Esch2022 / Anderer Blick auf Minett-Landschaft: „Landscapes“–Freilichtausstellung zwischen Kayl und Rümelingen
Die Wunden, die die Menschen während Jahren der Landschaft zufügten, sind längst verheilt. Auf der Suche nach dem wertvollen Eisenerz hatten unsere Vorfahren Unmassen an Boden abgetragen, an anderer Stelle aufgeschichtet, den Untergrund mit kilometerlangen Stollen und Galerien durchbohrt.
Die Natur hat die Narben in der Zwischenzeit längst verdeckt und dieses Areal, einst Arbeitsstätte Hunderter Menschen, in ein einzigartiges Naherholungsgebiet verwandelt. Seit dem 1. August versucht das Projekt „Landscapes“, diese Verbindung zwischen früher und heute herzustellen, den Wandel dieser Gegend und das Verhältnis zwischen Mensch und Natur auf künstlerische Art zu interpretieren. Das Projekt lässt die Wander- und Radlerwege im früheren Tagebau in neuem Licht erscheinen.
Getragen wird das Projekt durch die Werke von neun Künstlern und Künstlerinnen. „Kunst in ihren verschiedenen Formen mitten in der Natur, in den früheren Bergbaugebieten, ein gemeinsames Projekt der Stadt Rümelingen und der Gemeinde Kayl – wie soll man den Slogan Remix von Esch2022 besser darstellen?“, so Kayls Bürgermeister Jean Weiler anlässlich der Eröffnung am Samstag. Alle Künstler verbindet die Geschichte dieser Region, aus der sie stammen oder in der sie arbeiten. Regional und lokal verwurzelte Künstler, sagt dazu Rümelingens Bürgermeister Henri Haine. Einer von ihnen ist Serge Ecker. Seine gusseiserne Plastiken verschaffen dem Besucher einen Überblick über die Gegend, die sich der Wanderer zu Fuß erschließen wird. Anhand von 3D-Geokarten erstellte Ecker, dessen Familienangehörige in der Bergbauindustrie arbeiteten, Modelle dieser von Menschenhand umgestalteten, abgetragenen und aufgeschütteten Hügel und Schluchten. Gegossen wurden sie in der Kayler Gießerei Massard.
Atemberaubende Ausblicke
Die Tour kann man vom Bergbaudenkmal Léiffrächen oder vom Rümelinger Wanterfeld am Laangegronn aus starten. Wer sich für die Kayler Variante entscheidet, wird sich zuerst einen atemberaubenden Überblick über das Tal verschaffen können. Dazu muss er die von der Architektengruppe um Philippe Nathan um das Wahrzeichen des Monuments gestaltete Doppelhelix-Treppe erklimmen, die zur Plattform hoch oben nahe der Glocke hinaufführt.
Vom Monument weg führt der Weg zu einer tunnelartigen, sich verengenden Holzkonstruktion. Eine Mine, so Marc Pierrard. Das Ganze habe auch die Form einer Terebra, einer räuberischen Meeresschnecke, die einst hier lebte, als das Meer die Gegend bedeckte, und heute als Fossil erhalten blieb. Auch der Bergbau habe viele Menschenleben verschlungen. Weiter geht es zu einer Aussichtsplattform aus recycelten gusseisernen Platten und Plastikrohren. Hier lädt Lisa Keiffer den Besucher ein, einzelne Bilder der Landschaft zu erschließen. Der durch die Rohre verengte Blick eröffnet dem Betrachter Einzelheiten der Umgebung, denen er beim lässigen Spaziergang wohl keine Aufmerksamkeit geschenkt hätte.
Derlei Guckrohren wird man noch mehreren begegnen, ebenso Landschaftsmodellen von Serge Ecker, Ausschnitten aus dem großen Block eingangs der Tour, dessen Kopie übrigens am Rümelinger Startpunkt zu sehen ist. Zwischendurch fällt der horizontal ausgerichtete, aus Eisenbuchstaben gebildete S-förmige Schriftzug von Claudia Passeri „Nous avons remué terre et ciel“ auf, ein Satz, der die Geschichte dieser Gegend bestens zusammenfasst.
Geführte Wanderungen
An den Anfangs- und Endpunkten der Freilichtausstellung spannte Lynn Theisen großformatige Fotos auf. Dort hielt sie die Arbeiten von zehn Künstlern fest, Installationen, die für die Dauer des Fotoshootings in dieser Minett-Umgebung realisiert worden waren.
Wer die Ausstellung in ihrer ganzen Tiefe und die Wanderung in vollen Zügen genießen möchte, dem sei eine geführte Tour angeraten. Jazzmusiker Pol Belardi und die Tanzgruppe um Jill Crovisier erwarten die Besucher beim Rümelinger Tierasyl. Einige Hundert Meter weiter lässt Misch Feinen recycelte Signalhörner und Industriesirenen zur Höchstform auflaufen.
Die erste geführte Wanderung am Samstag fand einen unerwartet großen Erfolg, sodass man mehr Besucher als ursprünglich geplant mitnehmen musste. „Overbooking“, würde man in der Reisebranche sagen. Weitere geführte Wanderungen mit Musik und Spektakel finden am 20. und 21. August statt. Anmeldungen nimmt der Kulturdienst der Gemeinde Kayl (Tel.: 566666-398 oder culture@kayl.lu) entgegen. Die Ausstellung selbst ist bis zum 31. Oktober frei zugänglich. Ein Pendelbus erleichtert den Aufstieg zur Léiffrächen bzw. in den Laangegronn. Details dazu auf kayl.lu und rumelange.lu.
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Störend in der Naturlandschaft ist der asphaltierte graue Belag der am Anfang, schon Jahre her, noch Rot „Terre Rouge“gestaltet war. Aber Asphalt ist hier absolut fehl am Platz!