ‚Dark Side Of The Moon’ für mich das fieseste Meisterwerk aller Zeiten! Wie oft bin ich herrlich zur Musik eingeschlafen und wurde dann von den Uhren geweckt! Insofern bin ich etwas traumatisiert von der Platte. Sie ist aber – neben ‚The Wall’ und ‚Wish You Were Here’ – DAS stilbildende Pink-Floyd-Werk und hat den Sound einer ganzen Generation geprägt. Für mich als Gitarristen stellt David Gilmours Arbeit wunderbar dar, wie viel man mit wie wenig ‚Worten’ in einem Gitarrensolo erzählen kann. Das gilt im Übrigen auch für das Artwork. Insgesamt ein Stück Musikgeschichte und darum absolute ‚Pflichtlektüre’!“
Lata Gouveia, Singer-Songwriter und Gitarrist:
„Die meisten Künstler schaffen nie ein Meisterwerk – Pink Floyd hat ein paar produziert! Aber keines, das legendärer ist als ‚Dark Side …’, das heute vielleicht aktueller ist als 1973. Seit 50 Jahren begeistert es Generation für Generation, denn es vereint Texte, die als Sozialkritik so kraftvoll und relevant sind wie alles, was Bob Dylan geschrieben hat. Und leider sind Songs wie ‚Money’ oder ‚Us & Them’ nach wie vor aktuell, während Songs wie ‚Breathe’ und ‚Eclipse’ aus spiritueller und philosophischer Sicht immer noch relevant sind. Wir werden noch in 50 Jahren über das Album sprechen – und es könnte sogar die Spezies selbst überdauern!“
Frank Ziegler, Editpress-Mitarbeiter:
„Erinnerung… wie immer geduldig auf die letzten vier Stücke warten und fliegen können: Vom zum Schweben verleitenden ‚Us and Them’ führt der Bogen zum prophetischen ‚Eclipse’ – mit ‚Any Colour You Like’ als Pause zwischendurch, um dann mit ‚Brain Damage’ den Gipfel zu erreichen… sagenhaft!“
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