Nationalmannschaft / Amy Thompson über Klischees: „Ihr Trainer hatte gesagt, Fußball sei nichts für Mädchen“
Mit ihren 29 Jahren hat Amy Thompson schon einiges erlebt – auf und neben den Fußballplätzen. Was die Angreiferin am Stellenwert ihres Sports stört und welche konkreten Lösungsvorschläge sie zur Verbesserung der Situation liefern könnte: ein Gespräch über den langsamen Weg in Richtung Gleichberechtigung.
Tageblatt: Sind Sie es leid, 2023 noch Fragen über Gleichberechtigung zum Thema Frauen und Fußball beantworten zu müssen?
Amy Thompson: Es ärgert mich schon, aber nicht extrem. Es nervt mich in diesem Sinne, dass ich das Gefühl habe, dass wir nicht so schnell vorankommen, wie es eigentlich möglich wäre. Es wird viel über Gleichberechtigung gesprochen. Gleichzeitig hören wir dann Sätze wie: „Ihr dürft nicht vergessen, dass ihr Frauen seid …“ Ich spreche jetzt für den Fußball, wo man uns zu verstehen gibt, dass wir eben nicht so viel Geld einbringen wie die Teams der Männer. Jetzt müssen konkrete Lösungen auf den Tisch gebracht werden.
Ist das ein Problem auf Vereins- oder Verbandsebene?
Von allen. Es ist eine Tatsache, dass Frauenfußball nicht die gleichen Summen einbringt. Ich kann nicht für alle Sportarten sprechen, es gibt bestimmt auch einige, wo die Frauen populärer sind. Ich kann mir vorstellen, dass es vielen Sportlerinnen so geht wie uns. Die finanzielle Frage ist keine Entschuldigung – aber genau der Grund dafür, dass von Gleichberechtigung nicht die Rede sein kann.
Um populärer zu werden und mehr Einnahmen zu generieren, müsste investiert werden. Ist es ein Teufelskreis?
Ja, aber es gibt Lösungen, abgesehen von medialer Präsenz und Zuschauerzahlen. Ein Verein könnte beispielsweise nach Sponsoren suchen, die ausschließlich die Frauenmannschaft unterstützen möchten. Beim Verband ist das schon etwas komplizierter, da man aufgrund von Verträgen an einige Sponsoren gebunden ist und sich logischerweise keine Konkurrenten ins Boot holen kann. Aber auch in diesem Fall könnte man beim Sponsoring möglicherweise zwischen den Frauen und Männern unterscheiden. Als Spielerinnen liegt es an uns, auf die Leute zuzugehen. Man muss nach Lösungen und Wegen suchen. Es kann nicht sein, dass wir uns mit dieser „Ihr bringt nicht genug Geld“-Aussage zufriedengeben.
Welche Vorurteile oder Bemerkungen haben Sie im Laufe der Karriere besonders hart getroffen?
Ich hatte immer das Glück, in einer tollen Mannschaft, mit Jungs, aufzuwachsen. Ich habe nur gute Erfahrungen gemacht. Ich weiß aber auch, dass das nicht überall der Fall ist. Vor ein paar Jahren habe ich die „Jeunes filles“ in Niederkorn trainiert. Ein paar dieser Mädchen hatten schlechte Erfahrungen gemacht. Es waren Trainer, die ihnen gesagt hatten, Fußball sei ein Sport für Jungs und man würde sie nicht brauchen. So eine Einstellung beeinflusst dann die ganze Mannschaft – und die Jungs fangen an, ähnliche Kommentare vom Stapel zu lassen. Zehn Jahre, nachdem ich in einer Jungen-Mannschaft gespielt habe, gab es also immer noch Trainer, die solche Ansichten vertraten.
Denken Sie, dass das heute noch der Fall ist?
Bestimmt. Aber ich denke, dass es weniger verbreitet ist. Ich hoffe jedenfalls, dass es nicht mehr so ist … Es beginnt alles bei den Trainern, denn die anderen Mitspieler entwickeln diese Einstellung erst, wenn man sie ihnen vorlebt.
Welche Rolle spielen dabei die Medien?
Sie müssten uns mehr Visibilität geben – und zwar nicht nur in den großen Momenten wie bei einer Nations League, sondern auch bei der lokalen Meisterschaft. Die Berichterstattung sollte sich nicht nur auf die besonderen Momente beschränken, sondern regelmäßig sein. Wir sind definitiv präsenter in den Medien, bei den großen Kampagnen umso mehr. Aber was fehlt und schade ist, ist, dass man schon bemerkt, dass es im Alltag sehr still ist.
Wie sollten Sportlerinnen mit ihrer Situation umgehen, bis es diese generelle Akzeptanz für alle Disziplinen geben wird?
Ich bin keine, die von sich aus permanent über Gleichberechtigung redet. Wenn wir etwas erreichen wollen, dann müssen wir die Leistung auf dem Platz zeigen. Das ist der bessere Weg, seine Zeit zu opfern. Ohne Lösungsvorschläge und neue Ansätze nur zu reden, bringt uns nicht weiter.
Fühlen Sie sich als Teil einer Bewegung, die dabei hilft, in die richtige Richtung zu steuern?
Nicht unbedingt. Ich versuche eher, etwas für meine Sportart zu tun und den Damenfußball nach vorne zu bringen. Wenn ich meinen Teil dazu beitragen kann, tue ich es. Es ist mir wichtig, mit beiden Füßen auf dem Boden zu bleiben und mich nicht irgendwie als Antreiberin von irgendetwas zu sehen.
Dabei stehen Sie, als Stürmerin, meist im Rampenlicht.
Das merke ich auch. Ich bin nicht die Mannschaft. Neben mir stehen zehn andere Spielerinnen auf dem Platz, komplettiert wird der Kader von denjenigen, die auf der Bank sitzen. Es steckt also viel mehr dahinter.
Haben es junge Fußballspielerinnen heute leichter als Sie vor 15 Jahren?
Leichter nicht, aber es stehen den jungen Spielerinnen heute mehr Möglichkeiten zur Verfügung, wenn sie nicht in gemischten Teams spielen wollen. Ihnen stehen jetzt viele Türen offen, um es weiter nach oben zu schaffen. Sie haben beispielsweise jetzt die Chance, international mit der U15 oder U17 anzutreten. Das ist eine tolle Sache.
Nach einer WM-Qualifikation mit neun Punkten bestreiten Sie derzeit Ihre erste Nations-League-Kampagne. Es hätten nach so vielen Jahren viel mehr als 35 Länderspiele und 25 Tore sein müssen …
Mit Charlotte Schmit oder Caroline Jorge stehen zwei junge Frauen im Kader, die im Alter von 18 Jahren wahrscheinlich schon die Hälfte dieser Zahl erreicht haben. Vor meinem Comeback vor drei Jahren hatte ich erst 20 Länderspiele absolviert. Das hat sich also innerhalb von drei Jahren fast verdoppelt. Es ist ein riesiger Fortschritt, den wir durch die Teilnahme an Qualifikationskampagnen und der Nations League geschafft haben. Früher gab es nur diese Vorqualifikation und Testspiele. Klar hätte ich diese Chance früher auch gerne gehabt und die magische Marke der 100 Länderspiele geknackt. Für mich lautet jetzt das Ziel, die 50 zu schaffen. Die jüngeren im Team haben durchaus die Möglichkeit, die 100 vollzumachen. Das wird ein geiler Moment für uns alle sein.
Es stehen nach zwei Spielen vier Punkte auf dem Konto. Jetzt wartet der Doppeltermin gegen die Türkei. Was erwartet Sie, als Stürmerin, gegen den Tabellenführer?
Zuerst einmal ist die Stürmerin bekanntlich auch die erste Verteidigerin. Ich muss also, wie alle andern, erst einmal meine defensiven Aufgaben erledigen. Die Türkei ist Favorit, dessen sind wir uns bewusst. Wir haben Respekt, aber keine Angst.
Nationaltrainer Dan Santos hatte bereits einen Aufruf gestartet und die Vereine aufgefordert, Sie am Freitag in Esch zu unterstützen. Hat sich das schon ausgezahlt?
Ich habe gehört, dass ein paar Trainer ihr Freitagstraining aus diesem Grund abgesagt haben. Ich hoffe, dass die Spielerinnen das nicht als Angebot sehen, sich einen schönen freien Abend zu machen, sondern ins Stadion kommen werden. Wir würden uns wirklich über viele Zuschauer freuen.
Letzte Frage: Haben Sie nach all den Jahren noch immer das Gefühl, beweisen zu müssen, dass Sie etwas von Fußball verstehen?
Ich mache mir selbst immer großen Druck. Das bedeutet, dass ich das Gefühl habe, etwas zeigen zu müssen. Ich will niemanden enttäuschen. Aus meiner Sicht waren meine beiden Nations-League-Auftritte im September nicht gut, deshalb will ich mich steigern. Ich fühle mich nicht, als wäre ich etwas Besonderes.
Das Programm
UEFA Nations League der Frauen:
Gruppe C2:
3. Spieltag am Freitag, 19.30 Uhr im Stade Emile Mayrisch in Esch: Luxemburg – Türkei
4. Spieltag am Dienstag, 31. Oktober, um 17.00 Uhr: Türkei – Luxemburg
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