Migration / Angst wächst, aber die Zahl der Flüchtlinge am Mittelmeer sinkt
Die jüngste Umfrage der größten spanischen Zeitung El País spiegelt wider, was in ganz Europa zu spüren ist: Die Bevölkerung ist zunehmend besorgt über die Zuwanderung.
Immer mehr Menschen sind der Meinung, dass zu viele Migranten ins Land kommen. Immer mehr Bürger verbinden die Zuwanderung mit Kriminalität, Überlastung der Sozial- und Gesundheitssysteme und kulturellen Konflikten. Kurz: Die migrationskritische oder zuweilen sogar -feindliche Stimmung wächst.
In der hitzigen Debatte um die Migrationspolitik geht manchmal unter, dass es auch Erfolge zu vermelden gibt. Dazu gehört etwa, dass die Zahl der Flüchtlinge und Migranten, die nach Europa kommen, in diesem Jahr zurückgegangen ist. Laut dem neuesten Monatsbericht der EU-Grenzschutzagentur Frontex wurden seit Jahresbeginn 166.000 irreguläre Migranten an den EU-Außengrenzen registriert – insgesamt, also an den Land- und an den Seegrenzen, sank die Zahl um gut 40 Prozent.
Eine der wichtigsten Migrationsrouten führt von Afrika aus über das Meer nach Südeuropa. Hier trägt die zunehmende Zusammenarbeit mit den afrikanischen Transitstaaten Früchte. Am deutlichsten zeigt sich dies in Italien. Zwar ist Italien nach wie vor das südeuropäische Land, in dem die meisten irregulären Migranten per Boot ankommen. Doch von Januar bis Oktober wurden dort 60 Prozent weniger Flüchtlinge und Migranten registriert – in konkreten Zahlen: Bisher wurden rund 55.000 gezählt, im Vorjahr waren es bis Oktober fast 140.000.
Frontex begründet diese Entwicklung an der italienischen Küste mit „präventiven Maßnahmen” der Anrainerstaaten Libyen und Tunesien, „um die Aktivitäten der Schlepper zu unterbinden”. Zum Beispiel, indem diese nordafrikanischen Transitländer, von denen viele Elendsboote ablegen, die Rolle des EU-Grenzschutzes übernehmen. Im Klartext: Migrantenboote werden vor der afrikanischen Küste abgefangen und zurückgeschleppt. Die EU belohnt diese Kooperation mit millionenschweren Geldzahlungen an die Transitstaaten.
Zusammenarbeit mit Transitländern nimmt zu
Durch diese „Pull-Backs“ genannten Abwehrmaßnahmen an der EU-Wassergrenze werden inzwischen jährlich Zehntausende von Migranten daran gehindert, Europa zu erreichen. So wurden nach Schätzung des Unhcr (Flüchtlingsagentur der UNO) im Jahr 2023 rund 26 Prozent aller Bootsabfahrten in Richtung Südeuropa verhindert. Im laufenden Jahr dürften es noch mehr werden, da die Zusammenarbeit mit den Transitländern zunimmt: Allein von Januar bis August 2024 wurden laut Unhcr nahezu 50.000 Migranten nach Tunesien (33.000) und Libyen (14.000) zurückgebracht.
Auch wenn offiziell wenig über diese „Pull-Backs” bekannt wird, die übrigens von Menschenrechtlern sehr kritisch gesehen werden: Man weiß, dass vor den Küsten Griechenlands und Spaniens ähnlich verfahren wird. So berichtete das Unhcr unter Berufung auf die türkischen Behörden, dass im August 2024 genau 6.407 Flüchtlinge und Migranten „gerettet oder abgefangen“ wurden, bevor sie griechische Gewässer erreichten. Die Türkei, mit der die EU ebenfalls eine Kooperation hat, hinderte diesen Angaben zufolge im August jedes zweite Boot an der Abfahrt nach Griechenland.
Spaniens Innenminister Fernando Grande-Marlaska spricht von rund 40 Prozent aller Bootsflüchtlinge, die durch die Kooperation vor allem mit Marokko, aber auch mit dem Senegal in afrikanischen Gewässern gestoppt werden können. Nun drängen Spanien und die EU auch Mauretanien zu einer besseren Grenzkontrolle und haben dem westafrikanischen Land dafür 500 Millionen Euro zugesagt. Denn nachdem die Seegrenzen Marokkos und Senegals weniger durchlässig geworden sind, legen die meisten Boote Richtung Spanien jetzt in Mauretanien ab und steuern über die Atlantikroute die spanischen Kanaren an.
Schlupflöcher an den EU-Außengrenzen
Jedes Mal, wenn ein Schlupfloch an der EU-Außengrenze geschlossen wird, verlagern die Schlepper ihre Routen. Oder wie es im jüngsten Frontex-Bericht heißt: „Während es auf einigen Migrationsrouten weniger Überfahrten gibt, werden andere aktiver.” Das gilt derzeit für Griechenland und Spanien. Nachdem sich die Bootsankünfte in Italien mehr als halbiert haben, kommen wieder mehr Migranten an den griechischen und spanischen Küsten an. Doch trotz dieser Verschiebungen weist die Frontex-Migrationsbilanz an den südeuropäischen Seegrenzen im laufenden Jahr 2024 unter dem Strich einen Rückgang von rund 30 Prozent auf.
Auch bei den Abschiebungen, die durch die mangelnde Bereitschaft vieler Herkunftsländer und bürokratische Hürden erschwert werden, zeichnet sich eine positive Entwicklung ab: Laut dem europäischen Statistikamt Eurostat haben die 27 EU-Staaten im Jahr 2023 genau 111.185 zwangsweise Rückführungen von Nicht-EU-Bürgern in Drittstaaten erfolgreich abgeschlossen. Das ist immerhin ein Anstieg von 25 Prozent gegenüber 2022 und um 40 Prozent gegenüber 2021.
Die meisten Abschiebungen wurden im Jahr 2023 von Deutschland (15.445) durchgeführt, gefolgt von Frankreich (12.170) und Schweden (10.330). Auch Österreich gehörte mit 6.725 erfolgreichen Rückführungen zum oberen Drittel jener EU-Staaten, die vergleichsweise viel abschoben.
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