Häusliche Gewalt / Anlaufstelle „Riicht eraus“ sieht den Menschen hinter dem Täter
Um das Problem von häuslicher Gewalt in den Griff zu bekommen, muss – neben der Unterstützung der Opfer – bei den Tätern ergründet werden, warum sie so handeln. Der Dienst „Riicht eraus“ sucht in seinen Beratungssitzungen nach diesen Hintergründen.
Um die Opfer zu schützen, müssen die Täter ihr Verhalten ändern: Aus diesem Grund gibt es den Beratungsdienst „Riicht eraus“ der „Croix-Rouge“. „Unser Dienst ist auf häusliche Gewalt spezialisiert. Das beinhaltet alles, was zu Hause in den vier Wänden passiert“, sagt Laurence Bouquet, „Chargée de direction“ von „Riicht eraus“. Dabei kann es sich um Partnergewalt handeln, Gewalt gegen Kinder oder auch um junge Erwachsene, die ihren Eltern oder Geschwistern gegenüber gewalttätig werden. Die Beratung ist auf die Arbeit mit erwachsenen Männern und Frauen ausgelegt. Die Berater bei „Riicht eraus“, neben Kriminologin Laurence Bouquet alles Psychologen und Psychotherapeuten, haben eine Zusatzausbildung zum Gewaltberater durchlaufen, mit der Spezialisierung häusliche Gewalt.
Das Ziel ihrer Arbeit sei, dass der Täter oder die Täterin Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und die Schuld nicht bei jemand anderem suchen. „Das macht doch jeder von uns, denn das ist einfacher, als sich mit sich selbst auseinanderzusetzen“, sagt die Kriminologin.
„In erster Linie geht es um den Menschen, der hinter dem Täter steckt“, sagt Laurence Bouquet weiter. Denn auch wenn jemand ein Täter sei, sei er nicht zwangsläufig ein schlechter Mensch. Die meisten, die in einer Paarbeziehung gewalttätig werden, machten das nicht aus Spaß, sondern aus einer Ohnmacht heraus.
Diese Menschen finden bei „Riicht eraus“ die Unterstützung, die sie in vielen Bereichen ihres Lebens brauchen, um aus dieser Situation wieder herauszufinden. Es sei wichtig, ihnen klarzumachen, dass Menschen jederzeit selbst entscheiden, wie sie handeln, erklärt die „Chargée de direction“. Es stimme nicht, dass jemandem einfach so die Hand ausrutscht. „Derjenige entscheidet sich in dem Moment dazu, auch wenn diese Entscheidung vielleicht in Millisekunden stattfindet.“ Deswegen sei es wichtig, die Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.
446 Dossiers in zwölf Monaten
Bei den Sitzungen wird nach den Gründen gesucht, warum die Menschen auf diese Art eskalieren und Gewalt anwenden. Es gilt die Frage zu klären, warum Täterinnen und Täter ihre Konflikte nicht anders lösen können. Eine Beratung dauert gut ein halbes Jahr, mit einer einstündigen Einzelsitzung pro Woche. Sie gilt erst dann als abgeschlossen, wenn beide Seiten dies zusammen beschließen.
Der Bedarf an Täterarbeit besteht durchaus: 2019 hat „Riicht eraus“ 446 Dossiers bearbeitet mit 2.567 einzelnen Terminen. 2013 ist das Gesetz gegen häusliche Gewalt in Kraft getreten. Täter, die von der Polizei aus ihren Häusern verwiesen werden, sind verpflichtet, sich innerhalb von 14 Tagen bei der Beratungsstelle zu melden. Laurence Bouquet rechnet damit, dass es in diesem Jahr noch mehr Wohnungsverweisung geben wird als im letzten Jahr. Dies führt sie jedoch nicht unbedingt auf die gegenwärtige Situation zurück. Im März, April oder Mai waren die Zahlen nicht alarmierend. Die Kriminologin schätzt, dass die psychologischen Auswirkungen der Krise jetzt erst zu spüren und zu sehen sind. Zusätzlich dazu betreut „Riicht eraus“ Fälle, die über ein Urteil dorthin verwiesen werden. Aber auch Menschen, die nach Hilfe suchen, nutzen die Anlaufstelle.
Wir zeigen nicht mit dem Finger auf sie. Wir verurteilen die Tat und nicht den Menschen.Kriminologin
Bei denjenigen, die sich melden müssen, sind viele anfangs zögerlich. Laurence Bouquet hört oft, dass sie bei der Beratungsstelle die ersten seien, die diesen Menschen die Zeit geben würden, um sich auszudrücken. „Wir zeigen nicht mit dem Finger auf sie. Wir verurteilen die Tat und nicht den Menschen“, betont Laurence Bouquet. „Wir konfrontieren sie mit ihren Taten, doch wir finden die Worte, die bei ihnen ankommen.“ So könnten sich die Täterinnen und Täter selbst infrage stellen, ohne sich von ihrem Gegenüber abgewertet zu fühlen.
Nach dem Abschluss der Beratung ist es für „Riicht eraus“ schwer, den Werdegang der ehemaligen Kunden weiterzuverfolgen. Doch Laurence Bouquet findet es bemerkenswert, dass Menschen es fertigbringen, erneute Hilfe anzufragen, wenn sie merken, dass sie in ihrer Partnerschaft wieder eine Konfliktsituation haben, bevor es eskaliert. „Ich rechne ihnen das hoch an, denn dieser Schritt ist sicher nicht einfach.“
Kontakt
Tel.: 27 55 58 00
E-Mail: riichteraus@croixrouge.lu
Web: www.croix-rouge.lu/fr/service/riicht-eraus
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos