/ Apple auf Rekordjagd
Apple setzt mit seinem Jubiläums-iPhone zu neuen Rekorden an: Rund um den Globus standen die Kunden gestern vor den Apple-Läden Schlange, um eines der ersten Exemplare des neuen iPhone X zu ergattern.
Firmenchef und Steve-Jobs-Nachfolger Tim Cook bezeichnete das neue Gerät, das über eine Gesichtserkennung verfügt, als „den größten Sprung vorwärts seit dem Original“. Er hofft nun auf ein boomendes Geschäft im wichtigen Weihnachtsquartal. Anleger machen die Wette mit: Die Apple-Aktie legte im frühen US-Handel um drei Prozent zu und erreichte einen neuen Höchststand.
Damit knackte der Konzern aus Kalifornien erstmals die Marke von 900 Milliarden Dollar bei der Marktbewertung – Analysten zufolge dürfte schon sehr bald die Grenze von einer Billion Dollar überschritten werden.
Kunden stürmen weltweit die Läden
Im laufenden Quartal rechnet Apple nun mit einem Umsatz von 84 bis 87 Milliarden Dollar, so viel wie noch nie. Das wäre fast das Bruttoinlandsprodukt der Ukraine. In der Tat scheint das Unternehmen zehn Jahre nach dem Debüt des ersten iPhones die Begeisterung seiner Kunden neu zu entfachen: Weltweit zelteten Apple-Jünger über mehrere Tage vor den Läden, um beim Verkaufsstart dabei zu sein, auch in Berlin, wo sich am Morgen insgesamt etwa 380 Fans versammelten: „Ich habe kein Auto und gebe mein Geld lieber fürs iPhone X aus“, sagte Helge, ein 49-jähriger Soldat. Acht Tage hatte er vor der Filiale am Kurfürstendamm ausgeharrt, um dann als erster hereinzumarschieren.
Am Preis von mindestens 1.149 Euro störten sich die Kunden in der Hauptstadt nicht. Der 18jährige YouTuber Jonas bezeichnete es zwar als „sehr krass“, aber das iPhone X habe er trotzdem haben müssen. Zumal er sich zuvor bereits einen Dummy in China bestellt habe, um seinen 16.000 Abonnenten einen ersten Eindruck von Gehäuse und Größe des Geräts geben zu können.
Sein Freund und Kollege Marvin, der ein Apple-Tattoo auf dem Unterarm hat, sagte: „Apple scheint da irgendwie eine ganz eigene Art der Währungsumrechnung vorzunehmen. Schließlich ist das iPhone X in den USA ab 999 Dollar erhältlich.“
Auch in Sydney, Tokio und Peking bildeten sich Schlangen vor den Apple-Läden. Viele Menschen hatten sich zuvor ihr iPhone online reserviert. In fast allen Filialen gab es trotz zahlreicher Berichte von Produktionsengpässen weitere Geräte auf Lager. Nach den Worten von Apple-Finanzchef Luca Maestri ist die Nachfrage riesig.
Die Branchenexperten von Nomura Instinet schätzen, dass Apple allein für das laufende Quartal 30 Millionen Exemplare des iPhone X herstellen wird. Analyst Bob O’Donnell vom Technologieberater Techanalysis Research goss allerdings Wasser in den Wein: „Was wir nicht wissen, ist, wie lange diese Welle der ersten iPhone-X-Käufer anhält“, sagte er.
Apple gilt zwar als Wegbereiter der schicken, teuren Universalgeräte. Doch zuletzt hatte es immer wieder Kritik gegeben, die iPhones seien technisch nicht mehr auf dem neuesten Stand. Konkurrent Samsung Electronics aus Südkorea stieg mit seiner Galaxy-Reihe zum Smartphone-Primus nach Marktanteil auf und führt mit großem Abstand.
Das neueste Gerät aus dem Hause Apple ist nun fast randlos, verfügt über drei Kameras und erstmals über eine Gesichtserkennung. Damit kann das Smartphone entsperrt werden – was vorab gerade in Europa für viele Schlagzeilen sorgte. „Individuelle körperliche Merkmale machen uns einzigartig und sind deshalb deutlich sicherer als Passwörter, die leicht abgeschaut, geknackt, gestohlen und missbraucht werden können“, sagte Bitkom-Sicherheitsexperte Marc Bachmann zu Reuters.
Deswegen werde die Gesichtserkennung künftig „ganz normal“ sein. Verbraucherschützer weisen dagegen auf die Risiken hin. Den Nutzern müsse bewusst sein, dass sich im Falle eines unberechtigten Zugriffs von Dritten sensible biometrische Daten auf dem Gerät befinden, teilte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen mit. Bevor App-Entwicklern Zugriff auf die Face-ID-Kamera gegeben werde, müsse dies genau überdacht werden.
Der Aktienkurs steigt und steigt
Apple brachte in diesem Jahr erstmals zwei neue iPhone-Modelle auf den Markt. Im September kam bereits das iPhone 8 in den Handel und soll laut Analysten zuletzt für Schub gesorgt haben.
Die Smartphones tragen mehr als die Hälfte zum Gesamtumsatz bei, der von Juli bis September um rund zwölf Prozent auf 52,6 Milliarden Dollar anzog. Im abgelaufenen Quartal steigerte Apple seinen Gewinn um knapp 19 Prozent auf 10,71 Milliarden Dollar. „Das iPhone X wird nun noch mal eins draufsetzen“, sagte Gartner-Analystin Melanie Zimmermann zum laufenden Vierteljahr.
In der Hoffnung auf boomende Geschäfte legten auch die Zulieferer an der Börse zu: Die Aktien der britisch-deutschen Dialog Semiconductor kletterten um 4,1 Prozent. STMicroelectronics verteuerten sich um 1,3 Prozent und erreichten den höchsten Stand seit März 2004. AMS stiegen in der Schweiz um zwei Prozent und die im DAX notierten Aktien des Chipherstellers Infineon um 1,2 Prozent.
Stephen Nellis
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