Luxemburg-Stadt / „Angelegenheit ist für mich erledigt“: Lydie Polfer reagiert auf Video von Schöffin Simone Beissel
Entsetzen löste Anfang der Woche ein Video der Abgeordneten Simone Beissel (DP) und der ehemaligen EU-Abgeordneten Astrid Lulling (CSV) aus. Beim „City Breakfast“ äußerte sich Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) nun zu den Aussagen der Schöffin des städtischen Gemeinderats. Außerdem gab es Informationen zum Einsatz von Polizei und privaten Sicherheitsfirmen in der Hauptstadt.
„Es ist alles dazu gesagt. Simone Beissel hat sich für die Worte und ihren Ton entschuldigt und das ist auch gut so“, unterstrich die städtische Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) beim sogenannten „City Breakfast“ am Donnerstag in Luxemburg-Stadt. Dabei bezog sie sich auf ein Video, das Anfang der Woche vor allem in den sozialen Medien Kopfschütteln ausgelöst hatte. Darin zu sehen: Die Abgeordnete und städtische Schöffin Simone Beissel (DP) und die ehemalige EU-Abgeordnete Astrid Lulling (CSV), wie sie im Wohnzimmer von Letztgenannter über das sogenannte Bettelverbot in der Hauptstadt diskutieren. Und sich dabei abfällig über davon Betroffene äußern.
Unter anderem Simone Beissels Aussage, Menschen auf der Straße zu „füttern“, wurde heftig kritisiert. Eine Äußerung, für die die hauptstädtische Schöffin sich nach einem Gespräch mit dem Vorsitzenden ihrer Partei, Lex Delles, am Dienstag entschuldigte. Der städtische Gemeinderat war indes nicht mit der Angelegenheit befasst, wie Lydie Polfer es beim monatlichen Zusammenkommen mit der Presse formulierte. Denn: „Sie hat nicht im Namen der Gemeinde gesprochen.“ Simone Beissel hatte aber am Dienstag im Gespräch mit dem Tageblatt darauf hingewiesen, die Linie der Gemeinde in Bezug auf das Verbot verteidigt zu haben.
Dass die Schöffin sich inzwischen entschuldigt hat, begrüßte die Bürgermeisterin und sagte, dass die Angelegenheit damit für sie erledigt sei. Lydie Polfer unterstrich allerdings, dass verschiedene von Simone Beissel beschriebene Situationen „leider der Realität entsprechen“. Vom Tisch ist die Sache aber wahrscheinlich noch nicht so schnell: Denn sowohl die städtische Sektion von „déi gréng“ als auch die von LSAP und „déi Lénk“ haben am Mittwoch dringende Anfragen an den blau-schwarzen Schöffenrat gestellt. Sie wollen von den Mitgliedern unter anderem wissen, ob sie die Ansichten von Simone Beissel teilen und welche Konsequenzen ihre Äußerungen haben werden, wenn überhaupt.
Verträge mit Sicherheitsfirmen nicht verlängert
Seit übrigens mehr als einem Monat wird das umstrittene Bettelverbot nun von einem verstärkten Polizeiaufgebot in Luxemburg-Stadt kontrolliert. Die Gemeinde ist damit zufrieden. Denn die bis März dieses Jahres geltenden Verträge mit privaten Sicherheitsfirmen werden nicht verlängert – wie Lydie Polfer während des „City Breakfast“ ankündigte. „Es ist ruhiger hier geworden und in den Zeitungen können wir ja jeden Tag lesen, dass große Kontrollen im Bahnhofsviertel durchgeführt werden“, stellte die Bürgermeisterin zufrieden fest.
Durch die verstärkte Polizeipräsenz ist der Einsatz der privaten Sicherheitsdienste demnach nicht mehr länger nötig. „Jeder Mensch, der durch die Stadt geht, wird eine konsequente Beruhigung feststellen“, sagte Lydie Polfer und unterstrich gleich, dass die Stadt dazu jedoch keine Zahlen nennen könne. Die Bürgermeisterin wies außerdem darauf hin, dass wahrscheinlich wegen der Wintermonate generell weniger Obdachlose unterwegs seien. „Sobald schöneres Wetter kommt, werden wir feststellen können, welche Auswirkungen die stärkere Polizeipräsenz wirklich hat“, so Lydie Polfer.
Petition zum Bettelverbot endet
Das sogenannte Bettelverbot der blau-schwarzen Mehrheit des städtischen Gemeinderats erntete in den letzten Wochen viel Kritik. Um dagegen vorzugehen, startete Marc Faramelli eine Petition mit dem Titel „Das Betteln jederzeit und überall erlaubt lassen!“. Am letzten Tag, an dem unterschrieben werden konnte, hatten 5.514 Menschen (Stand: 22.2.24) diese unterzeichnet. Bereits am 17. Januar wurde die Hürde von 4.500 Unterschriften genommen, die es für eine Debatte in der Chamber braucht. Wenn auch die elektronischen Signaturen nach Abschluss der Petition erst einmal validiert werden müssen (um Doppelungen auszusortieren und die Zulässigkeit zu überprüfen), scheint mehr als sicher, dass das Bettelverbot durch die Unterschriftensammlung erneut Thema in der Abgeordnetenkammer sein wird. Das Datum für die Diskussion legt die Chamber fest.
Weiter wollte sie sich nicht zu dem Polizeieinsatz äußern und wies darauf hin, dass der Minister für innere Sicherheit, Léon Gloden (CSV), das kommende Woche bei einer Pressekonferenz tun wird. Für ihn hatte die Gemeindechefin nur gute Wort übrig: „Mehr physische Polizeipräsenz im öffentlichen Raum ist, was wir wollten und was wir gebraucht haben. Wir freuen uns wirklich darüber, endlich ein offenes Ohr beim Minister zu haben.“ Die Streetworker mit den grünen Jacken von „A vos côtés“ werden übrigens weiterhin in den Straßen der Hauptstadt unterwegs sein.
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Zu einem nachhaltigen, präventiv-verantwortungsvollen Umgang mit nichtunproblematischen, wirkmächtigen Äußerungen von PolitikerInnen und anderen MandatsträgerInnen gehört eine geschichtlich-sozialwissenschaftliche Untersuchung von prägenden Mentalitätseinflüssen des Kulturkreises, in dem diese Äußerungen gemacht wurden. Eine Hilfe bei dieser Untersuchung sind sicherlich die Aussagen der (luxemburgischen) HistorikerInnen und SozialwissenschaftlerInnen.
▪ Verkrustetes System („Revue“, 26.10.2007) Die fehlende Weitsicht ist ein Merkmal der Luxemburger Politik. Die Einwohnerzahl steigt. Die luxemburgische Politik aber kann nach den Worten des Soziologen Fernand FEHLEN von der Uni Luxemburg nicht mit dem gesellschaftlichen Wandel Schritt halten.
REVUE: Seit vergangenem Jahr hat Luxemburg mehr als 500.000 Einwohner. Was verbindet diese Menschen?
FEHLEN: Ihnen gemeinsam ist, daß sie an einem großen, dynamischen Wirtschaftsgeschehen teilhaben.
REVUE: Reicht dies aus für eine gemeinsame Identität?
FEHLEN: Als Soziologe bin ich allergisch gegen den Begriff der Identität. Dabei handelt es sich um ein Konstrukt. In der Regel stellt sich ein Mensch nicht die Frage, was für eine Identität er hat. (…)
REVUE: Wie viele Einwohner kann die Gesellschaft noch verkraften?
FEHLEN: Luxemburg ist dünn besiedelt. Daher haben wir noch genügend Spielraum. Luxemburg kann noch wachsen. Nur besteht hier das Problem, dass dies raumplanerisch, transport- und bildungspolitisch nicht begleitet wird. Die fehlende Weitsicht ist ein Merkmal des Luxemburger politischen Systems. Es ist zu stark auf Status quo und auf Konsens ausgerichtet. Die Meinungsfindung verläuft langsam. Probleme werden ausgesessen.
REVUE: Heißt das, daß das politische System keine adäquaten Antworten auf die gesellschaftliche Entwicklung hat?
FEHLEN: Die Gesellschaft hat sich sehr schnell entwickelt. Sie ist nicht mehr die der 70er Jahre. Das politische Leben konnte nicht damit Schritt halten. Es wird hauptsächlich durch das System des Panaschierens und der kleinen Wahlbezirke gelähmt. Jeder muß auf seine Wahlklientel Rücksicht nehmen und auf die potenziellen Wähler, denen er nach der Messe oder abends in der Gastwirtschaft begegnet. Dieses System ist zutiefst in unseren Sitten verankert. Niemand will dem anderen auf den Schlips treten. Es ist wie in einem Spiel, in dem der verliert, der sich als Erster bewegt. Die eigentlichen Probleme werden dadurch nicht angegangen.
REVUE: Verändert der Zustrom von Einwanderern nicht dieses System?
FEHLEN: Diese müßten politisch stärker eingebunden werden. Doch es gibt wenig Bewußtsein dafür, daß durch den Ausschluß der Einwanderer ein großes, junges und oft gebildetes Potenzial, also ein dynamischer Teil der Gesellschaft von der politischen Mitsprache weitgehend ausgeschlossen ist. Das bewirkt, daß das verkrustete System bestehen bleibt. (…)
(Stefan KUNZMANN, Revue Nr. 30, 26.07.2010)
▪ Die Unsichtbarkeitsstrategie (05.02.2007, Lux. Wort)
„(…) In Luxemburg befasst sich „RAXEN“ mit Integration, Immigration und Minderheitengruppen. Und da gibt es wenig bekannte Vorfälle. (…) Die luxemburgische Art der Konfliktlösung ist die Tendenz, Probleme in einer Art Unsichtbarkeitsstrategie nicht öffentlich zu machen, solange es sich vermeiden läßt. (…)“
(Dr. Claudia HARTMANN-HIRSCH, Luxemburger Wort, 05.02.2007)
▪ Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit („EUMC“) Von T.-C. BARTSCH. Die „EUMC“ „European Union Monitoring Centre on Racism and Xenophobia“ wurde 1997 durch eine Verordnung des Rates der EU gegründet. Sie hatte von 1997 bis 2007 ihren Sitz in Wien, Österreich und wurde 2007 in die Europäische Agentur für Grundrechte integriert. Ihre Aufgabe bestand darin, objektive, wissenschaftlich fundierte und vergleichbare Daten über Fremdenfeindlichkeit, Rassismus sowie Antisemitismus und Diskriminierung zu sammeln, zu analysieren und die Erkenntnisse zu verbreiten. Ausmaß, Ursachen, Folgen und Entwicklungstendenzen von Fremdenfeindlichkeit zu untersuchen, waren besondere Schwerpunkte der Arbeit. Wichtigstes Instrument hierbei war das von der „EUMC“ aufgebaute und geleitete „Europäische Informationsnetz über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“, „RAXEN“, engl.: „Racism and Xenophobia European Network“), das aus nationalen Kontaktstellen bestand, die Informationen, vorbildliche Projekte und Daten an die Agentur übermittelten. Um Überschneidungen der Tätigkeiten zu vermeiden, arbeitete die „EUMC“ eng mit dem Europarat zusammen. Die Agentur wurde 2007 in die EU-Grundrechteagentur überführt und aufgelöst.
Aus: GROSSE-HÜTTMANN / WEHLING, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH.
(Bundeszentrale für politische Bildung, bpd)
MfG
Robert Hottua
Wenn 2 alte frauen beim kaffee und kuchen vor sich hin braddeln sollte man kein video dazu machen und es auch noch veroeffentlichen.
Gleiches gilt uebrigens auch fuer 2 alte maenner beim bier in der kneipe.
Die beiden kann man doch einfach nicht ernst nehmen. Die 2 älteren Damen nehmen sich viel zu ernst und machen sich mit ihrem “ Gebrassels“ nur noch lächerlich. Ihnen fehlt es an Einsicht und an Demut. Da kann man noch so viel philosophieren wie man will.
Soll natürlich “ Gebraddels“ heissen.
Was soll bei einem solchen Kaffeekränzchen zwischen Tante Astrid und Tante Simone schon Gescheites auf die Tapete kommen? Vielleicht nachher, wenn beide Damen im Kaffeesatz lesen und die Vergangenheit heraufbeschwören etwa nach dem Motto von Tante Colette “ Den Avenir läit an der Zukunft „.